Inhaltsverzeichnis

Arbeitsrecht

1. Raucherpausen nicht verbucht: Kündigung ist rechtmäßig

Wer seine Raucherpause nicht verbucht, muss mit einer Kündigung rechnen. Diese ist nach einem Urteil des LAG Thüringen auch rechtmäßig. Wegen der schwerwiegenden Arbeitszeitmanipulation war sogar keine Abmahnung erforderlich.

Hintergrund

Die Klägerin war als Jobvermittlerin über 30 Jahre in einem Jobcenter der Arbeitsagentur beschäftigt. Dort gilt die Regelung, dass Beschäftigte die Arbeitszeit beim Betreten und Verlassen des Dienstgebäudes erfassen müssen, ebenso die Raucherpausen oder andere Pausen in der Kantine oder am Arbeitsplatz. 2019 ergaben Überprüfungen, dass die Klägerin an 3 Tagen in Folge keine einzige Pause gebucht hatte, allerdings ihre digitale Karte zum Betreten des Gebäudes mehrfach am Tag genutzt hatte. Der Arbeitgeber forderte sie auf, zu dieser möglichen Arbeitszeitmanipulation Stellung zu nehmen.

Die Klägerin gab daraufhin zu, dass sie in den genannten Zeiten Zigarettenpausen gemacht hatte, die sie als Raucherin benötige. Gleichzeitig versicherte sie, dass sie ab sofort ihre Raucherpausen korrekt aufzeichnen will. Der Arbeitgeber kündigte ihr daraufhin fristlos, hilfsweise fristgerecht. Nach Auffassung der Klägerin war die Kündigung nicht rechtmäßig. Hierzu brachte sie vor, dass „wilde Raucherpausen“ jahrelang toleriert wurden, sodass eine betriebliche Übung entstanden war. Zudem war sie kein einziges Mal abgemahnt worden und aufgrund ihrer Nikotinsucht konnte der Arbeitgeber sie allenfalls krankheitsbedingt kündigen.

Entscheidung

Das Arbeitsgericht befand, dass es dem Arbeitgeber aufgrund der Tatsache, dass die Klägerin sich einsichtig gezeigt hatte, zuzumuten war, die Kündigungsfrist abzuwarten. Die fristlose Kündigung erklärte es daher für unwirksam. Die ordentliche Kündigung war wegen des Verstoßes gegen die Dokumentationspflichten aber rechtmäßig.

Das Landesarbeitsgericht musste nur noch über die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung entscheiden. Aus Sicht des Gerichts war die Kündigung als verhaltensbedingte Kündigung wegen beharrlicher Verstöße gegen Dokumentationspflichten und des daraus folgenden Arbeitszeitbetrugs gerechtfertigt. Das wiederholte Nichtbuchen der Pausen und damit verbundene Erschleichen von bezahlter Freizeit stellte einen gravierenden Vertrauensbruch dar, der die Kündigung auch bei einer langjährigen Betriebszugehörigkeit rechtfertigte.

Verstoßen Arbeitnehmende gegen die Pflicht, ihre Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist dies eine schwerwiegende Pflichtverletzung, die den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung berechtigen kann. Wenn Mitarbeitende die Anordnung des Arbeitgebers, bei Raucherpausen auszustempeln, missachten, ist dies also kein Kavaliersdelikt, sondern ein Kündigungsgrund. Auch Nikotinsucht kann hier nicht als Rechtfertigung gelten.

GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer

1. Grunderwerbsteuer: Grundstücke einer Untergesellschaft

Ein Grundstück der Untergesellschaft ist der Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs erworben hat. Der bloße Erwerb des Grundstücks durch die Untergesellschaft führt nicht zu einer automatischen Zurechnung bei der Obergesellschaft.

Hintergrund

Im Jahr 2011 trat A die von ihm allein gehaltenen Anteile an einer GmbH & Co. KG (A-KG) und deren Komplementärin (A-GmbH) an eine luxemburgische Personengesellschaft (A-S.e.c.s.) ab. Deren Gesellschaftsvermögen wiederum hielt allein A. Weiterer Gesellschafter der A-S.e.c.s. war eine Kapitalgesellschaft luxemburgischen Rechts, deren Anteile ebenfalls von A gehalten wurden.

Die A-KG war zu 100 % an der K-KG beteiligt. Die K-KG war Alleingesellschafterin einer Holding (X-AG). Die X-AG erwarb nach der Bargründung Grundstücke. Im Zuge einer Umstrukturierung des Konzerns war zu entscheiden, ob die im Vermögen der X-AG befindlichen Grundstücke zum Vermögen der K-KG gehörten und die Einbringung zwar nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbar, aber nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG steuerbefreit ist.

Das Finanzamt ging von der grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnung der Grundstücke aus und verneinte die Steuerbefreiung.

Das Finanzgericht gab der Klage statt, da der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht erfüllt war. Die Grundstücke der X-AG waren der K-KG mangels vorherigen Erwerbs grunderwerbsteuerrechtlich nicht zuzurechnen.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof bestätigt die Auffassung des Finanzgerichts und entschied, dass die Grundstücke nicht zum Vermögen der K-KG gehörten.

Ob ein Grundstück zum Vermögen der Gesellschaft „gehört“, richtet sich nach der grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnung. Danach „gehört“ ein Grundstück der Gesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG fallenden und verwirklichten Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.

Ein Grundstück „gehört“ nicht (mehr) zum Vermögen der Gesellschaft, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht, es aber vor dem Übergang der Anteile am Gesellschaftsvermögen Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs war. Umgekehrt „gehört“ ein Grundstück (noch) nicht der Gesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt des Übergangs der Anteile am Gesellschaftsvermögen nicht aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.

Diese Grundsätze gelten auch bei mehrstöckigen Beteiligungen, bei denen eine Obergesellschaft an einer grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Ein Grundstück der Untergesellschaft ist der Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG erworben hat. Der bloße Erwerb des Grundstücks durch die Untergesellschaft führt nicht zu einer automatischen Zurechnung bei der Obergesellschaft (bzw. bei mehrstöckigen Beteiligungsketten bei den Obergesellschaften). Das bloße Halten einer Beteiligung in einer bestimmten Höhe stellt selbst keinen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang dar.

Diese Sichtweise ist durch den Regelungszweck des § 1 Abs. 2a GrEStG gedeckt. Daraus und aus § 1 Abs. 2b bis 3a GrEStG folgt, dass Grundstücke einer Gesellschaft dem Gesellschafter nicht automatisch, sondern nur dann zuzurechnen sind, wenn die jeweiligen Erwerbstatbestände erfüllt sind. Deshalb kann einer Obergesellschaft auch nicht allein wegen der Beteiligung an einer Untergesellschaft deren Grundstück zugerechnet werden. Denn einem Gesellschafter steht die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück der Gesellschaft nicht zu. Die Einwirkungsmöglichkeiten eines Gesellschafters auf Gesellschaftsebene reichen für eine Verwertungsbefugnis nicht aus.

Die Grundstücke, die die X-AG 1994 erworben hatte, waren also der K-KG grunderwerbsteuerrechtlich nicht zuzurechnen. Sie hatte in Bezug auf diese Grundstücke zuvor keinen Erwerbsvorgang verwirklicht. Die Mehrheitsbeteiligung an der X-AG allein führte nicht dazu, der K-KG die Grundstücke beim Erwerb durch die X-AG zuzurechnen.

2. Kommt es bei Parallelimporten zu einer verdeckten Gewinnausschüttung?

Dass Umsätze aus sog. Parallelimporten immer gesondert in die Provision bzw. Marge der nationalen Vertriebsgesellschaft einfließen müssen, ist nicht branchenüblich. Deshalb liegt in einem solchen Fall keine verdeckte Gewinnausschüttung vor.

Hintergrund

Eine GmbH hat mehrere inländische Beteiligungsgesellschaften und ist Organträgerin der A3-GmbH. Gesellschafter der GmbH sind die A1-AG und die A2-AG, die jeweils im Ausland ansässig sind. Die A3-GmbH fungierte als Vertriebspartner der A-Gruppe. Die A3-GmbH war wirtschaftlich durch sog. „Parallelimporte“ belastet. Dabei werden Originalprodukte von sog. Parallelimporteuren bei Großhändlern in EU-Mitgliedsstaaten mit einem niedrigeren Preisniveau aufgekauft und dann in ein Land mit einem hohen Preisniveau exportiert und dort günstiger veräußert. Das Finanzamt ging davon aus, dass die von der A3-GmbH durchgeführte Vermarktung des Originalprodukts auch den Parallelimporteuren und damit mittelbar der ausländischen Muttergesellschaft nutzte. Da die A3-GmbH dafür keine Vergütung erhielt, lag eine verdeckte Gewinnausschüttung vor.

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass zwar eine verdeckte Gewinnausschüttung auch ohne Zufluss beim Gesellschafter gegeben sein kann, wenn eine dem Gesellschafter nahestehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Ein „Nahestehen“ kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs familien-, gesellschafts-, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein.

Trotzdem liegt im Streitfall keine verhinderte Vermögensmehrung vor. So hat insbesondere das Finanzamt keinen Nachweis im Sinne eines Fremdvergleichs erbracht, wonach einem gedachten fremden dritten Händler im Hinblick auf Parallelimporte eine höhere Gewinnmarge eingeräumt worden wäre.

Anhand der spezifischen Umstände (branchenübliche Bonuszahlungen, Marketingkonzept, staatliche Reglementierungen) ging das Finanzgericht davon aus, dass keine Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung gegeben war bzw. dass Aufwendungen im Eigeninteresse getätigt worden sind. Allein ein durch die Parallelimporte bedingter Umsatzrückgang stellt keine Vermögensminderung im Sinne einer verdeckten Gewinnausschüttung dar, da dieser nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war.

3. Zur Sozialversicherungspflicht von Anwälten in einer Rechtsanwalts-GmbH

Die Tätigkeit von Rechtsanwälten als Gesellschafter-Geschäftsführer in einer Rechtsanwaltsgesellschaft kann als abhängige Beschäftigung sozialversicherungspflichtig sein. Die sozialversicherungsrechtliche Bewertung der jeweiligen Tätigkeit erfolgt nach den allgemeinen Grundsätzen.

Hintergrund

Die 5 Kläger sind Minderheitsgesellschafter der Rechtsanwalts-GmbH mit Geschäftsanteilen von ursprünglich 20 % und nach Ausscheiden eines Gesellschafters i. H. v. 25 %. Gesellschaftsgegenstand ist die Übernahme und Ausführung von Anwaltsaufträgen, die Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten und alle damit im Zusammenhang stehenden Geschäften, die die in den Diensten der Gesellschaft stehenden zugelassenen Rechtsanwälte unabhängig, weisungsfrei und eigenverantwortlich unter Beachtung ihres Berufsrechts ausführen. Als Entgelt für diese Tätigkeit ist ein festes Monatsgehalt von brutto 6.500 EUR, zuzüglich eines 13. Monatsgehalts sowie einer gewinnabhängigen Vergütung vorgesehen.

Im Rahmen eines Status-Feststellungsverfahrens stellte die beklagte „Deutsche Rentenversicherung Bund“ die Versicherungspflicht der Kläger in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung fest. Die hiergegen gerichtete Klage der 5 Anwälte blieb in allen Vorinstanzen ohne Erfolg.

Entscheidung

In einer Grundsatzentscheidung hat das Bundessozialgericht die Revisionen der 5 Rechtsanwälte zurückgewiesen. Bei der Tätigkeit der Kläger handelt es sich um eine nichtselbstständige und damit sozialversicherungspflichtige Arbeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses. Das Gericht stellte klar, dass die sozialversicherungsrechtliche Bewertung der Tätigkeit eines Rechtsanwalts in einer Rechtsanwalts-GmbH nach den allgemeinen Grundsätzen zu erfolgen hat, wie sie für jeden Beschäftigten in einer GmbH gelten. Danach kommt es für die Frage der Sozialversicherungspflichtigkeit entscheidend darauf an, ob die Tätigkeit des dort beschäftigten Gesellschafter-Geschäftsführers insgesamt eher dem Bild eines abhängig Beschäftigten entspricht, der keinen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der Gesellschaft ausüben kann oder der Gesellschafter-Geschäftsführer über die gesellschaftliche Rechtsmacht verfügt, die Geschicke des Unternehmens maßgeblich zu bestimmen.

An diesem Grundsatz ändern die Regelungen der BRAO nichts. Gemäß § 1 BRAO ist der Anwalt zwar ein unabhängiges Organ der Rechtspflege. Die Vorschrift gewährleistet damit eine umfassende fachliche Unabhängigkeit der Rechtsanwälte in ihrer anwaltlichen Tätigkeit. Dies schließt aber eine Tätigkeit der in einer GmbH tätigen Anwälte im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses und damit beschäftigungsrechtlich in abhängiger Beschäftigung nicht aus. Auch das Verbot einer Einflussnahme durch Weisungen schließt eine Eingliederung und Weisungsgebundenheit als Geschäftsführer nicht aus. Hiernach sind Weisungen nämlich nicht schlechthin unzulässig; dies sind lediglich Weisungen betreffend die eigentliche inhaltliche Tätigkeit als Anwalt in der konkreten Mandatswahrnehmung.

Schließlich hindert auch die Position als Geschäftsführer nicht daran, dass dieser in einer Weise in die Gesamtgesellschaft eingegliedert ist, die dazu führt, dass der Anwalt Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliegt, da diese das maßgebliche Bestimmungsrecht über die Unternehmenspolitik ausübt. Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche für den Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein anderes bestimmt, durch die Beschlüsse der Gesellschaft festgesetzt sind.

Gesellschaftsanteile i. H. v. 20 oder 25 % reichen nicht aus, um den Klägern die für eine unabhängige Tätigkeit erforderliche gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht zu garantieren, die Geschicke der Rechtsanwaltsgesellschaft maßgeblich zu bestimmen. Diese Voraussetzung sieht das Bundessozialgericht erst bei einem Gesellschaftsanteil von mehr als 50 % als erfüllt an. Erst dann verfügt ein Gesellschafter über die Möglichkeit, von ihm nicht gewünschte Gesellschafterbeschlüsse zu verhindern.

Zudem bewertete das Gericht die in den Geschäftsführerverträgen der Kläger enthaltenen Regelungen als in wesentlichen Teilen typisch für eine abhängige Beschäftigung. Nach den geschlossenen Verträgen sind sie in funktionsgerechter, dienender Teilhabe am Arbeitsprozess in das Unternehmen eingegliedert.

Kapitalanlage & Versicherung

1. Bevollmächtigung ohne Vorlage einer schriftlichen Vollmacht: Steuerbescheid trotzdem ordnungsgemäß bekanntgegeben?

Tritt ein Angehöriger der steuerberatenden Berufe für einen Steuerpflichtigen gegenüber dem Finanzamt auf, wird vermutet, dass eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung gegeben ist. Das gilt auch ohne Vorlage einer schriftlichen Vollmacht.

Hintergrund

Mit Schreiben vom 20.5.2014 zeigten die Prozessbevollmächtigten der Kläger beim Finanzamt an, dass sie die Kläger hinsichtlich der „Erklärung von Einkünften für die Jahre 2008 – 2011“ sowie „Einkommensteuer 2012“ vertreten und reichten entsprechende, von den Klägern am 14.5.2014 unterschriebene Vollmachten ein. Dem Schreiben war eine Schätzung ausländischer Kapitalerträge für die Jahre 2008 bis 2011 beigefügt.

Im weiteren Verlauf forderte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung R (Steuerfahndung) die Prozessbevollmächtigten auf, die Anlagen KAP für die Jahre 2008 bis 2011 einzureichen und darüber hinaus auch die Kapitaleinkünfte für die noch nicht festsetzungsverjährten Jahre 2004 bis 2007 zu erklären.

Die Prozessbevollmächtigten reichten sodann im Jahr 2015 „wunschgemäß die ergänzenden Anlagen KAP zur Nacherklärung von Einkünften unserer Mandanten für die Jahre 2004 bis 2011“ ein. Das Finanzamt änderte daraufhin die Einkommensteuerfestsetzung für 2004 mit Bescheid vom 18.12.2015 und stellte den geänderten Einkommensteuerbescheid mit Zustellungsurkunde am 21.12.2015 den Prozessbevollmächtigten zu. Diese leiteten den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr im Januar 2016 an die Kläger weiter.

Die Kläger, nach deren Auffassung die Prozessbevollmächtigten nur für die Jahre 2008 bis 2011 bevollmächtigt gewesen sind und der Einkommensteuerbescheid für 2004 daher nicht wirksam bekannt gegeben worden war, legten hiergegen am 18.1.2016 Einspruch ein.

Einspruch und Klage vor dem Finanzgericht hatten keinen Erfolg.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied, dass das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für 2004 durch Zustellung an die Prozessbevollmächtigten mit Wirkung gegenüber den Klägern und damit rechtzeitig – vor Ablauf der Festsetzungsfrist zum 31.12.2015 um 24:00 Uhr – bekannt gegeben hat.

Die wegen der Steuerhinterziehung auf 10 Jahre verlängerte Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer des Streitjahres hat mit Ablauf des Kalenderjahres 2005 begonnen, in dem die Kläger ihre Steuererklärung eingereicht hatten. Sie endete somit mit Ablauf des Jahres 2015, mithin jeweils erst nach der Bekanntgabe des angefochtenen Bescheids am 21.12.2015.

Das Finanzamt hat sein Ermessen, den Steuerbescheid für 2004 nach § 122 Abs. 1 Satz 3 AO auch ohne das Vorliegen einer schriftlichen Empfangsvollmacht dem Prozessbevollmächtigten anstatt den Klägern zuzustellen, fehlerfrei ausgeübt.

Land- und Forstwirtschaft

1. Beherbergung und Verköstigung: Kinder auf einem Reiterhof und die Umsatzsteuer

Reitkurse für Jugendliche und Kinder auf Reiterhöfen können umsatzsteuerfrei sein, wenn diese den Kursteilnehmern den unmittelbaren Berufseinstieg in den Turniersport ermöglichen. Ansonsten, z. B. bei Reitunterricht im Rahmen einer Klassenfahrt, liegen steuerpflichtige Umsätze vor.

Hintergrund

Die Klägerin führte auf einem Reiterhof während der Schulferien Reitkurse für Kinder und Jugendliche durch und beherbergte und beköstigte die aufgenommenen Teilnehmer. Ziel der 1-wöchigen sog. Ponykurse war das altersgerechte Erlernen des Umgangs mit den Ponys mit Reitunterricht. Von den Kursteilnehmern nahmen ca. 30 % bis 40 % an den Prüfungen für ein sog. Motivationsabzeichen teil.

Von den Teilnehmern mit bereits vorhandener Reiterfahrung an den 1- bis 2-wöchigen großen Pferdekursen mit Spring-, Dressur- und Theorieunterricht nahmen am Kursende 60 % bis 70 % an den Leistungsabzeichen-Prüfungen teil. Die Leistungsabzeichen berechtigten u. a. zum Einstieg in den Turniersport.

Die 1-wöchigen Kursprogramme für Schulklassen für Kinder von 9 bis 12 Jahren mit Reit- und Theorieunterricht zielte darauf ab, den Kindern den häufig erstmaligen Kontakt mit Pferden zu ermöglichen. Reitabzeichen wurden insoweit nicht abgenommen. Das Finanzamt ging insgesamt nicht von umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen aus.

Entscheidung

Nach Auffassung des Finanzgerichts sind die Umsätze der Klägerin aus den Kursen der großen Pferdegruppe nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG steuerfrei und die Umsätze aus der Gewährung von Unterkunft und Verpflegung im Rahmen der Kurse der Ponygruppe und der Klassenfahrten nach § 4 Nr. 23 UStG steuerfrei. Dagegen sind die Umsätze aus den Kursen der Ponygruppe und aus den Klassenfahrten steuerpflichtig, soweit sie auf den Reitunterricht und das weitere Tagesprogramm entfallen.

Aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers stellen die von der Klägerin erbrachten Kurse und die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung eigene, selbstständige, für die Steuerbefreiung jeweils einzeln zu betrachtende Leistungen dar. Die streitigen Umsätze stehen nicht in einem Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung. Die Kurse und die Unterkunft und Verpflegung dienten unterschiedlichen und gleichgewichtigen Zwecken.

Nach der Überzeugung des Finanzgerichts vermittelte der auf die Ablegung sog. Leistungsabzeichen ausgerichtete Reitunterricht der Kurse der großen Pferdegruppe Kenntnisse und Fähigkeiten, die den Kursteilnehmern u. a. die Berufsausübung als Turniersportreiter ermöglicht. Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, ob die Kursteilnehmer dieses Berufsziel auch konkret angestrebt haben. Auch die Dauer der Ausbildung ist unerheblich. Der vorliegenden Bescheinigung des Bildungs- und Wissenschaftsministeriums des Landes Schleswig-Holstein kommt eine Indizwirkung dafür zu, dass die Kursangebote bezüglich der großen Pferdegruppe auch nicht der bloßen Freizeitgestaltung dienten.

Hinsichtlich der Kursangebote der Ponygruppe und der Klassenfahrten erbringt die Klägerin keine unmittelbar dem Bildungszweck dienende Leistungen, die zur Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten notwendig sind. Diese Kurse stellen auch keinen Schul- und Hochschulunterricht dar.

Die Gewährung von Beherbergung, Beköstigung durch Personen und Einrichtungen sind steuerfrei, wenn sie überwiegend Jugendliche vor Vollendung des 27. Lebensjahres für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke bei sich aufnehmen. Abzugrenzen ist die Aufnahme zu Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecken von Leistungen der Beherbergung und Verköstigung während eines kurzfristigen Urlaubsaufenthalts mit Freizeitangebot und Freizeitgestaltung.

Vorliegend hat die Klägerin bei den Kursen der Ponygruppe und bei Klassenfahrten Erziehungsaufgaben und bei den Kursen der großen Pferdegruppe Ausbildungsaufgaben i. S. d. § 4 Nr. 23 UStG übernommen.

Lohn und Gehalt

1. Mindestlohn und Minijob-Grenze steigen zum 1.10.2022

Die Erhöhung des Mindestlohns zum 1.10.2022 auf 12 EUR erfordert auch Anpassungen bei Mini- und Midijobs. Neben der bloßen Anhebung von Verdienstgrenzen gibt es auch neue Regelungen.

Dynamische Geringfügigkeitsgrenze

Künftig orientiert sich die Geringfügigkeitsgrenze an einer Wochenarbeitszeit von 10 Stunden zu Mindestlohnbedingungen. Sie wird dementsprechend mit Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 EUR pro Stunde auf 520 EUR monatlich erhöht und dynamisch ausgestaltet.

Unvorhersehbares Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze

Was bisher nur im Rahmen der Auslegung durch die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung in den Geringfügigkeits-Richtlinien geregelt ist, soll gesetzlich normiert werden: Die Möglichkeit eines zulässigen unvorhersehbaren Überschreitens der Entgeltgrenze. Allerdings wird diese Regelung stark eingeschränkt, um Missbrauch zu vermeiden.

Neue Höchstgrenze und Formeln für den Übergangsbereich

Die Höchstgrenze für eine Beschäftigung im Übergangsbereich wird von monatlich 1.300 EUR auf 1.600 EUR angehoben. Die Untergrenze beginnt dann bei 520,01 EUR. Die Formel zur Ermittlung der beitragspflichtigen Einnahme, nach der sich der Gesamtbeitrag für jeden Versicherungszweig bemisst, wird angepasst. Gleichzeitig wird eine neue Formel allein zur Berechnung der Arbeitnehmeranteile eingeführt.

Neue Beitragslastverteilung im Übergangsbereich

Die Maßnahmen im Übergangsbereich bewirken eine weitergehende Entlastung von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit geringem Arbeitsentgelt als die heutige Midijob-Regelung. Damit soll der Belastungssprung beim Übergang vom Minijob zum Midijob geglättet und der Anreiz für Minijobber erhöht werden, ihre Arbeitszeit über die Minijob-Grenze hinaus auszuweiten. Gleichzeitig werden Arbeitgeber zunächst stärker belastet als bisher, indem der Arbeitgeberbeitrag oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze zunächst auf die für einen Minijob zu leistenden Pauschalbeiträge i. H. v. 28 % angeglichen und gleitend auf den regulären Sozialversicherungsbeitrag abgeschmolzen wird.

Bestandschutzregelungen für Alt-Midijobber bis 520 EUR

Für Arbeitnehmende, die am 30.9.2022 Midijobber mit einem durchschnittlichen Arbeitsentgelt bis 520 EUR im Monat sind, bleiben aufgrund von Bestandschutzschutzregelungen längstens bis 31.12.2023 unter den alten Midijob-Bedingungen versicherungspflichtig in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Die Befreiung von der Versicherungspflicht kann beantragt werden. In der Rentenversicherung gilt das nur für Beschäftigungen in Privathaushalten.

Private Immobilienbesitzer

1. Erwerb einer gemischt genutzten Photovoltaikanlage und umsatzsteuerliche Zuordnung

Hat ein Steuerpflichtiger im Lauf des Jahres, in dem er eine Photovoltaikanlage erworben hat, einen Vertrag mit dem Recht zum Weiterverkauf des gesamten von der Anlage erzeugten Stroms zuzüglich Umsatzsteuer abgeschlossen, ist dies ein Indiz dafür, dass er die Photovoltaikanlage dem Unternehmen voll zugeordnet hat.

Hintergrund

Der Kläger erwarb im Jahr 2014 eine Photovoltaikanlage. Den seit 22.9.2014 erzeugten Strom verbrauchte er teilweise selbst, teilweise speiste er ihn in das Stromnetz des Netzbetreibers X ein.

Der Einspeisevertrag mit X vom 25.9.2014 sieht für den gelieferten Strom eine Vergütung pro kWh zuzüglich Umsatzsteuer vor. Entsprechend wurden in einer Gutschrift des X vom 19.1.2015 die im Streitjahr ausgeführten Stromlieferungen des Klägers an X abgerechnet.

Gegenüber dem Finanzamt gab der Kläger zunächst weder Umsatzsteuer-Voranmeldungen noch sonstige Erklärungen zu den Ausgangs- und Eingangsumsätzen aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage sowie den unentgeltlichen Wertabgaben ab. Am 29.2.2016 reichte er eine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2014 ein und zog darin u. a. die in der Rechnung für den Erwerb der Photovoltaikanlage vom 11.9.2014 offen ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer ab.

Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug für die Photovoltaikanlage, weil der Kläger nicht rechtzeitig, also bis zum 31.5. des Folgejahres, eine Zuordnungsentscheidung getroffen hatte. Das Finanzamt machte als Folge hiervon auch den Ansatz der unentgeltlichen Wertabgabe rückgängig. Es setzte mit Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für das Jahr 2014 die Umsatzsteuer entsprechend höher fest. Der Einspruch und die Klage vor dem Finanzgericht blieben erfolglos.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hält die Revision des Klägers für begründet. Das Finanzgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass dem Kläger der begehrte Vorsteuerabzug nicht zusteht, weil er die erforderliche Zuordnungsentscheidung nicht gegenüber dem Finanzamt innerhalb der Zuordnungsfrist mitgeteilt hat. Der Kläger hat die Photovoltaikanlage rechtzeitig voll seinem Unternehmen zugeordnet.

Bei Bezug eines einheitlichen Gegenstands, der gemischt verwendet werden soll, steht dem Unternehmer ein Zuordnungswahlrecht zu: Er kann den Gegenstand insgesamt seinem Unternehmen zuordnen oder in vollem Umfang in seinem Privatvermögen belassen oder den Gegenstand entsprechend dem unternehmerischen Nutzungsanteil seinem Unternehmen zuordnen.

Steht anhand objektiver Anhaltspunkte, die innerhalb der Zuordnungsfrist erkennbar geworden sind, fest, dass der Steuerpflichtige einen Gegenstand dem Unternehmen zugeordnet hat, ist es nicht zusätzlich erforderlich, dass er die erfolgte Zuordnung der Finanzverwaltung innerhalb dieser Frist mitteilt. Die Dokumentation der Zuordnung erfordert keine Mitteilung gegenüber der Finanzbehörde.

Danach steht also dem Vorsteuerabzug des Klägers nicht entgegen, dass er seine im Jahr 2014 erfolgte Zuordnung zum Unternehmen erst am 29.2.2016 dem Finanzamt mitgeteilt hat.

Eine Zuordnung liegt vor. Diese Zuordnung erfolgte in vollem Umfang und nicht nur teilweise. Die konkludente Zuordnung durch Abschluss des Einspeisevertrags vom 25.9./26.9.2014 als Indiz erfasst die Photovoltaikanlage insgesamt.

2. Fahrradkeller verkleinert: Mietminderung kann gerechtfertigt sein

Wird ein großzügiger gemeinschaftlicher Fahrradkeller nachträglich auf wenige Quadratmeter verkleinert, stellt dies einen Mangel der Mietsache dar. Dieser kann zu einer Mietminderung führen.

Hintergrund

Zu Beginn des Mietverhältnisses befand sich im Haus ein etwa 50 qm großer Fahrradkeller. Im Mietvertrag selbst ist dieser nicht aufgeführt, der Vertrag verweist allerdings auf das Übergabeprotokoll, welches Vertragsbestandteil sein soll. Laut Übergabeprotokoll hat der Mieter einen Schlüssel zum Fahrradkeller erhalten. Im Zuge von Modernisierungsarbeiten wurde der Fahrradkeller im Jahr 2009 auf 7 qm verkleinert.

Die Mietvertragsparteien streiten nun darüber, ob der Mieter wegen des verkleinerten Fahrradkellers die Miete für den Zeitraum Oktober 2011 bis zum Ende des Mietverhältnisses im Jahr 2017 mindern konnte. Amts- und Landgericht bejahten dies und hielten eine Mietminderung von 4,8 % für angemessen.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof teilt die Auffassung der Vorinstanzen und gibt dem Mieter Recht. Die Verkleinerung des Fahrradkellers begründet einen Mangel der Mietsache, der zu einer Minderung berechtigt.

Die Mitnutzung des Fahrradkellers in der ursprünglichen Größe ist durch die Bezugnahme auf das Übergabeprotokoll Inhalt des Mietvertrags und dem Mieter nicht nur frei widerruflich eingeräumt worden. An dieser Beurteilung der Vorinstanzen hat der Bundesgerichtshof nichts zu beanstanden.

Die vertraglich geschuldete Sollbeschaffenheit des Fahrradkellers ist auch nicht dadurch geändert worden, dass der Mieter die Modernisierungsmaßnahmen, die zu der Verkleinerung geführt haben, geduldet hat.

Auch bei einem bloßen Recht zur Mitbenutzung ist wegen der erheblichen Verkleinerung des Fahrradkellers eine Minderung i. H. v. 4,8 % angemessen.

Sonstige Steuern

1. Erbschaftsteuer: Wenn das Familienheim aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr genutzt werden kann

Gesundheitliche Beeinträchtigungen können zwar zwingende der Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken entgegenstehende Gründe darstellen. Eine Pflegebedürftigkeit begründet jedoch regelmäßig keine objektive Unmöglichkeit der Selbstnutzung.

Hintergrund

X ist Alleinerbin ihres 2009 verstorbenen Vaters. Zum Nachlass gehörte ein Grundstück mit einem 1951 erbauten Einfamilienhaus. X hatte dieses Haus gemeinsam mit ihrem Vater bewohnt und wohnte zunächst weiterhin im Obergeschoss. Dementsprechend berücksichtigte das Finanzamt im Rahmen der Festsetzung der Erbschaftsteuer die Steuerbefreiung für ein Familienheim.

Im Jahr 2016 (d. h. vor Ablauf der 10-Jahres-Frist) zog X aus und ließ das Haus abreißen.

Das Finanzamt änderte darauf die Steuerfestsetzung und setzte die Erbschaftsteuer ohne die Steuerbefreiung fest.

Das Finanzgericht wies die Klage ab. Es verneinte zwingende einer Selbstnutzung entgegenstehende Gründe. Gebäudemängel oder Unwirtschaftlichkeit der Sanierung genügten nicht. Gesundheitliche Beeinträchtigungen beim Treppensteigen hätten X nicht gehindert, mit Unterstützung durch einen Bekannten weiterhin das Obergeschoss zu nutzen.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück.

Zwingende Gründe, die einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken entgegenstehen, liegen vor, wenn die externen Hilfe- und Pflegeleistungen ein solches Ausmaß annehmen, dass nicht mehr von einer selbstständigen Haushaltsführung gesprochen werden kann.

Die Steuerbefreiung für den Erwerb eines Familienheims entfällt mit Wirkung für die Vergangenheit, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von 10 Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert.

Die Hinderungsgründe müssen sich auf die Selbstnutzung des vorliegenden Familienheims beziehen.

Die Steuerbefreiung erfordert, dass dem Erwerber aus objektiven Gründen die Selbstnutzung des Familienheims unmöglich oder nicht mehr zuzumuten ist. Das liegt nicht bereits bei Pflegebedürftigkeit vor, solange der Erwerber unter Zuhilfenahme externer Hilfe- und Pflegeleistungen in der Lage ist, weiter in dem erworbenen Familienheim zu leben. Anders ist es nur, wenn bei schwerer Pflegebedürftigkeit die Unterstützungsleistungen ein solches Ausmaß annehmen, dass nicht mehr von einer selbstständigen Haushaltsführung in dem Familienheim gesprochen werden kann. Die regelmäßige Inanspruchnahme üblicher Dienste genügt dafür nicht. Entscheidend ist, ob der Erwerber den familiären Lebensraum noch aus im Wesentlichen eigener Kraft auszufüllen kann.

Die Feststellungslast für die Umstände, die eine Selbstnutzung des Familienheims objektiv unmöglich machen oder aus objektiven Gründen unzumutbar erscheinen lassen, trägt der Erwerber. Die X hat entsprechend ihrer Mitwirkungspflicht die weitere Sachaufklärung vor dem Finanzgericht zu unterstützen. Entscheidend wird dabei sein, ob X soweit auf die Hilfe Dritter angewiesen ist, dass es an einer selbstständigen Haushaltsführung fehlt.

Steuerrecht Privatvermögen

1. Dunkle Kleidung eines Trauerredners ist keine typische Berufskleidung

Aufwendungen für bürgerliche Kleidung sind als Kosten der Lebensführung grundsätzlich nicht abziehbar. Sie sind nur dann als Betriebsausgaben zu berücksichtigen, wenn es sich um „typische Berufskleidung“ handelt.

Hintergrund

Die Kläger werden als Ehegatten für die Jahre 2008 bis 2010 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war als selbstständiger Trauerredner und Trauerbegleiter tätig. Die Klägerin war bis September 2008 als Trauerrednerin selbstständig tätig. Danach war sie im Betrieb des Klägers als Angestellte nichtselbstständig tätig. Die Klägerin und der Kläger machten bei der Gewinnermittlung Aufwendungen für die Anschaffung, Änderung, Reparatur und Reinigung von Kleidung (u. a. Anzüge, Hemden, Röcke, Kleider, Mäntel, Blusen, Pullover, Hosen, Jacken, Krawatten, Schals, Schuhe) als Betriebsausgaben geltend.

Das Finanzamt war der Auffassung, dass die Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben abziehbar sind.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied wie das Finanzgericht, dass Aufwendungen für bürgerliche Kleidung als unverzichtbare Aufwendungen der Lebensführung grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben abziehbar und nicht aufteilbar sind.

Aufwendungen sind als Betriebsausgaben abzuziehen, wenn sie durch die Einkünfteerzielung veranlasst sind. Eine solche Veranlassung ist jedoch nicht gegeben, wenn es sich um unverzichtbare Aufwendungen für die Lebensführung handelt.

Zwar ließen sich theoretisch auch Aufwendungen etwa für bürgerliche Kleidung, für eine Brille oder für eine Armbanduhr bei feststehender Arbeitszeit aufteilen. Derartige Aufwendungen sind aber, wenn sie nach den Vorschriften über das steuerliche Existenzminimum als Sonderausgaben oder als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind, grundsätzlich vom Abzug ausgeschlossen, um eine doppelte Berücksichtigung zu vermeiden. Insoweit scheidet eine Aufteilung der Aufwendungen in abziehbare Werbungskosten oder Betriebsausgaben einerseits und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung andererseits aus.

Der Gesetzgeber hat in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG geregelt, dass Aufwendungen für typische Berufskleidung als Werbungskosten abziehbar sind. Die Vorschrift ist entsprechend im Rahmen des Betriebsausgabenabzugs anzuwenden. Vorliegend handelt es jedoch nicht um Aufwendungen für typische Berufskleidung, sondern für Kleidung, deren Benutzung als normale bürgerliche Kleidung im Rahmen des Möglichen und Üblichen liegt bzw. die gewöhnlich privat getragen werden kann.

Typische Berufskleidung umfasst daher nur Kleidungsstücke, die nach ihrer Beschaffenheit objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche Nutzung bestimmt und geeignet und wegen der Eigenart des Berufs nötig sind bzw. bei denen die berufliche Verwendungsbestimmung bereits aus ihrer Beschaffenheit entweder durch ihre Unterscheidungsfunktion, wie z. B. bei Uniformen oder durch dauerhaft angebrachte Firmenembleme oder durch ihre Schutzfunktion – wie bei Schutzanzügen, Arbeitsschuhen o. Ä. – folgt.

2. Haben Steuerpflichtige ein Recht auf Akteneinsicht?

Ob Steuerpflichtige ein Recht auf Akteneinsicht haben, ist nicht unumstritten. Der Bundesfinanzhof lehnte ein solches Recht bisher ab. Das Niedersächsische Finanzgericht entschied nun, dass Steuerpflichtigen aufgrund der Datenschutzgrundverordnung grundsätzlich ein Recht auf Akteneinsicht im steuerlichen Verwaltungsverfahren zusteht.

Hintergrund

Der Kläger beantragte die Einsicht in die Steuerakten beim Finanzamt für das Jahr 2015. Ziel war im Wesentlichen zu prüfen, ob ein Anspruch gegen den ehemaligen steuerlichen Vertreter in Betracht kam.

Das Finanzamt lehnte den Antrag auf Einsicht ab, da der Steuerpflichtige nach der AO kein grundsätzliches Recht auf Akteneinsicht hat. Bei pflichtgemäßer Ermessensausübung kommt dabei hier keine Akteneinsicht in Betracht, da der Kläger kein berechtigtes Interesse dargelegt hatte. Der Kläger verwies auf Art. 15 Abs. 1 DSGVO, in dem ein solches Recht normiert und auch im steuerlichen Verwaltungsverfahren anzuwenden ist.

Das Finanzamt wies den Einspruch ab. Deshalb wandte sich der Kläger an das Finanzgericht.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab der Klage statt. Zwar ist es zutreffend, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs der Steuerpflichtige einen Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensausübung dahingehend hat, ob Akteneinsicht zu gewähren ist. Das Gericht ist jedoch der Auffassung, dass aufgrund der seit 2018 geltenden DSGVO und dem Recht auf Gehör dem Steuerpflichtigen ein Recht auf Akteneinsicht zusteht. Auch das Steuergeheimnis steht dem nicht entgegen.

Deshalb reduziert sich vorliegend das Ermessen auf null, das Finanzamt muss dem Kläger Akteneinsicht gewähren. Darüber hinaus habe der Kläger ein Recht auf Akteneinsicht auch aus Art. 15 DSGVO. Denn dieser hat im steuerlichen Verwaltungsverfahren unmittelbare Anwendung. Dieser Anspruch steht nicht im Ermessen der Finanzbehörde. Der Kläger hat somit auch aufgrund dieser Norm unmittelbar einen Anspruch auf Akteneinsicht.

Steuerrecht Unternehmer

1. Betriebsprüfung: Bestimmte Beweise dürfen nur unter strengen Voraussetzungen verwertet werden

Leitet ein Betriebsprüfer Verhältnisse, die für die Besteuerung anderer Steuerpflichtiger von Bedeutung sind, weiter, obwohl Vorlageverweigerungsrechte nach § 104 AO bestehen, dürfen dem Finanzamt zugegangene Kontrollmitteilungen nicht verwertet werden.

Hintergrund

Die Antragstellerin beauftragte den Rechtsanwalt R mit der Wahrnehmung ihrer Interessen gegenüber der B-GmbH. Aufgrund mehrerer anwaltlicher Schriftsätze gingen Forderungen der Antragstellerin gegenüber der B-GmbH auf dem Fremdgeldkonto des R ein. Nach Verrechnung mit offenen Gebührenforderungen zahlte R die restlichen Gelder an die Antragstellerin aus.

Die Antragstellerin gab weder Umsatzsteuererklärungen noch Jahresabschlüsse beim Finanzamt ab. In der Folge gingen dem Finanzamt 2 Kontrollmitteilungen des Finanzamts E mit der Steuernummer des R zu, denen Unterlagen über den Schriftverkehr mit der B-GmbH beigefügt waren. Die Kontrollmitteilungen enthielten den Vermerk „erhalten von Anwaltsbüro R“. Dies nahm der Antragsteller zum Anlass, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen und Umsatzsteuer gegen die Antragstellerin festzusetzen.

Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein und machte insbesondere geltend, dass ein Beweisverwertungsverbot bestand, da die Steuerbehörde in der Kanzlei des R eine Prüfung des Fremdgeldkontos vorgenommen und dieses trotz der Verschwiegenheitspflicht des R zur Grundlage der Umsatzsteuerfestsetzung gemacht habe. Nach der erfolglosen Durchführung des Einspruchsverfahrens erhob die Antragstellerin Klage und beantragte Aussetzung der Vollziehung.

Entscheidung

Nach Ansicht des Finanzgerichts bestehen ernstliche Zweifel daran, dass das Finanzamt befugt war, aufgrund der Auswertung des ihm vom Betriebsprüfer übersandten Kontrollmaterials die angefochtene Umsatzsteuerfestsetzung zu erlassen. Es erscheint ernstlich zweifelhaft, dass die Übersendung der Kontrollmitteilungen an den Antragsgegner verfahrensrechtlich zulässig war und dass ohne dieses Kontrollmaterial und dessen Fernwirkungen Anlass bestand, die strittige Festsetzung vorzunehmen.

Rechtsfehlerhaft erscheint noch nicht die Tatsache, dass R einer Außenprüfung unterzogen wurde und dabei auch die Belege zu Fremdgeldkonten gesichtet wurden. Vorlageverweigerungsrechte aus § 104 Abs. 1 AO bestehen zwar auch in der beim Berufsgeheimnisträger (Rechtsanwalt, Steuerberater usw.) selbst stattfindenden Außenprüfung, jedoch kann das Finanzamt grundsätzlich die Vorlage der zur Prüfung erforderlich erscheinenden Unterlagen in neutralisierter Form verlangen. Wenn der Berufsträger gleichwohl Unterlagen, in deren Besitz er im Rahmen der Mandatsbearbeitung gelangt ist bzw. die in diesem Rahmen entstanden sind, in nicht neutralisierter Form überlässt und die Betriebsprüfung anschließend ankündigungslos diesbezügliche Kontrollmitteilungen versendet, dürfen diese nicht verwertet werden.

2. Gemischt genutzte Gebäude und teilweiser Vorsteuerabzug für ein Arbeitszimmer

Wird bei einem Gebäude in den Bauantragsunterlagen ein Zimmer als Arbeitszimmer bezeichnet, kann dies für eine Zuordnung zum Unternehmen sprechen. Das gilt jedenfalls dann, wenn dies durch weitere objektive Anhaltspunkte untermauert wird.

Hintergrund

Der Kläger betreibt als Einzelunternehmer einen Gerüstbaubetrieb. Im Jahr 2014 plante er die Errichtung eines Einfamilienhauses. In dem vom Planungsbüro erstellten Grundriss vom 29.7.2014 ist ein 16,57 qm großer Raum im Erdgeschoss mit „Arbeiten“ bezeichnet. Die „Nettogrundfläche gesamt“ des Gebäudes ist mit 181,3 qm angegeben.

Der Kläger reichte im Streitjahr beim Finanzamt monatliche Umsatzsteuer-Voranmeldungen ein. Einen Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen zur Errichtung des Gebäudes machte er darin nicht geltend.

Erstmals in der am 28.9.2016 beim Finanzamt eingegangenen Umsatzsteuererklärung für 2015 machte er für die Errichtung dieses Zimmers anteilig den Vorsteuerabzug geltend. Mit Schreiben vom 27.2.2017 ergänzte der Kläger, dass der unternehmerische Nutzungsanteil nicht wie bisher angenommen 8,91 %, sondern 10,28 % betragen habe. Die abziehbare Vorsteuer erhöhte sich daher.

Das Finanzamt verweigerte den Vorsteuerabzug. Erstens hatte der Kläger das Gebäude nicht zeitnah dem Unternehmen zugeordnet und zweitens war der Vorsteuerabzug ausgeschlossen, da die unternehmerische Nutzung des Gebäudes weniger als 10 % beträgt. Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 5.4.2017 die Umsatzsteuer für 2015 fest, ohne einen Vorsteuerabzug für das mit „Arbeiten“ bezeichnete Zimmer zuzulassen.

Das Finanzgericht wies die Klage ab.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hält die Revision für begründet. Das Finanzgericht hat zu Unrecht angenommen, dass eine zeitnahe Dokumentation der Zuordnungsentscheidung nur dann vorliegt, wenn diese bis zum 31. Mai des Folgejahres dem Finanzamt gegenüber abgegeben wird. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben. Allerdings ist die Sache nicht spruchreif, da die tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts nicht ausreichen, um abschließend zu entscheiden.

Für die Dokumentation der Zuordnung ist keine fristgebundene Mitteilung an die Finanzbehörde erforderlich. Liegen innerhalb der Dokumentationsfrist nach außen hin objektiv erkennbare Anhaltspunkte für eine Zuordnung vor, können diese der Finanzbehörde auch noch nach Ablauf der Frist mitgeteilt werden.

Für eine Zuordnung zum Unternehmen kann bei Gebäuden die Bezeichnung eines Zimmers als Arbeitszimmer in Bauantragsunterlagen jedenfalls dann sprechen, wenn dies durch weitere objektive Anhaltspunkte untermauert wird. So ist es z. B. dann, wenn der Unternehmer für seinen Gerüstbaubetrieb einen Büroraum benötigt, er bereits in der Vergangenheit kein externes Büro, sondern einen Raum seiner Wohnung für sein Unternehmen verwendet hat, und er beabsichtigt, dies in dem von ihm neu errichteten Gebäude so beizubehalten.

Anhand der tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts kann vom Bundesfinanzhof allerdings nicht entschieden werden, ob der Kläger die Zuordnung der Eingangsleistungen des Streitjahres 2015 zum Unternehmen rechtzeitig, d. h. bis zum 31. Mai des Folgejahres, konkludent vorgenommen hat. Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts kann sich aus den Bauplänen vom 29.7.2014 eine Zuordnung ergeben, soweit zu den Bauplänen weitere Umstände hinzutreten.

3. Grunderwerbsteuer: Keine Zurechnung von treuhänderisch gehaltenen Anteilen

Auch über eine mehrstöckige Beteiligung kann im Rahmen der Grunderwerbsteuer ein Anteil am Vermögen der Gesamthand vermittelt werden. Bei Treuhandverhältnissen ist der Anteil am Vermögen der Gesamthand dem Treuhänder zuzurechnen.

Hintergrund

Die A-KG, erwarb von der C-KG im Jahr 2015 Grundstücke.

Alleinige Kommanditistin der A-KG war die CT-KG als Zwischengesellschaft. Persönlich haftende Gesellschafterin der Zwischengesellschaft ohne Beteiligung am Vermögen war die Verkäuferin C-KG. Deren alleinige Kommanditistin war die X-GmbH. Aufgrund eines Treuhandvertrags hielt die X-GmbH (Treuhänderin) die KG-Anteile an der CT-KG für die C-KG (Treugeberin).

Das Finanzamt setzte gegenüber der A-KG Grunderwerbsteuer fest.

Die A-KG wandte ein, dass die Steuer für diesen Erwerb nicht zu erheben war. Denn die Kommanditbeteiligung an der Zwischengesellschaft (CT-KG) war der Verkäuferin (C-KG) als Treugeberin zuzurechnen. Damit war die Verkäuferin (C-KG) mittelbar zu 100 % am Vermögen der Käuferin (A-KG) beteiligt.

Das Finanzgericht wies die Klage ab. Es ging davon aus, dass die mittelbar an der A-KG beteiligte Treuhänderin (X-GmbH) als Kapitalgesellschaft nicht als transparent angesehen werden konnte.

Entscheidung

Die Revision beim Bundesfinanzhof hatte keinen Erfolg. Denn durch den Erwerb der Grundstücke durch die A-KG von der C-KG wurde der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Die Voraussetzungen für eine Nichterhebung der Steuer nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG sind nicht erfüllt.

Beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand wird die Steuer nicht erhoben, soweit die Anteile der Gesamthänder am Vermögen der erwerbenden Gesamthand ihren Anteilen am Vermögen der übertragenden Gesamthand entsprechen.

Das Grunderwerbsteuer-Recht sieht die Personengesellschaft als selbstständigen Rechtsträger an. Die Befreiungsvorschriften erkennen dementsprechend grundsätzlich an, dass bei einem Übergang eines Grundstücks von einzelnen Gesamthändern auf eine Gesamthandsgemeinschaft ein steuerbarer Rechtsträgerwechsel stattfindet, sehen jedoch von der Erhebung der Steuer ab, soweit der Gesamthänder als Veräußerer zunächst Eigentümer des Grundstücks war und dann anteilsmäßig über das Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass aufgrund der gesamthänderischen Verbundenheit der Gesellschafter das Grundstück trotz Rechtsträgerwechsels in demselben grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnungsbereich verbleibt.

Das gilt auch, wenn die Beteiligung am Vermögen der Gesamthand durch eine Zwischengesellschaft vermittelt wird. Bei doppelstöckigen Gesamthandsgemeinschaften ist daher nicht die Zwischengesellschaft als solche als Zurechnungssubjekt anzusehen, sondern ein Rückgriff auf die am Vermögen der Zwischengesellschaft beteiligten Gesamthänder geboten.

Ein Treuhandverhältnis allein reicht jedoch nicht aus, um einem Treugeber (C-KG) eine Beteiligung am Vermögen einer Gesamthand zuzurechnen. Denn nicht der Treugeber (C-KG), sondern der Treuhänder (X-GmbH) ist zivilrechtlich am Vermögen der Gesamthand beteiligt. Die Notwendigkeit einer erweiternden Auslegung liegt nicht vor.

Die Verkäuferin (C-KG) war zwar persönlich haftende Gesellschafterin der Zwischengesellschaft (CT-KG). Als solche war sie aber nicht am Gesamthandsvermögen der Zwischengesellschaft beteiligt. Soweit die Verkäuferin Treugeberin für die Kommanditistin der Zwischengesellschaft (X-GmbH) war, kann diese Stellung wegen Fehlens einer zivilrechtlichen Beteiligung der Treugeberin an der Verkäuferin die Nichterhebung der Steuer nicht tragen.

4. Mieten für Messestandflächen: Keine gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung

Die Kosten für die Anmietung einer Messestandfläche können bei einem ausstellenden Unternehmen nur dann zu einer Hinzurechnung führen, wenn die Messestandfläche zu dessen Anlagevermögen gehört. Entscheidend ist, ob der Geschäftszweck des betreffenden Unternehmens und auch die speziellen betrieblichen Verhältnisse das dauerhafte Vorhandensein einer entsprechenden Messestandfläche erfordert.

Hintergrund

Die Klägerin ist eine GmbH, deren Gegenstand die Entwicklung, Herstellung und der Vertrieb von Produkten ist. Die GmbH selbst hat keinen Direktvertrieb; sie verkauft ihre Produkte durch ein stehendes Händlernetz. In den Jahren 2009 bis 2011 mietete sie wiederholt auf bestimmten turnusmäßig stattfindenden Messen Ausstellungsflächen und Räumlichkeiten an, um ihre Produkte dort zu präsentieren. Hierdurch entstand ihr ein jährlicher Aufwand i. H. v. 96.758 EUR (2009), 78.174 EUR (2010) und 105.264 EUR (2011). Den Aufwand behandelte sie als abziehbare Betriebsausgaben; eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung eines Teils der Mietzinsen erklärte sie nicht.

Das Finanzamt war der Auffassung, dass eine Hinzurechnung des Aufwands zum gewerblichen Gewinn hätte erfolgen müssen. Den Einspruch gegen die geänderten Gewerbesteuermessbescheide wies das Finanzamt als unbegründet zurück.

Das Finanzgericht gab der dagegen gerichteten Klage, mit der die GmbH begehrte, die Gewerbesteuermessbeträge dahingehend abzuändern, dass die aus der Anmietung von Messestandflächen vorgenommenen Hinzurechnungsbeträge unterblieben, statt.

Entscheidung

Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs hat das Finanzgericht die Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG zutreffend ausgelegt. Die Revision des Finanzamts ist daher unbegründet.

Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wird ein Viertel aus 13/20 (2009) bzw. aus der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen (2010, 2011) – einschließlich Leasingraten – für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind und soweit die Summe der Beträge 100.000 EUR übersteigt.

Der Begriff des Anlagevermögens ist nach allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen zu bestimmen. Anlagevermögen sind danach die Gegenstände, die dazu bestimmt sind, auf Dauer dem Betrieb zu dienen. Das sind die zum Gebrauch im Betrieb bestimmten Wirtschaftsgüter. Zum Umlaufvermögen gehören demgegenüber die zum Verbrauch oder sofortigen Verkauf bestimmten Wirtschaftsgüter.

Für die Hinzurechnung nach § 8 GewStG ist darauf abzustellen, ob die Wirtschaftsgüter Anlagevermögen des Mieters oder Pächters wären, wenn sie in seinem Eigentum stünden. Diese Fiktion ist auf den Zweck zurückzuführen, durch die Hinzurechnung im Sinne einer Finanzierungsneutralität einen objektivierten Ertrag des Gewerbebetriebs zu ermitteln.

Das Finanzgericht hat den Geschäftsgegenstand der GmbH berücksichtigt und sich soweit wie möglich an den betrieblichen Verhältnissen orientiert. Es hat ausgehend von dem Geschäftszweck der GmbH, die ausschließlich ein Produktionsunternehmen betreibt, festgestellt, dass sie die hergestellten Produkte nicht unmittelbar an die Endabnehmer verkauft, sondern diese vielmehr unternehmensfremd durch ein stehendes Händlernetz indirekt vertrieben wurden. Der Unternehmensgegenstand erforderte daher keine zwingende Messeteilnahme.

Diese Würdigung des Finanzgerichts, dass die Klägerin unter Berücksichtigung des Geschäftsgegenstands und der Vertriebswege auf die ständige Verfügbarkeit von Messestandflächen nicht angewiesen war, die Teilnahme an Messen für den Verkauf der Produkte zwar förderlich, aber nicht betriebsnotwendig war, ist zumindest möglich und damit für den Senat bindend.

5. Tätigkeit als Museumsführer kann von der Umsatzsteuer befreit sein

Bei einem Museum, das nur in Begleitung eines Gästeführers besucht werden darf, ist die Führung der Museumsgäste eine typische Museumsleistung. Diese wird deshalb von der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG für die Leistungen eines Museums erfasst.

Hintergrund

X ist u. a. als Gästeführer in einem Museum tätig. Das Museum ist ausschließlich über Gruppenführungen begehbar. Auftraggeber des X ist eine gemeinnützige Stiftung, die das Museum betreibt und dabei steuerfreie Umsätze i. S. d. § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG an die Museumsbesucher erbringt.

Die zuständige Bezirksregierung hat X für 2010 bis 2013 nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG bescheinigt, dass er als Museumsführer die gleichen kulturellen Aufgaben erfülle wie vergleichbare Einrichtungen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft. In den Bescheinigungen wird darauf hingewiesen, dass die Entscheidung darüber, ob es sich bei X um eine „gleichartige Einrichtung“ i. S. d. § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG handelt, der Finanzverwaltung obliegt.

Dem Antrag des X, seine Umsätze als Gästeführer im Museum umsatzsteuerfrei zu belassen, folgte das Finanzamt jedoch nicht. Ein Museum betreiben kann nur der dazu Berechtigte. Das sei hier nicht X, sondern die Stiftung.

Das Finanzgericht gab der Klage statt und entschied, dass die Umsätze steuerfrei sind.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof bestätigte das stattgebende Finanzgerichtsurteil und entschied, dass X als eine dem Museum gleichartige Einrichtung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG von der Umsatzsteuer befreit ist.

Der Begriff „Einrichtung“ umfasst auch natürliche Personen und private Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht. Die Prüfung der Gleichartigkeit der kulturellen Einrichtung obliegt zwar den Finanzbehörden und Finanzgerichten. Indes ist der Inhalt der Bescheinigung auch für den Begriff der Gleichartigkeit in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG mit heranzuziehen. Wenn sich aus der Bescheinigung ergibt, dass der Inhaber die gleichen kulturellen Aufgaben wie eine Einrichtung i. S. d. § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG erfüllt oder beide bei der Erbringung der befreiten Leistung zusammenwirken, ist die Leistung des Inhabers der Bescheinigung gleichartig.

Hiervon ausgehend sind die Leistungen des X nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG steuerfrei. Die Gleichartigkeit seiner Leistungen liegt vor, da das Museum ausschließlich im Rahmen der von X und den anderen Gästeführern durchgeführten Führungen zugänglich ist. X ist damit unmittelbarer und unverzichtbarer Bestandteil der kulturellen Leistung des Museums. Ohne Gästeführer gab es im Streitfall keine Museumsbesichtigung.

6. Tageweise Dolmetschertätigkeit beim Europarat ist nicht steuerfrei

Erhält ein in Deutschland ansässiger Dolmetscher für seine tageweise Beschäftigung beim Europarat eine Vergütung, ist diese nicht nach dem Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates v. 2.9.1949 steuerbefreit. Eine Verfügung des Generalsekretärs des Europarats, die für eine solche Vergütung Steuerfreiheit gewährt, hat keine Bindungswirkung zu Lasten des nationalen Besteuerungsrechts.

Hintergrund

X ist selbstständiger Dolmetscher. Er war im Jahr 2012 an einzelnen Tagen als Konferenzdolmetscher für den Europarat in Straßburg tätig. Die ihm hierfür gezahlte Vergütung besteuerte das Finanzamt als Einnahmen aus selbstständiger Arbeit.

X war der Ansicht, dass die Einnahmen nach Art. 18 Buchst. b des Allgemeinen Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates v. 2.9.1949 steuerfrei waren.

Die dem entgegenstehende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist durch die Verfügung Nr. 1201 des Generalsekretärs des Europarates v. 24.11.2004 überholt. Nach Art. 1 dieser Verfügung sind auf Tagesbasis bezahlte Konferenzdolmetscher für die Dauer ihrer Beschäftigung durch den Europarat zeitweise Bedienstete, die der Autorität des Generalsekretärs unterliegen. Nach Art. 4 wird den Konferenzdolmetschern Steuerfreiheit hinsichtlich der ihnen gezahlten Gehälter und Bezüge nach Maßgabe von Art. 18 Buchst. b des Allgemeinen Abkommens gewährt.

Das Finanzgericht wies die Klage ab, da seiner Ansicht nach der Verfügung des Generalsekretärs des Europarats Nr. 1201 keine Außenwirkung zukommt.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Revision des X zurück und entschied, dass sich die Steuerbefreiung weder aus dem Allgemeinen Abkommen noch aus der Verfügung des Generalsekretärs des Europarats ergibt.

Die in Art. 17 und Art. 18 Buchst. b des Allgemeinen Abkommens als Subjekte der Steuerbefreiung genannten „officials“ und „agents“ umfassen nicht die tageweise beschäftigten Dolmetscher. Denn der mehrdeutige Begriff „agents“ ist im Sinne des eindeutigen Begriffs „officials“ zu definieren. Darunter fallen indes nur Personen, die ein öffentliches Amt von einer gewissen Dauer innehaben. X wird davon nicht umfasst.

Zwar hat der Generalsekretär des Europarats in Art. 4 der Verfügung Nr. 1201 ausdrücklich geregelt, dass die den tageweise beim Europarat beschäftigten Konferenzdolmetschern gezahlten Vergütungen steuerfrei zu stellen sind. Dem Generalsekretär ist jedoch in Art. 17 des Allgemeinen Abkommens lediglich die Befugnis eröffnet, die Gruppen der „officials“ bzw. „agents“ zu bestimmen, auf welche die Regelungen des nachstehenden Art. 18 ganz oder teilweise Anwendung finden. Seine Regelungsbefugnis beurteilt sich damit materiell weiterhin danach, ob die Vorrechte oder Befreiungen tatsächlich zugunsten von Personen ausgesprochen wurden, die als „officials“ oder „agents“ anzusehen sind. X fällt allerdings nicht unter diesen Personenkreis.

Mit der Nennung der Begriffe „officials“ und „agents“ in Art. 17 des Allgemeinen Abkommens werden die Personen abschließend definiert, aus denen der Generalsekretär die bevorrechtigten Gruppen bestimmen kann. Die Erweiterung des Personenkreises, dem die Vorrechte von Art. 18 Buchst. b des Allgemeinen Abkommens gewährt werden, auf weitere Personengruppen, die nicht als „officials“ oder „agents“ anzusehen sind, ist daher nicht mehr vom ursprünglichen Zustimmungsgesetz gedeckt. Werden – wie im Streitfall – einzelne Bestimmungen des Allgemeinen Abkommens in einer Weise gehandhabt oder fortgebildet, die von dem Vertrag, wie er dem deutschen Zustimmungsgesetz zugrunde liegt, nicht mehr gedeckt ist, sind die daraus hervorgehenden Rechtsakte im deutschen Hoheitsbereich nicht verbindlich.

7. Verfahrensrechtliche Fragen bei einem Nullbescheid

Aus einem Steuerbescheid, der eine Steuer von 0 EUR festsetzt, ergibt sich keine für die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage erforderliche Beschwer.

Hintergrund

Der als gemeinnützig und mildtätig anerkannte X-Verband der freien Wohlfahrtspflege unterhält diverse wirtschaftliche Geschäftsbetriebe sowie Zweckbetriebe. Der X-Verband ist aufgrund eines Vertrags mit dem Landkreis als Leistungserbringer im Rettungsdienst tätig. Die Abrechnung seiner Leistungen wickelt er selbstständig mit den Kostenträgern ab.

Im Jahr 2012 verlangten die Sozialleistungsträger, dass jeder Landkreis nur eine Abrechnungsstelle vorhalten soll. Daraufhin erweiterten der Landkreis A und der X-Verband ihren Vertrag dahingehend, dass der X-Verband – neben der Abrechnung der eigenen Einsätze – auch die Abrechnungen der Einsätze für andere Leistungserbringer des öffentlichen Rettungsdienstes gegenüber den Kostenträgern durchführen soll. Der Landkreis A als Träger des Rettungsdienstes und der X-Verband schlossen mit dem jeweiligen anderen Leistungserbringer Vereinbarungen über die Abrechnung der Rettungsdiensteinsätze.

Basis der Abrechnung im Jahr 2012 war ein Vertrag zwischen dem Landkreis A als Träger des Rettungsdienstes und den Sozialleistungsträgern als Kostenträger über die Benutzungsentgelte. In dem vereinbarten Kostenvolumen war ein Anteil für die dem X-Verband entstehenden Abrechnungskosten enthalten. Gleichzeitig vereinbarten der Landkreis A und die Sozialleistungsträger einen sog. Defizitausgleich. Aufgrund des Defizitausgleichs mit dem Kostenersatz betrug der Gewinn der „Abrechnungsstelle“ des X-Verbands für 2012 0 EUR.

Das Finanzamt ging davon aus, dass der Betrieb der „Abrechnungsstelle“ (ausgenommen die Abrechnung eigener Rettungsdienstleistungen des X-Verbands) ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb und kein Zweckbetrieb ist. Dementsprechend erließ das Finanzamt für 2012 geänderte Bescheide über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer-Messbetrag, mit denen es die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuer-Messbetrag auf jeweils 0 EUR festsetzte.

Mit der anschließenden Klage verfolgte der X-Verband die Anerkennung als Zweckbetrieb. Das Finanzgericht legte die Klage als Feststellungsklage aus und wies diese als unbegründet ab, weil die Abrechnung für andere Leistungserbringer ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, aber kein Zweckbetrieb ist.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Revision zurück. Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts hat der X-Verband keine Feststellungsklage, sondern eine Anfechtungsklage erhoben. Diese Klage ist nicht als unbegründet, sondern bereits als unzulässig abzuweisen.

Der Gegenstand der Klage richtet sich nach dem Klagebegehren. Dieses geht dahin, dass sich der X-Verband gegen die Einstufung seiner Abrechnungstätigkeit für andere Leistungserbringer als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb wendet. Daher greift der X-Verband ausdrücklich die ergangenen Nullbescheide an. Damit handelt es sich nicht um eine Feststellungsklage, sondern um eine Anfechtungsklage.

Eine auf 0 EUR lautende Steuerfestsetzung belastet den Steuerpflichtigen regelmäßig nicht. Eine Anfechtungsklage gegen einen Nullbescheid ist daher grundsätzlich unzulässig. Anders ist es, wenn der Regelungsgehalt des Bescheids ausnahmsweise über die bloße Steuerfestsetzung hinausreicht und sich eine zu niedrige Steuerfestsetzung daher anderweitig (bindend) ungünstig auswirkt. Das ist vorliegend aber nicht der Fall. Die Gemeinnützigkeit als solche ist nicht im Streit. Vielmehr beschränkt sich der Streitfall auf den bloßen sachlichen Umfang der Steuerbefreiung, weil der X-Verband mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhält und die Eigenschaft nur eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs als Zweckbetrieb im Ergebnis als unselbstständige Besteuerungsgrundlage streitig ist.

Die Klage ist auch nicht als Feststellungsklage zulässig, da die begehrte Feststellung gegenüber der Anfechtungsklage subsidiär ist.

8. Zur Berichtigung der als Vorsteuer abgezogenen Einfuhrumsatzsteuer bei Insolvenzanfechtung

Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn die Einfuhrumsatzsteuer entstanden ist. Korrespondierend dazu wird der Vorsteuerabzug berichtigt, wenn die Einfuhrumsatzsteuer erstattet wird. Mit „erstattet“ ist der tatsächliche Vorgang der Rückzahlung gemeint.

Hintergrund

Nach Stellung eines Insolvenzantrags für die Klägerin im Januar 2019 wurde der Rechtsanwalt N vom Amtsgericht zum vorläufigen Sachwalter mit Eigenverwaltung der Klägerin über ihr Vermögen bestellt. Die Klägerin brachte an das Hauptzollamt bezahlte Einfuhrumsatzsteuer für Januar und Februar 2019 als Vorsteuer beim Finanzamt in Abzug. Im April 2019 wurde über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung eröffnet. Der wieder als Sachverwalter bestellte Rechtsanwalt N zog die Kassenführung nicht an sich. Nach Insolvenzeröffnung erstattete das Hauptzollamt die angefochtene Einfuhrumsatzsteuer im Oktober 2019 an die Insolvenzmasse zurück. Auf die nachfolgend vom Hauptzollamt als Forderung zur Insolvenztabelle angemeldete Einfuhrumsatzsteuer erfolgten keine Zahlungen. Daraufhin kürzte das Finanzamt den Vorsteuerabzug der Klägerin für Oktober 2019 in Höhe der zurückerstatteten Einfuhrumsatzsteuer.

Nach Auffassung der Klägerin führt jedoch die insolvenzrechtliche Anfechtung mit entsprechender Rückzahlung der Einfuhrumsatzsteuer nicht zu einer Vorsteuerkorrektur.

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts hat das Finanzamt zu Recht die Vorsteuerberichtigung vorgenommen, weil der Klägerin die zuvor als Vorsteuer in Abzug gebrachte Einfuhrumsatzsteuer erstattet worden ist.

Der Unternehmer muss den Vorsteuerabzug berichtigen, falls die als Vorsteuer abgezogene Einfuhrumsatzsteuer herabgesetzt, erlassen oder erstattet worden ist. Ein solcher Faktor ist auch die Rückerstattung der als Vorsteuer in Abzug gebrachten Einfuhrumsatzsteuer. Der Begriff „erstattet“ i. S. d. § 17 Abs. 3 Satz 1 UStG ist unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass der tatsächliche Vorgang der Rückzahlung gemeint ist. Der Begriff „erstattet“ bedeutet danach „Rückgewährung“ oder „Rückzahlung“. Der Grund für die Erstattung ist dem Begriff selbst nicht zu entnehmen.

Im Übrigen darf wegen des Grundsatzes der „steuerlichen Neutralität“ in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie der Unternehmer nicht durch doppelte Entlastung von der Umsatzsteuer bzw. Einfuhrumsatzsteuer gegenüber seinen Wettbewerbern übervorteilt werden. § 17 Abs. 3 Satz 1 UStG bezweckt grundsätzlich, das Gleichgewicht zwischen Steuer und Vorsteuer zu gewährleisten. Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn die Einfuhrumsatzsteuer entstanden ist. Hierdurch wird erreicht, dass der Unternehmer von der Belastung mit Umsatzsteuer auf der Eingangsseite entlastet wird. Nach der damit korrespondierenden Regelung des § 17 Abs. 3 Satz 1 UStG wird der Vorsteuerabzug berichtigt, wenn die Einfuhrumsatzsteuer erstattet wird. Denn wenn die Belastung mit der Einfuhrumsatzsteuer entfällt, ist auch die Entlastung rückgängig zu machen. Auf die Gründe für die Herabsetzung, den Erlass oder die Erstattung kommt es nicht an. Die Vergütung der Vorsteuer bezweckt die Entlastung von einer Belastung, nicht die Bereicherung des Unternehmers.