Inhaltsverzeichnis

Arbeitsrecht

1. Arbeitgeber dürfen Beschäftigte im Rahmen des Direktionsrechts auch ins Ausland versetzen

Eine Versetzung aufgrund des Weisungsrechts des Arbeitgebers ist nicht auf Deutschland begrenzt. Das hat das Bundesarbeitsgericht in einem Grundsatzurteil klargestellt. Deshalb durfte eine Fluggesellschaft einen Piloten von einem inländischen Standort an einen italienischen Standort versetzen.

Hintergrund

Der Pilot war seit Januar 2018 bei der irischen Fluggesellschaft Ryanair, mit Sitz in Dublin, beschäftigt. Stationiert war er am Flughafen Nürnberg. Das Luftverkehrsunternehmen ist grundsätzlich international tätig. Der Arbeitsvertrag sah dementsprechend auch vor, dass der Pilot auch an anderen Orten des Unternehmens stationiert werden kann. Zum 30.4.2020 versetzte der Arbeitgeber ihn und weitere Piloten vom Stationierungsort Nürnberg nach Italien an den Standort Bologna. Grund hierfür war die Entscheidung des Arbeitgebers, den Stationierungsort Nürnberger Flughafen zu Ende März 2020 aufzugeben. Vorsorglich sprach Ryanair eine entsprechende Änderungskündigung aus, die der Arbeitnehmer unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung annahm.

Der Pilot wehrte sich vor Gericht gegen seine Versetzung nach Bologna. Nach seiner Meinung war diese unwirksam, da das Weisungsrecht des Arbeitgebers eine Versetzung ins Ausland nicht umfasse. Zumindest sei die Versetzung unbillig, da ihm sein tariflicher Vergütungsanspruch entzogen werde und ihm auch sonst erhebliche Nachteile entstünden. Ryanair vertrat die Überzeugung, dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO auch eine Versetzung ins Ausland zulasse.

Dies insbesondere, da als Alternative nur die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht gekommen wäre. Bei der Entscheidung habe der Arbeitgeber auch billiges Ermessen gewahrt, da alle an der Homebase Nürnberg stationierten Piloten ins Ausland versetzt worden seien. Es habe keinen freien Arbeitsplatz an einem deutschen Stationierungsort gegeben. Zudem sei das vorgesehene Verfahren mit der Gewerkschaft VC in einem “Tarifsozialplan bezüglich der Stilllegung/Einschränkung von Stationierungsorten” eingehalten worden.

Entscheidung

Die Versetzung des Arbeitnehmers an die Ryanair-Homebase am Flughafen Bologna war nach § 106 Satz 1 GewO wirksam.

Das Bundesarbeitsgericht machte in seiner Begründung deutlich, dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers grundsätzlich auch die Versetzung an einen ausländischen Arbeitsort umfasst. Dies gelte zumindest, wenn – wie vorliegend – kein bestimmter inländischer Arbeitsort im Arbeitsvertrag fest vereinbart ist, sondern ausdrücklich eine unternehmensweite Versetzungsmöglichkeit vorgesehen ist.

Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, dass dem Gesetz keine Begrenzung des Weisungsrechts des Arbeitgebers auf Arbeitsorte in der Bundesrepublik Deutschland zu entnehmen sei. Die Versetzung sei auch ansonsten rechtsfehlerfrei erfolgt. Sie sei eine Folge der unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers, den Standort Flughafen Nürnberg aufzugeben. Damit konnte er den Piloten dort nicht mehr stationieren.

Offene Stellen an einem anderen inländischen Stationierungsort habe es nicht gegeben. Das Gericht wies darauf hin, dass ein Einsatz als “Mobile Pilot” nicht möglich sei, der Arbeitnehmer habe zudem keine Base-Präferenz angegeben und nicht nur er, sondern alle am Flughafen Nürnberg stationierten Piloten seien an einen Standort in Italien versetzt worden. Auch das für einen solchen Fall in dem mit der Gewerkschaft VC geschlossenen Tarifsozialplan vereinbarte Verfahren habe der Arbeitgeber eingehalten.

Das oberste Arbeitsgericht ließ auch die Argumentation des Piloten, die Versetzung sei unbillig, weil ihm der tarifliche Vergütungsanspruch entzogen werde, nicht gelten. Dazu hieß es, dass der Arbeitnehmer durch die Versetzung nach Italien zwar den Anspruch auf das höhere tarifliche Entgelt verliere, da der Geltungsbereich des Vergütungstarifvertrags auf die in Deutschland stationierten Piloten beschränkt sei. Der Inhalt des Arbeitsvertrags, insbesondere das arbeitsvertragliche Entgelt, werde jedoch von der Weisung nicht tangiert.

2. Mehrarbeitszuschläge: Urlaubszeiten sind zu berücksichtigen

Bei der Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen müssen auch Urlaubstage berücksichtigt werden. Eine tarifliche Regelung für die Zeitarbeitsbranche ist aufgrund europarechtlicher Vorgaben entsprechend auszulegen.

Hintergrund

Der Arbeitnehmer war seit Januar 2017 bei einem Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Zeitarbeit in der Fassung v. 17.9.2013 Anwendung. Die Regelung im Tarifvertrag zu Mehrarbeitszuschlägen besagt, dass Beschäftigten Zuschläge für Zeiten gezahlt werden, sobald ein bestimmter Schwellenwert im Kalendermonat überschritten wird. Für jede geleistete Mehrarbeitsstunde ist ein Zuschlag von 25 % zum Stundenlohn zu gewähren.

Der Leiharbeitnehmer machte Mehrarbeitszuschläge für den Monat August 2017 geltend. Er hatte in diesem Monat tatsächlich 121,75 Stunden gearbeitet. Zudem nahm er in diesem Monat seinen Jahresurlaub: 10 Arbeitstage basierend auf einer 5-Tagewoche. Der Arbeitgeber rechnete den August mit 84,7 Stunden ab. Die tarifvertragliche Schwelle, die überschritten werden müsste, um in diesem Monat Mehrarbeitszuschläge zu bekommen, lag bei 184 Stunden.

Der Arbeitgeber verweigerte die Zahlung der Überstundenzuschläge. Er machte geltend, dass die erforderliche Schwelle nicht erreicht wurde. Der Arbeitnehmer vertrat dagegen die Ansicht, dass ihm Mehrarbeitszuschläge zustehen würden, weil auch die für den Urlaub abgerechneten Stunden einzubeziehen seien.

Entscheidung

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Das Bundesarbeitsgericht ersuchte vor seiner Entscheidung den Europäischen Gerichtshof, um zu klären, ob die tarifliche Regelung mit Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG vereinbar ist.

Das Bundesarbeitsgericht war überzeugt, dass die Auslegung des Tarifvertrags nicht zulässt, Urlaubszeiten bei der Berechnung der Mehrarbeitszuschläge zu berücksichtigen. Für die obersten Arbeitsrichter war jedoch klärungsbedürftig, ob der Tarifvertrag damit einen unionsrechtlich unzulässigen Anreiz begründet, auf Urlaub zu verzichten.

Genau dies hat der EuGH mit seinem Urteil bestätigt. Nach der Entscheidung verstößt eine tarifliche Regelung, die bei der Berechnung der Mehrarbeitszuschläge die Urlaubszeiten der Beschäftigten nicht berücksichtigt, gegen EU-Recht.

Jede Praxis oder Unterlassung eines Arbeitgebers, die Arbeitnehmende davon abhalten kann, den Jahresurlaub zu nehmen, verstößt gegen das mit dem EU-Recht auf bezahlten Jahresurlaub verfolgte Ziel. Dies sei regelmäßig der Fall, wenn Beschäftigte wegen eines finanziellen Nachteils darauf verzichten, den bezahlten Jahresurlaub zu nehmen.

Im konkreten Fall sah der EuGH genau diese Problematik. Die Berechnung der Überstundenzuschläge, bei denen die Urlaubszeiten außen vor blieben, führte im konkreten Fall dazu, dass der Arbeitnehmer den monatlichen Schwellenwert von 184 Stunden nicht erreichte. Sein Gehalt war daher aufgrund der tariflichen Regelung für den Monat August niedriger, als wenn er keinen Urlaub genommen hätte.

Die Revision des Zeitarbeitnehmers hatte daraufhin vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg. Die Richter entschieden: Die tarifliche Regelung des § 4.1.2 MTV muss bei gesetzeskonformer Auslegung so verstanden werden, dass bei der Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen nicht nur tatsächlich geleistete Stunden, sondern auch Urlaubsstunden bei der Frage mitzählen, ob der Schwellenwert, ab dem solche Zuschläge zu zahlen sind, überschritten wurde. Anderenfalls könnte die Regelung Arbeitnehmende davon abhalten, den gesetzlichen Urlaub zu nehmen. Dies sei mit § 1 BurlG in seinem unionsrechtskonformen Verständnis nicht vereinbar.

GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer

1. GmbH: Haftung trotz Entlastung eines Geschäftsführers

Ein Geschäftsführer haftet der Gesellschaft mit seinem Privatvermögen, soweit er seine Pflichten fahrlässig oder vorsätzlich verletzt und der Gesellschaft dadurch ein Schaden entsteht. Maßstab für eine Pflichtverletzung ist stets die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns.

Hintergrund

Der ehemaligen Fremdgeschäftsführer hatte auf Kosten der Gesellschaft einen Caravan zum eigenen Gebrauch angeschafft und Reparaturen durchführen lassen. Die Gesellschaft nahm den Geschäftsführer auf Schadenersatz in Anspruch

Entscheidung

Es lag eine Pflichtverletzung vor – denn der Geschäftsführer ist nicht berechtigt, das Vermögen der Gesellschaft für eigene Zwecke zu missbrauchen. Daraus resultiert ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft, so gestellt zu werden, wie sie ohne die Anschaffung des Caravans stünde.

Der erforderliche Gesellschafterbeschluss für die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer lag vor. Der Beschluss war zwar nicht hinreichend bestimmt – er muss grundsätzlich den geltend gemachten Anspruch bestimmbar beschreiben und identifizierbar benennen und so eindeutig den Willen der Gesellschafterversammlung erkennen lassen, bestimmte Ansprüche gegen den Geschäftsführer geltend zu machen. Der Geschäftsführer hatte die fehlende Bestimmtheit aber nicht gerügt. Das mag darauf zurückzuführen sein, dass der Beschluss auch noch während des Rechtsstreits hätte nachgeholt werden können. Mangels Rüge durch den beklagten Geschäftsführer musste das OLG die mangelnde Bestimmtheit des Beschlusses bei der Urteilsfindung nicht berücksichtigen.

Es greift auch kein Haftungsausschluss zugunsten des Geschäftsführers ein. Denn der Geschäftsführer ist mit seiner Behauptung, die Anschaffung und Reparaturen des Caravans seien mit den Gesellschaftern abgestimmt gewesen, beweispflichtig geblieben. Auch die Entlastung, die ihm für den entsprechenden Zeitraum erteilt wurde, schließt seine Haftung nicht aus. Denn der Geschäftsführer hatte die Kosten für den Caravan mit der Bezeichnung “Bauwagen” in die der Entlastung zugrundeliegende Bilanz eingestellt. Diese Bezeichnung ist irreführend. Die Gesellschafter hatten durch die gewählte Bezeichnung keinen Anlass zur Nachfrage. Denn die Verpflichtung zur Nachfrage ist darauf zu beschränken, dass sich der Anlass zur Nachfrage eindeutig ergibt. Anlass zur Nachfrage wäre gewesen, wenn die Gesellschaft für die Gesellschafter erkennbar einen “Caravan” angeschafft hätte, da ein Caravan zur Nutzung im Baugewerbe ungeeignet und untypisch ist. Die vom Geschäftsführer gewählte Darstellung verschleierte demgegenüber die wahren Begebenheiten.

2. GmbH-Alleingesellschafter und die Zuordnung von Schadensersatzansprüchen bei Zahlungsausfällen

Zugunsten eines Alleingesellschafters gilt: Die Unabhängigkeit der Rechtsträger und die verschiedenen Vermögensmassen von GmbH und ihrem Gesellschafter – sei es auch nur eine Alleingesellschafterin – müssen bei einer Prüfung von Schadensersatzansprüchen beachtet werden.

Hintergrund

Die Klägerin (GmbH – Muttergesellschaft) ist Alleingesellschafterin einer gemeinnützigen GmbH (Tochtergesellschaft) und Projektentwicklerin für Bildungsmaßnahmen. Sie mietete Büroräume von der Beklagten an, um dort Schulungen durchzuführen zu lassen. Die Tochtergesellschaft war von der öffentlichen Auftragsverwaltung mit der Durchführung von Schulungen beauftragt worden. Sie wiederum gab diesen Auftrag an die Klägerin (ihre Muttergesellschaft) im Rahmen einer Unterbeauftragung weiter. Der zwischen der Tochtergesellschaft und der Klägerin geschlossene Schulungsvertrag sah vor, dass die Klägerin für die Durchführung der Schulungen eine festgelegte Vergütung von der Tochtergesellschaft erhält. Darüber hinaus war auch ein außerordentliches Kündigungsrecht der Tochtergesellschaft vorgesehen, wenn Schulungsmaßnahmen in einem bestimmten Umfang über einen bestimmten Zeitraum von der Klägerin nicht erbracht werden. In diesen Fällen sah der Schulungsvertrag auch eine Vertragsstrafenklausel zu Lasten der Klägerin vor.

Mitte Oktober 2016 rügte die Tochtergesellschaft gegenüber der Klägerin den Ausfall von Schulungen. Die Klägerin reklamierte daraufhin gegenüber der Hausverwaltung der Beklagten eine zu niedrige Raumtemperatur in den Schulungsräumen und forderte diese unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung auf. In der Folge kündigte die Tochtergesellschaft der Klägerin den Schulungsvertrag außerordentlich mit der Begründung des Ausfalls von Schulungen, weil die Räume nicht ausreichend beheizbar waren.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin gegenüber der Beklagten Schadensersatz für die mangelbedingt ausgefallenen Schulungen und in der Folge unterbliebener Zahlungen ihrer Tochtergesellschaft geltend. Darüber hinaus verlangte sie Schadensersatz für die Freistellung von der Vertragsstrafe.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof stellt zunächst klar, dass es bei der Durchführung eines Gesamtvermögensvergleichs für die Berechnung des Schadensersatzes grundsätzlich auf das Vermögen des Geschädigten, nicht aber dasjenige Dritter ankommt. Gesellschaft und Gesellschafter sind hierbei regelmäßig als im Rahmen der schadensrechtlichen Beurteilung selbstständige Zuordnungssubjekte zu behandeln. Daher wäre im vorliegenden Fall nur die Vermögenslage der Klägerin maßgeblich.

Ausdrücklich verweist der Senat auf das sog. Trennungsprinzip gem. § 13 Abs. 1 und 2 GmbHG. Danach sind die Vermögensmassen der Tochtergesellschaft und der Klägerin (als deren Alleingesellschafterin) streng zu unterscheiden. Es sei damit für die Frage des Vorliegens eines Schadens der Klägerin unerheblich, ob der Tochtergesellschaft ebenfalls ein Schaden entstanden ist.

Unter bestimmten Umständen lässt der Bundesgerichtshof eine Durchbrechung des Trennungsprinzips zu: Nämlich dann, wenn ein Alleingesellschafter von einem Dritten schuldhaft geschädigt wird und der Schaden an seinem “Sondervermögen” – dem seiner Gesellschaft – eintritt. Hier kann bei der Bemessung des Schadens des Alleingesellschafters der bei der Gesellschaft entstandene Schaden als Passivposten des Gesellschaftsvermögens in die Schadensberechnung über das Vermögen des Alleingesellschafters einbezogen werden.

Aus dieser Rechtsprechung kann aber nach Ansicht des Senats nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass ein Schaden des Alleingesellschafters einer GmbH ausscheide, wenn kein entsprechender Schaden im Gesellschaftsvermögen der (Tochter-) GmbH eingetreten sei.

Bei einem Schadensersatzanspruch des Mieters, der Alleingesellschafter einer GmbH ist und der auf einen Mietmangel gestützt wird, kommt es also auch dann nur auf seine Vermögenslage und nicht auf die “seiner” GmbH an, wenn der Schaden aus einem Auftragsverhältnis resultiert, bei dem die (Tochter-) GmbH Auftraggeberin und der Alleingesellschafter Auftragnehmer ist. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn es sich bei der Tochtergesellschaft um eine gemeinnützige GmbH handelt.

3. Wie werden Rechtsverfolgungskosten zur Rückabwicklung einer Fonds-Beteiligung behandelt?

Erstattet eine Personengesellschaft ihrem Gesellschafter im Zuge der schadenersatzrechtlichen Rückabwicklung des Beteiligungserwerbs seine Einlage, handelt es sich beim Gesellschafter ertragsteuerrechtlich um einen Vorgang auf der Vermögensebene, der bei ihm nicht zu steuerbaren Einnahmen führt.

Hintergrund

X hielt eine Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds (GmbH & Co. KG). Daraus erzielte er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Weil die Beteiligung die prospektierten Mieterträge nicht erreichte, beantragte X die Rückzahlung seiner Einlage zuzüglich Agio und entgangenem Gewinn abzüglich erhaltener Ausschüttungen Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung. In Zusammenhang damit entstanden ihm Rechtsberatungskosten (insbes. Anwaltsgebühren) von insgesamt 2.570 EUR.

Das Finanzamt lehnte im Feststellungsbescheid nach § 15a Abs. 4 EStG die Berücksichtigung als Sonderwerbungskosten des X ab. Das Finanzgericht wies die Klage im Streitpunkt ab. Da die begehrte Einlagenrückzahlung steuerlich die private Vermögensebene betreffe, seien die Beratungskosten nicht durch die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung veranlasst.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Revision als unbegründet zurück. Die angefallenen Rechtsberatungskosten führen bei X nicht zu (Sonder-)Werbungskosten.

Aufwendungen, die anfallen, bevor Einnahmen erzielt werden, können als vorab entstandene Werbungskosten abgezogen werden, soweit ein wirtschaftlicher Zusammenhang zu den erwarteten Einkünften besteht. Auch nach Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht können vorab entstandene vergebliche Werbungskosten weiter abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige (nach dem Scheitern seiner Investition) Kosten aufwendet, um sich aus der vertraglichen Bindung zu lösen (“Aufgabeaufwendungen”).

Rückflüsse (die der Erwerbssphäre zuzurechnen sind) führen zu Einnahmen, soweit sie Werbungskosten ersetzen (sollen), die zuvor steuermindernd abgezogen worden sind. Sie führen dagegen zu einer Minderung der Anschaffungs-/ Herstellungskosten, wenn sie maßgeblich der Vermögensebene zuzurechnen sind. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Anschaffungsgeschäft liegt vor, wenn der maßgebende Anlass (das auslösende Moment) für den Minderungsvorgang in der Anschaffung liegt.

Erstattet eine Personengesellschaft ihrem Gesellschafter im Zuge der schadenersatzrechtlichen Rückabwicklung des Beteiligungserwerbs seine Einlage, führt dies bei ihm nicht zu steuerbaren Einnahmen. Die Einlageleistung ist beim Gesellschafter ein Vorgang auf der Vermögensebene. Der umgekehrte Vorgang (Erstattung der Einlage durch die Gesellschaft) berührt beim Gesellschafter ebenfalls nur die Vermögensebene und führt nicht zugleich zum Zufluss von laufenden Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und demgemäß nicht zu Werbungskosten. Zwischen der Erstattung der Einlage und bestimmten Aufwendungen der Gesellschaft besteht kein hinreichender (wirtschaftlicher) Zusammenhang.

Soweit X die Rückzahlung seiner Einlage zuzüglich Agio gegen Rückübertragung seiner Beteiligung geltend gemacht hat, führen die dafür angefallenen Rechtsberatungskosten bei ihm nicht zu (Sonder-)Werbungskosten. Die Rückzahlung der Einlage hätte bei ihm nicht zu steuerbaren Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung geführt, sondern die Anschaffungskosten für seine Beteiligung gemindert. Mangels eines steuerbaren Veräußerungsvorgangs hätte sich dies jedoch steuerlich nicht ausgewirkt. Für das Agio gilt nichts anderes. Es berechtigt zwar nicht zum Gewinnbezug, erhöht jedoch wie die Einlage das Eigenkapital der Gesellschaft.

Die Rechtsverfolgungskosten waren auch nicht deshalb zum Abzug zugelassen, weil sich X von einer gescheiterten Investition lösen wollte. Der Fall abziehbarer “Aufgabeaufwendungen” betrifft nur die Situation vorab entstandener (vergeblicher) Werbungskosten, die anfallen, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden. Hat der Steuerpflichtige dagegen den objektiven Einkünftetatbestand bereits verwirklicht und will er die Quelle nunmehr abstoßen, dienen seine Aufwendungen nicht mehr der Erzielung und Erhaltung von Einnahmen, sondern der Abstoßung der Beteiligung.

Land- und Forstwirtschaft

1. Landwirtschaftlicher Betrieb und Übergang von Durchschnittsbesteuerung zur Regelversteuerung

Wer als Durchschnittssatzversteuerer Eingangsleistungen bezieht, um diese wegen Überschreitens der Umsatzgrenze für regelversteuerte Umsätze zu verwenden, ist daraus zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Hintergrund

Die Klägerin betreibt als GbR einen landwirtschaftlichen Betrieb. Als solche unterlag sie bis einschließlich 2021 mit ihren Umsätzen der Besteuerung nach Durchschnittssätzen gem. § 24 UStG. Da ihre Umsätze des Jahres 2021 die neu in das Gesetz eingefügte Umsatzgrenze von 600.000 EUR überstiegen, musste sie für das Jahr 2022 zur Regelversteuerung übergehen.

Sie machte daher im Jahr 2021 Vorsteuerbeträge in voller Höhe geltend, soweit sie nachweislich mit Ausgangsumsätzen in Verbindung standen, die erst ab 2022 erzielt wurden. Konkret ging es um Vorsteuern aus Kosten für die Aufzucht der weiblichen Nachzucht von Milchkühen, die erst 2022 abkalben würden und deshalb auch erst ab diesem Zeitpunkt zur Milcherzeugung verwendet werden könnten.

Das Finanzamt berücksichtigte diese Vorsteuern jedoch nur in Höhe der Umsatzsteuer aus der Durchschnittssatzbesteuerung (10,7 %) und verwies auf § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG, wonach ein weitergehender Vorsteuerabzug nicht möglich sei.

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist § 24 UStG richtlinienkonform auszulegen. Er gilt zwar nach seinem Wortlaut für die “im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze”. Dies ist aber dahin zu verstehen, dass damit nur die Lieferungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse gemeint sind, die der Durchschnittsatzbesteuerung unterliegen.

In diesem Zusammenhang ist auch § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG richtlinienkonform auszulegen, sodass der diesbezügliche weitergehende Vorsteuerausschluss nicht etwa betriebsbezogen, sondern tätigkeits- bzw. umsatzbezogen ist. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist einem Unternehmer, der im Zusammenhang mit dem Erwerb eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs umsatzsteuerpflichtige Leistungen bezieht, ein Vorsteuerabzug zu gewähren, wenn er im Moment des Leistungsbezugs die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, die im Rahmen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs beabsichtigten Verwendungsumsätze gem. § 24 Abs. 4 UStG der Regelbesteuerung zu unterwerfen.

Der vorliegende Sachverhalt ist vergleichbar, zumal feststand, dass die den Eingangsleistungen zuzuordnenden Ausgangsleistungen wegen Überschreitens der Umsatzgrenze von 600.000 EUR der Regelbesteuerung unterliegen werden.

Private Immobilienbesitzer

1. Wann ein zeitlich befristeter Nießbrauch zugunsten der Kinder
Gestaltungsmissbrauch darstellt

Hintergrund

Bestellen die Eltern für ihre minderjährigen unterhaltsberechtigten Kindern einen zeitlich befristeten Nießbrauch an einem Grundstück, das langfristig bis zur Beendigung des Nießbrauchs an eine von den Eltern beherrschte GmbH vermietet ist, ist diese Nießbrauchsbestellung wegen Gestaltungsmissbrauch steuerrechtlich nicht anzuerkennen.

Streitig war die steuerliche Anerkennung der Bestellung eines zeitlich befristeten Nießbrauchs an einem vermieteten Grundstück durch Eltern zugunsten ihrer bei Bestellung noch minderjährigen Söhne. Das Grundstück ist langfristig bis zur Beendigung des Nießbrauchs an eine von den Eltern beherrschte GmbH vermietet. Das Finanzamt verneinte die Einkünfteerzielung durch die Nießbraucher, da sie im Verhältnis zum Mieter nicht die Stellung eines Vermieters und damit Einkünfteerzielers hätten und rechnete die Vermietungseinkünfte weiterhin den Eltern als Eigentümer zu.

Entscheidung

Das Finanzgericht folgte der vom Finanzamt vertretenen Rechtsauffassung und entschied, dass es bei der Nießbrauchseinräumung in erster Linie um die Ausnutzung der Freibeträge der Söhne oder zumindest des Progressionsgefälles zwischen Eltern und Söhnen ging. Würden die Mieteinnahmen bei den Eltern anfallen, wäre die Steuerbelastung höher als sie bei den Söhnen ist. Dies ist nach Auffassung des FG gestaltungsmissbräuchlich i. S. v. § 42 AO.

Auch der Umstand, dass die Eltern das Grundstück im Rechtssinne nicht für sich selbst benötigen, sondern für eine GmbH, die sie bei wirtschaftlicher Betrachtung aber kontrollieren, machte für das FG bei der Prüfung, ob Missbrauch i. S. v. § 42 AO vorliegt, keinen Unterschied. Entscheidend sei, dass die Eltern das Grundstück für die betrieblichen Zwecke ihrer GmbH brauchen und derjenige, der ein Grundstück selbst benötigt, es bei wirtschaftlich sinnvoller Verfahrensweise nicht unentgeltlich (zunächst) einem anderen überlässt.

2. WEG: Unterschiedliche Geräte zur Verbrauchserfassung und korrekte Abrechnung der Heizkosten

Ist in einer Wohnungseigentumsanlage mit unterschiedlichen Ausstattungen zur Verbrauchserfassung der anteilige Wärmeverbrauch einer oder mehrerer Nutzergruppen nicht mit einem separaten Zähler vorerfasst worden, kann der Verbrauch anhand der gemessenen Daten per Differenzberechnung ermittelt werden.

Hintergrund

Die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft streiten über die korrekte Abrechnung der Heizkosten.

Der Wärmeverbrauch wird in den Einheiten teilweise durch Wärmemengenzähler und teilweise durch Heizkostenverteiler ermittelt. Wärmemengenzähler erfassen den Wärmeverbrauch mengenmäßig, während Heizkostenverteiler nicht den Wärmeverbrauch messen, sondern den anteiligen Verbrauch im Verhältnis zum Gesamtverbrauch festlegen. Eine Vorerfassung des anteiligen Gesamtverbrauchs der jeweils gleich ausgestatteten Einheiten findet in der Anlage nicht statt.

In der Jahresabrechnung 2016 wurden die Heizkosten teilweise nach Verbrauch abgerechnet, wobei vor Gericht unklar blieb, wie der verbrauchsabhängige Teil ermittelt wurde.

Ein Wohnungseigentümer hat gegen den Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung 2016 Anfechtungsklage erhoben. Amts- und Landgericht gaben dieser statt. Sie meinen, die Verteilung der Heizkosten widerspreche ordnungsmäßiger Verwaltung, so dass der Eigentümer eine Neuabrechnung verlangen könne. Der Verbrauch der gleich ausgestatteten Einheiten habe vorab erfasst werden müssen, was hier aber nicht der Fall war. Für die Abrechnung könne daher, soweit keine Vergleichsmaßstäbe für eine Schätzung nach § 9a Abs. 1 HeizkostenV vorlägen, auch der Flächenmaßstab maßgeblich sein. Nur so könne der Druck auf die Gemeinschaft erhöht werden, in der gesamten Anlage Wärmemengenzähler zu installieren, wie es die Heizkostenverordnung vorsehe.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hebt das Urteil des Landgerichts auf und verweist den Rechtsstreit dorthin zurück. Die Auffassung der Vorinstanzen, der Verbrauch müsse geschätzt oder nach Fläche verteilt werden, teilt der Bundesgerichtshof nicht.

Wenn nicht alle Einheiten mit den gleichen Ausstattungen zur Verbrauchserfassung ausgerüstet sind, ist zunächst der jeweilige Gesamtverbrauch der Nutzergruppen mit gleichen Ausstattungen zu erfassen. Das ergibt sich aus § 5 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV a. F. (seit 1.12.2021: § 5 Abs. 7 Satz 1 HeizkostenV n. F.). Dabei kann eine Nutzergruppe auch aus nur einer Einheit bestehen.

Eine Vorerfassung in diesem Sinne erfordert, dass der Anteil jeder mit der gleichen Ausstattung versehenen Nutzergruppe am Gesamtverbrauch durch einen gesonderten Zähler gemessen wird. Es reicht nicht aus, den Anteil einer Nutzergruppe am Gesamtverbrauch zu messen und den Verbrauch der anderen Gruppe durch Abzug des gemessenen Anteils vom Gesamtverbrauch zu errechnen. Ebenso stellt eine Addition der in den in einzelnen Wohneinheiten mit Wärmemengenzählern ermittelten Verbrauchsmengen keine Vorerfassung des Gesamtverbrauchs dar.

Eine ordnungsgemäße Vorerfassung des Verbrauchs der einzelnen Gruppen hat hier nicht stattgefunden, sodass ein nicht heilbarer Verstoß gegen die HeizkostenV vorliegt.

Dieser Verstoß hat aber nicht zur Folge, dass der Verbrauch nach § 9a Abs. 1 HeizkostenV zu schätzen ist oder die Heizkosten nach Fläche aufzuteilen sind. Vielmehr müssen die Verbrauchsanteile in einem solchen Fall rechnerisch ermittelt werden.

Eine Schätzung kommt nur infrage, wenn der Verbrauch einzelner Nutzer wegen eines Geräteausfalls oder aus anderen zwingenden Gründen nicht erfasst werden kann. Hier wurde der Verbrauch der einzelnen Nutzer aber ordnungsgemäß erfasst; nicht erfasst wurde hingegen der anteilige Verbrauch der jeweiligen Nutzergruppe.

Eine Verteilung rein nach Fläche würde dem Grundgedanken der Heizkostenverordnung, das Verbrauchsverhalten der Nutzer nachhaltig zu beeinflussen und damit Energieeinspareffekte zu erzielen, widersprechen. Dies kommt daher nur in Betracht, wenn verbrauchsbezogene Anteile nicht einmal fehlerhaft ermittelt werden können.

Im Wohnungseigentumsrecht kann es deshalb ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, bei einem nicht heilbaren Verstoß gegen § 5 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV a. F./§ 5 Abs. 7 Satz 1 HeizkostenV n. F. von den für eine Nutzergruppe gemessenen Verbrauchsmengen auszugehen und die übrigen durch eine Differenzberechnung zu ermitteln. Weder eine rein wohnflächenbezogene Kostenverteilung noch eine Verteilung nach Miteigentumsanteilen ist geeignet, die beabsichtigten Anreize zur sparsamen Energieverwendung zu setzen.

3. Zur AfA-Berechtigung des Nießbrauchers bei verlängertem Vorbehaltsnießbrauch

Wird eine mit einem Vorbehaltsnießbrauch belastete Immobilie mit Zustimmung des Nießbrauchers gegen eine andere Immobilie in der Weise ausgetauscht, dass dem Nießbraucher an der neuen Immobilie wiederum ein Nießbrauch eingeräumt wird, und trägt der Nießbraucher wirtschaftlich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Ersatzimmobilie, so setzt sich der Vorbehaltsnießbrauch an der erworbenen Immobilie fort (verlängerter Vorbehaltsnießbrauch).

Hintergrund

Die Eheleute AB lebten bis 2013 in einem der Ehefrau (B) gehörenden Einfamilienhaus in A-Stadt. B hatte dieses Hausgrundstück im Jahr 2002 unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf die 3 Kinder übertragen. Dabei hatten sich AB ein Nießbrauchsrecht bis zum Tod des Längstlebenden vorbehalten.

Im Jahr 2013 wollten AB umziehen. Daher vereinbarten sie mit ihren Kindern, dass das Einfamilienhausgrundstück verkauft wird und AB ihre Nießbrauchsrechte löschen lassen. Die Nießbrauchsrechte sollten jedoch in der Weise fortbestehe, dass aus dem Verkaufserlös eine oder mehrere Immobilien auf den Namen der Kinder erworben werden und an diesen wiederum ein Nießbrauchsrecht zugunsten der AB bestellt wird. Bis dahin sollte den AB das Nießbrauchsrecht an dem Verkaufserlös zustehen.

Nachfolgend wurde das Einfamilienhausgrundstück veräußert und die AB bewilligten die Löschung der bestellten Nießbrauchsrechte. Der Kaufpreis wurde auf das gemeinsame Konto der AB überwiesen.

Im Jahr 2013 erwarben die Kinder eine Eigentumswohnung in B-Stadt und ein (im Bau befindliches) Pflegeappartement in C-Stadt. An beiden Objekten bestellten sie Gunsten der AB ein lebenslängliches uneingeschränktes Nießbrauchsrecht, wobei sie vereinbarten, dass die Nießbrauchsbestellung in Fortsetzung des Nießbrauchsrechts an der Immobilie A-Stadt erfolgt. Der Kaufpreis wurde von dem gemeinsamen Konto der AB überwiesen. Die AB vermieteten das Objekt B-Straße sowie (nach Fertigstellung im Jahr 2015) auch das Appartement C-Straße an einen Dritten.

Die AB machten bei ihren Vermietungseinkünften AfA von den Anschaffungskosten (Grundstück plus Gebäude) geltend und vertraten die Meinung, dieser Betrag sei auf die durchschnittliche Lebenserwartung des Längstlebenden (20 Jahre) abzuschreiben, da das Nießbrauchsrecht entgeltlich erworben worden sei.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass der Vorbehaltsnießbrauch an den neuen Grundstücken (B-, C-Stadt) das Surrogat für den Nießbrauch an dem früheren Grundstück (A-Stadt) darstelle und die AfA daher mit lediglich 2 % auf die Nutzungsdauer der Gebäude bezogen werden könne. Dem folgte das FG und wies die Klage ab.

Entscheidung

Die Revision wurde im Streitpunkt als unbegründet zurückgewiesen. Den AB stehen keine höheren AfA auf die Anschaffungskosten der Eigentumswohnung B-Stadt und die Herstellungskosten des Pflegeappartements C-Stadt zu.

Die AfA stehen auch einem Vorbehaltsnießbraucher zu, der aufgrund seines dinglichen Rechts Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, soweit er die Anschaffungs-/Herstellungskosten getragen hat, bevor er das Grundstück unter Nießbrauchsvorbehalt übereignet hat. Denn er nutzt das Grundstück ununterbrochen aufgrund eigenen Rechts. Wer hingegen ein Gebäude aufgrund eines ihm unentgeltlich zugewendeten Nießbrauchs (Zuwendungsnießbrauch) nutzt, ist nicht AfA-berechtigt, wenn nicht er, sondern der Eigentümer die Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hat.

Der hier vorliegende Fall des “verlängerten Vorbehaltsnießbrauchs” ist dem Vorbehaltsnießbrauch (und der mittelbaren Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt) gleichzustellen. Wenn ein mit einem Vorbehaltsnießbrauch belastetes Grundstück mit Zustimmung des Nießbrauchers gegen ein anderes Grundstück ausgewechselt und dem bisherigen Nießbraucher an dem neuen Grundstück wiederum ein Nießbrauch eingeräumt wird, handelt es sich bei wirtschaftlicher Betrachtung aufgrund des zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs steuerrechtlich um das Fortbestehen des Vorbehaltsnießbrauchs. Der Vorbehaltsnießbrauch setzt sich an der erworbenen Immobilie im Wege der Surrogation fort.

Das gilt nicht nur, wenn der Eigentümer bei der Veräußerung der belasteten Immobilie bereits über die Ersatzimmobilie verfügen konnte. Das gilt auch dann, wenn er erst mit dem Erlös aus der Veräußerung der Altimmobilie die Ersatzimmobilie anschaffen kann und sich der Nießbrauch in der Zeit zwischen der Veräußerung der Altimmobilie und der Anschaffung der Ersatzimmobilie vereinbarungsgemäß auf den Veräußerungserlös erstreckt. Es liegt auch dann bei wirtschaftlicher Betrachtung entsprechend der zugrunde liegenden Vereinbarung eine Fortsetzung des Vorbehaltsnießbrauchs an der Ersatzimmobilie als Surrogat vor.

Im Streitfall hat sich der an der Altimmobilie bestellte Vorbehaltsnießbrauch an den Ersatzimmobilien im Wege der Surrogation fortgesetzt. Den AB stehen daher AfA nur für den Gebäudeanteil der Ersatzimmobilien zu (nicht für die geltend gemachten Gesamtkosten einschließlich Grundstücksanteil). Der AfA-Satz beträgt lediglich 2 % nach § 7 Abs. 4 EStG. Ein höherer (an der Lebenserwartung der AB orientierter) AfA-Satz steht den AB nicht zu.

Sonstige Steuern

1. Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei Grundstückskauf von erschließungspflichtiger Gemeinde

Veräußert eine erschließungspflichtige Gemeinde ein Grundstück und übernimmt der Erwerber dabei die vertragliche Verpflichtung, für die zukünftige Erschließung des Grundstücks einen bestimmten Betrag zu zahlen, ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs regelmäßig nur das unerschlossene Grundstück.

Hintergrund

Mit notariellem Kaufvertrag erwarben die Eheleute von der erschließungspflichtigen Gemeinde ein unbebautes und nicht erschlossenes Grundstück. Der Vertrag nennt einen Gesamtpreis und splittet diesen in einen Teilbetrag für den Grund und Boden und einen weiteren Teilbetrag für die Erschließungskosten auf. Zu den Erschließungskosten heißt es in dem Vertrag, enthalten seien sämtliche bereits erbrachten und noch zu erbringenden Kosten der Ersterschließung.

Bei der Festsetzung der Grunderwerbsteuer legte das Finanzamt den Gesamtpreis (unter Einbeziehung der Erschließungskosten) zugrunde.

Das Finanzgericht wies die auf die Minderung der Bemessungsgrundlage um die Erschließungskosten gerichtete Klage ab. Der Kaufvertrag sei angesichts des einheitlichen Kaufpreises dahin auszulegen, dass die Gemeinde den Käufern das Grundstück in erschlossenem Zustand zu verschaffen habe.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und änderte den Grunderwerbsteuer-Bescheid dahin ab, dass die Erschließungskosten nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden. Bei der Übernahme der künftigen Erschießung zu einem bestimmten Betrag ist regelmäßig nur das unerschlossene Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs.

Dieses Verbot ergibt sich aus § 127 Abs. 1, § 132 BauGB. Dagegen verstoßende Vereinbarungen sind nichtig. Als Ausnahme hiervon können die Gemeinden mit den Eigentümern vor Entstehung der Beitragspflicht einen öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Ablösung des gesamten Erschließungsbeitrags schließen. Das wirksame Zustandekommen eines solchen Vertrags setzt die vollständige Ablösung des Erschließungsbeitrags vor Entstehen der Beitragspflicht voraus. Eine derartige Ablösungsabrede kann grundsätzlich mit einem Kaufvertrag verbunden werden, soweit sich die privatrechtlichen und die öffentlich-rechtlichen Elemente des Vertrags (Kaufpreis und Ablösungsbetrag) trennen lassen. Daraus ergibt sich im Gegenschluss, dass eine privatrechtliche Vereinbarung über die Ablösebeträge unzulässig ist. Andernfalls könnten durch Wahl der privatrechtlichen Handlungsform die Vorgaben des öffentlichen Rechts umgangen werden.

Zu den Auslegungsregeln gehört der Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung, d. h. einer Auslegung, die nicht zur Unwirksamkeit einer Vereinbarung führt. Ist das Auslegungsergebnis nicht eindeutig, ist daher nur die Auslegung interessengerecht, die die Nichtigkeit des angestrebten Vertrags vermeidet.

Im Streitfall ist der Vertrag insoweit nicht eindeutig als er einerseits einen Gesamtkaufpreis benennt und andererseits diesen in einen Teilbetrag für den Grund und Boden sowie einen Teilbetrag für die Erschließungskosten aufteilt. Dem Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung entsprechend ist die nicht eindeutige Vereinbarung so auszulegen, dass sie insgesamt so weit wie möglich wirksam ist. Dabei kann dahinstehen, ob die Ablösevereinbarung ihrerseits den öffentlich-rechtlichen Anforderungen genügt und wirksam geworden ist. Ist dies der Fall (Wirksamkeit der Ablösevereinbarung), besteht der Vertrag aus einem zivilrechtlichen und einem öffentlich-rechtlichen Teil. Im anderen Fall (Unwirksamkeit der Ablösevereinbarung) verbliebe es bei dem zivilrechtlichen Kaufvertrag über das unerschlossene Grundstück. In beiden Fällen ergibt sich die Bemessungsgrundlage aus dem Wert des Grundstücks.

Steuerrecht Arbeitnehmer

1. Grenzgänger: Was gilt bei 24-Stunden-Diensten?

Wenn sich bei Krankenhauspersonal regulärer Dienst und Rufbereitschaft lückenlos jeweils abwechseln, liegt ein mehrtägiger ununterbrochener Arbeitseinsatz vor, der als Einheit zu behandeln ist. Ob ein sog. Nichtrückkehrtag vorliegt, richtet sich dann allein nach der Rückkehr oder Nichtrückkehr am Ende des mehrtägigen Arbeitseinsatzes.

Hintergrund

Der Arzt A wohnte im Streitjahr 2014 in Deutschland. Neben seiner inländischen Tätigkeit war er 3 mal (für 4, 8 bzw. 22 Tage) als Vertreter eines Facharztes in einer Klinik in der Schweiz tätig.

Das Finanzamt sah A als Grenzgänger an und unterwarf die Einkünfte aus der nichtselbstständigen schweizerischen Vertretertätigkeit nach der Grenzgängerregelung (Art. 15a DBA-Schweiz) der deutschen Einkommensteuer.

Das Finanzgericht gab der hiergegen gerichteten Klage statt und wandte lediglich den Progressionsvorbehalt an. Der Status eines Grenzgängers scheide aus, da eine regelmäßige Rückkehr zum Wohnort wegen der großen Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort (207 km, Fahrzeit 3 bis 4 Stunden) unzumutbar sei. Deshalb komme es nicht darauf an, ob die vereinbarten 24-Stunden-Dienste zu einem Ausschluss schädlicher Nichtrückkehrtage geführt hätten.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und wies die Klage ab. Die in der Schweiz erzielten Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit sind nicht von der inländischen Besteuerung freigestellt. A war Grenzgänger i. S. d. Art. 15a DBA-Schweiz.

Das Finanzgericht hat fälschlich angenommen, die Voraussetzungen des Grenzgängerbegriffs seien schon wegen der großen Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort bzw. der Unzumutbarkeit einer Rückkehr nicht erfüllt. Denn der Grenzgängerbegriff ist in Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz unabhängig von örtlichen Voraussetzungen oder Grenzzonen definiert. Der Wortlaut des Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz erfordert die regelmäßige Rückkehr der Person an den Wohnort. Weiterhin wird bestimmt, unter welchen Voraussetzungen (für den Grenzgängerbegriff schädliche) sog. Nichtrückkehrtage vorliegen. Für eine örtliche Einschränkung als zusätzliches Tatbestandsmerkmal bestehen keine Anhaltspunkte. Die Frage, ob und inwieweit eine Rückkehr aufgrund der großen Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort zumutbar ist, können somit erst dann eine Rolle spielen, wenn es darum geht, ob eine (schädliche) Nichtrückkehr aufgrund der Arbeitsausübung i. S. d. Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz vorliegt.

Wechseln sich bei Krankenhauspersonal (wie im Streitfall) der reguläre Dienst und Rufbereitschaft lückenlos jeweils ab, liegt auch bei einer solchen mehrtägigen Tätigkeit ein ununterbrochener Arbeitseinsatz vor. Das führt dazu, dass der jeweilige mehrtägige Arbeitseinsatz als Einheit zu behandeln ist. Daraus folgt, dass es für die Zahl der (schädlichen) Nichtrückkehrtage allein auf die Rückkehr oder Nichtrückkehr am Ende des mehrtägigen Arbeitseinsatzes ankommt. Nach dem Anstellungsvertrag des A und einer Bescheinigung der Klinik ist davon auszugehen, dass A während seiner mehrtägigen Arbeitseinsätze in der Schweiz jeweils lückenlos 24-Stunden-Bereitschaftsdienste geleistet hat. Das führt dazu, dass sogar der sich über insgesamt 22 Tage erstreckende Einsatz des A als Einheit zu betrachten ist.

A ist jeweils am Ende seiner mehrtägigen Arbeitseinsätze (und damit “jeweils nach Arbeitsende” i. S. d. Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz) an seinen Wohnort zurückgekehrt. Dies führt dazu, dass im Streitfall bereits die Eingangsvoraussetzungen des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz DBA-Schweiz (Nichtrückkehr) nicht erfüllt sind. Somit liegt kein einziger Nichtrückkehrtag vor, der Anlass für eine weitere Prüfung geben könnte, ob die zulässige Anzahl (schädlicher) Nichtrückkehrtage überschritten wird und dadurch der Status als Grenzgänger entfällt.

Dass A nur im Streitjahr und nur an insgesamt 31 Tagen in der Schweiz gearbeitet hat, ist unerheblich. Diese Einschränkung lässt sich dem Grenzgängerbegriff nicht entnehmen. Der Grenzgängerbegriff setzt keine Mindestzahl an Grenzüberquerungen pro Woche oder Monat voraus. Dem steht § 7 der Deutsch-Schweizerischen Konsultationsverordnung v. 20.12.2020 nicht entgegen. Danach scheidet bei geringfügigen Arbeitsverhältnissen eine regelmäßige Rückkehr i. S. d. Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz aus, wenn sich der Arbeitnehmer nicht mindestens an 1 Tag pro Woche oder 5 Tagen pro Monat von seinem Wohnsitz an seinen Arbeitsort und zurückbegibt. Diese Regelung verstößt gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes (des DBA Schweiz) und wurde daher vom Bundesfinanzhof verworfen.

Steuerrecht Privatvermögen

1. Handelt es sich bei Wohnungsüberlassung bei Trennung der Eheleute um begünstigten Unterhalt?

Bei der unentgeltlichen Nutzungsüberlassung einer Wohnung an den geschiedenen oder dauerhaft getrennt lebenden Ehegatten handelt es sich um Naturalunterhalt, der in Höhe der ortsüblichen Miete als Sonderausgaben berücksichtigt werden kann.

Hintergrund

A und seine (nunmehr von ihm geschiedene) Ehefrau (B) waren im Jahr 2015 noch miteinander verheiratet, lebten aber dauernd getrennt. B und die beiden gemeinsamen Kinder bewohnten weiterhin bis zum Jahresende die bisherige Familienwohnung, die den Eheleuten hälftig gehörte.

Aufgrund einer Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung der Eheleute aus 2015 berücksichtigte das Finanzamt bei A für 2015 dessen Unterhaltsleistungen an B (Geld- und Sachlistungen) als Sonderausgaben. Der Einkommensteuer-Bescheid wurde bestandskräftig.

Im Jahr 2018 beantragte A die Änderung des Einkommensteuer-Bescheids unter Abzug höherer Unterhaltsleistungen. Für die Überlassung der (hälftigen) Wohnung sei nicht der in der Trennungsvereinbarung festgelegte Betrag (monatlich 400 EUR), sondern der tatsächliche Mietwert (818 EUR) anzusetzen. Dem Antrag beigefügt war eine familiengerichtliche Vereinbarung der Eheleute, in der B dem Realsplitting zugestimmt hatte.

Das Finanzamt und ihm folgend das Finanzgericht lehnten den Antrag mit der Begründung ab, die Eheleute hätten in der Trennungsvereinbarung eine mietsvertragsähnliche Regelung über die Nutzungsüberlassung für 400 EUR monatlich getroffen. Dieser Betrag sei auch steuerrechtlich maßgeblich.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof widerspricht dem Finanzgericht. Die Nutzungsüberlassung des Miteigentumsanteils des A an die B beruht nicht auf einer mietvertragsähnlichen Vereinbarung, sondern auf einer unentgeltliche Naturalunterhaltsleistung, die mit dem üblichen Mittelpreis des Verbrauchsorts anzusetzen ist.

Der Begriff “Unterhaltsleistungen” in § 10 Abs. 1a Nr. 1 Satz 1 EStG entspricht dem in § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG enthaltenen Begriff “Aufwendungen für den Unterhalt”. Danach sind Unterhaltsleistungen die typischen Aufwendungen zur Bestreitung der Lebensführung (z. B. Ernährung, Kleidung, Wohnung). Dabei kann der Unterhalt in Geld oder geldwerten Sachleistungen erbracht werden.

Der in der unentgeltlichen Wohnungsüberlassung liegende Naturalunterhalt ist für den Sonderausgabenabzug entsprechend § 15 Abs. 2 BewG mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsorts anzusetzen. Dadurch wird der Anspruch des Unterhaltsberechtigten auf Barunterhalt vermindert, sodass die Wohnungsüberlassung einer geldwerten Sachleistung (Ausgabe) gleichzusetzen ist. Die Wohnungsüberlassung unter gleichzeitiger Verminderung des Barunterhalts kürzt den Zahlungsweg der Unterhaltsleistungen ab.

Das Finanzgericht hat die Vereinbarung dahin gewürdigt, dass A seinen Miteigentumsanteil entgeltlich (“mietvertragsähnlich”) an B überlassen und deshalb keinen Naturalunterhalt geleistet habe. Dieser Auslegung widerspricht der Bundesfinanzhof. Sie verstößt gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln und bindet daher den Bundesfinanzhof nicht. Die Vereinbarung enthält weder wörtlich noch sinngemäß Anhaltspunkte für eine mietrechtliche Nutzungsüberlassung. Denn sie spricht von einem “Wohnvorteil” und nicht von einer “Wohnraumvermietung” und verwendet nicht die Begriffe “Miete” oder “Entgelt”. Zudem wäre bei einer mietvertragsähnlichen Vereinbarung der nachfolgende familienrechtliche Rechtsstreit über die Höhe des geleisteten Trennungsunterhalts nicht verständlich.

Das Finanzgericht hat die Ermittlung der ortsüblichen Miete für den überlassenen Miteigentumsanteil nachzuholen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass für den Vorteil aus der Überlassung einer Wohnung in der Trennungsphase von Ehegatten der Mietwert maßgeblich ist, den der Unterhaltsberechtigte auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine dem ehelichen Lebensstandard entsprechende angemessene kleinere Wohnung zahlen müsste. Würde der Wohnvorteil in Höhe des objektiven Mietwerts auf den Unterhaltsanspruch angerechnet, benachteiligte dies den Berechtigten. Eine Verwertung des Familienheims ist in der Trennungsphase nicht notwendig, da während dieser Phase eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft noch nicht ausgeschlossen ist. Neben der Ermittlung der ortsüblichen Miete ist auch zu berücksichtigen, ob und – bejahendenfalls – in welcher Höhe ein auf die beiden gemeinsamen Kinder entfallender Wohnvorteil bei der Beurteilung der abziehbaren Unterhaltsleistungen außer Betracht bleibt.

2. Kindergeld: Was passiert bei Terminversäumnis bei der Agentur für Arbeit?

Ein als arbeitsuchend gemeldetes Kind, das keine Leistungen von der Agentur für Arbeit bezieht und lediglich seiner allgemeinen Meldepflicht nicht nachkommt, begeht keine Pflichtverletzung, die zum Wegfall des Kindergeldes führt.

Hintergrund

Die Tochter des Klägers hatte zum 1.5.2016 eine Ausbildung zur Altenpflegerin aufgenommen, die bis zum 30.4.2019 dauern sollte. Das Ausbildungsverhältnis wurde jedoch bereits am 3.11.2016 durch die Kündigung des Kindes wegen einer problematischen Schwangerschaft beendet. Die Familienkasse wurde über den Abbruch der Berufsausbildung nicht in Kenntnis gesetzt.

Am 15.1.2020 beantragte der Kläger die weitere Gewährung von Kindergeld, da die Tochter ab 4.11.2016 ohne Beschäftigung und bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend gemeldet sei. Die Familienkasse forderte den Kläger auf, Unterlagen für die Zeit ab Abbruch der Berufsausbildung bis April 2019 sowie eine Bestätigung über die Meldung des Kindes als arbeitsuchend vorzulegen. Da diese Nachweise nicht vorgelegt wurden, hob die Familienkasse die Festsetzung von Kindergeld für die Monate Januar 2017 bis April 2019 auf und forderte das gezahlte Kindergeld zurück. Mit seiner Klage begehrt der Kläger das Kindergeld für Januar 2017 bis April 2019 zu gewähren, da die Tochter sich unmittelbar nach Beendigung der Ausbildung bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend gemeldet habe.

Entscheidung

Das Finanzgericht hat entschieden, dass der Kläger für die Monate Januar 2017 bis Juni 2017 einen Anspruch auf Kindergeld für seine Tochter als arbeitsuchend gemeldetes Kind hat, da die im Juni 1996 geborene Tochter in diesem Zeitraum noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hatte, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand und bei einer Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender gemeldet war. Für die Monate Juli 2017 bis April 2019 kommt eine Berücksichtigung der Tochter des Klägers als arbeitsuchendes Kind dagegen nicht in Betracht, da dies schon deshalb ausscheidet, weil die Tochter des Klägers im Juni 2017 ihr 21. Lebensjahr vollendet hatte.

Da die Verletzung der vom Arbeitsuchenden zu beachtenden allgemeinen Meldepflicht nicht ohne Weiteres zur Einstellung der Vermittlung führt, war im Streitfall die Tochter als arbeitsuchend zu behandeln, was zur Gewährung des Kindergeldes für die Monate Januar 2017 bis Juni 2017 führte.

3. Negative Einkünfte der unterhaltenen Person mindern nicht BAföG-Zuschüsse

Machen Eltern Unterhalt steuerlich geltend, sind BAföG-Leistungen voll gegenzurechnen. Negative Einkünfte wirken sich dabei nicht steuermindernd aus.

Hintergrund

Während ihres Studiums wohnte die Tochter am Studienort in einer Wohnung, die ihren Eltern gehörte. Zusätzlich zu BAföG-Zahlungen i. H. v. 4.020 EUR verdiente sich die Studentin im Jahr 2017 Arbeitslohn i. H. v. 1.830 EUR hinzu. In ihrer eigenen Steuererklärung machte sie jedoch Werbungskosten i. H. v. 2.180 EUR geltend, sodass sich schließlich 350 EUR als negative Einkünfte ergaben.

Gleichzeitig machten die Eltern in ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2017 Unterhaltsleistungen von 9.920 EUR geltend. Diese setzten sich aus dem Höchstbetrag von 8.820 EUR für Sachleistungen, wie die Überlassung der Wohnung und Unterstützung bei Lebensmitteln, Kleidung und Hausrat sowie 1.100 EUR für die Übernahme der Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung, zusammen. Dabei berücksichtigten sie die von ihrer Tochter erhaltenen Zahlungen aus der Ausbildungshilfe nicht steuermindernd und begründeten dies mit den höheren entstandenen Kosten.

Das zuständige Finanzamt erkannte die angesetzten Kosten für doppelte Haushaltsführung nicht an. Stattdessen zog der Sachbearbeiter von den erhaltenen BAföG-Leistungen eine Pauschale von 180 EUR ab und verrechnete den verbleibenden Betrag mit den Unterhaltsleistungen. Als abzugsfähig verblieb demnach ein Betrag von 6.079 EUR. Gegen die Entscheidung klagten die Eltern vor dem Finanzgericht. Dort erreichten sie, dass die negativen Einkünfte der Tochter mit dem BAföG verrechnet wurden, was den steuerlich abziehbaren Unterhalt entsprechend erhöhte.

Entscheidung

Anders bewertete der Bundesfinanzhof den Fall. Demnach mindern die negativen Einkünfte i. H. v. 350 EUR nicht die auf die Unterhaltsleistungen anzurechnenden Zuschüsse aus dem BAföG. Während grundsätzlich auch in Zusammenhang mit Unterhaltsleistungen die Summe der Einkünfte zu ermitteln und Verluste gegenzurechnen sind, gilt dies nicht für Ausbildungszuschüsse. Denn das Einkommensteuerrecht unterscheidet zwischen Einkünften und Bezügen auf der einen Seite und Ausbildungsbeihilfen auf der anderen Seite.

Im Gegensatz zu Einkünften und Bezügen sind Zuschüsse zur Ausbildung voll anzurechnen. Auf diese Weise wird eine doppelte staatliche Förderung vermieden. Diese würde sich ergeben, wenn der Staat Hilfen leistet und gleichzeitig diese als steuerliche Entlastung anerkennen würde.

4. Wann ist eine Schenkung auf den Todesfall unwirksam?

Bei einer Schenkung auf den Todesfall sollte auf eine notarielle Beurkundung nicht verzichtet werden. Andernfalls besteht ein erhebliches Risiko, dass die beabsichtigte Zuwendung an den Begünstigten ins Leere läuft.

Hintergrund

Ein Freund wollte seiner mit ihm näher verbundenen Bekannten eine Zuwendung als finanzielle Absicherung für den Fall seines Todes zukommen lassen. Er hatte eine Lebensversicherung abgeschlossen und den Versicherer angewiesen, nach seinem Tod den fälligen Auszahlungsbetrag der nach Riester-Regeln abgeschlossenen Lebensversicherung an seine Bekannte auszuzahlen. Die Freundin selbst war über diesen Sachverhalt nicht informiert.

Nach dem Tode des Versicherten erfuhren die Erben vom Abschluss der Lebensversicherung und erklärten gegenüber der Freundin und der Versicherung den Widerruf der Zuwendung. Dennoch zahlte die Lebensversicherung den Lebensversicherungsbetrag an die Freundin des Verstorbenen aus.

Die Erben forderten die Rückzahlung des Auszahlungsbetrags von der Begünstigten. Da diese die geforderte Erstattung verweigerte, reichten die Erben Klage ein.

Entscheidung

Mit ihrer Klage hatten die Erben Erfolg. Das Landgericht sprach ihnen einen Anspruch auf Rückübertragung aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung gem. § 812 BGB zu. Nach Auffassung des Gerichts hatte die Beklagte die Zahlungen der Versicherung ohne Rechtsgrund erlangt.

Das Gericht stellte klar, dass die Beklagte die Rückzahlung gegenüber den Erben nur dann verweigern könnte, wenn sie die Leistungen der Versicherung mit Rechtsgrund erhalten hätte. Als Rechtsgrund für die Leistung komme ein Schenkungsvertrag in Betracht. Ein solcher Schenkungsvertrag setze ein Schenkungsangebot sowie dessen Annahme durch die Beschenkte voraus.

Die Tatsache, dass die Beklagte von ihrem Freund zu Lebzeiten über die Zuwendung der Leistungen aus der Lebensversicherung nicht informiert wurde, steht nach Auffassung des Landgerichts der Annahme eines Schenkungsvertrags zu Lebzeiten entgegen, da die Beklagte zu Lebzeiten das Schenkungsangebot nicht angenommen habe und mangels Kenntnis auch nicht habe annehmen können.

Die von dem Schenkenden mit der Lebensversicherung getroffene Abrede, die Leistungen aus der Lebensversicherung an die Beklagte auszuzahlen, beinhaltet nach der Bewertung des Gerichts einen Auftrag des Schenkenden an die Versicherung, das Schenkungsangebot nach seinem Tod an die Beschenkte zu übermitteln. Durch Annahme dieses Angebots durch die Beschenkte, könne der Vertrag auf diese Weise nach dem Tode des Schenkers grundsätzlich noch wirksam zustande kommen.

Zu berücksichtigen ist nach Auffassung des Landgerichts in diesem Fall allerdings die Vorschrift des § 130 Abs. 1 BGB. Gem. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB wird eine in Abwesenheit des Erklärungsempfängers abgegebene Willenserklärung in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie diesem zugeht. Gemäß § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB wird die Willenserklärung nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht. Im konkreten Fall scheiterte der Schenkungsvertrag daran, dass die Erben die Schenkung vor Zugang des von der sich Versicherung übermittelten Schenkungsangebots gem. § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB wirksam widerrufen hatten.

Demgemäß kam als Behaltensgrund für die Beklagte nur noch der Rechtsgrund eines wirksam abgegebenen Schenkungsversprechens in Betracht. Gem. § 518 Abs. 1 Satz 1 BGB bedarf ein Schenkungsversprechen zu seiner Rechtswirksamkeit jedoch der notariellen Beurkundung. An einer solchen Beurkundung fehlte es im entschiedenen Fall. Gem. § 518 Abs. 2 BGB ist zwar eine Heilung des Formmangels durch Bewirkung der versprochenen Leistung möglich, eine solche Heilung scheiterte aber an dem vor Leistungserbringung durch die Versicherung seitens der Erben erklärten Widerruf.

Im Ergebnis hatte die Beklagte die Leistungen aus der Lebensversicherung daher ohne Rechtsgrund erlangt. Die seitens des Schenkenden beabsichtigte Zuwendung an seine Bekannte war damit unwirksam und von dieser an die Erben zurückzugeben.

5. Wiedereinsetzung: Was gilt bei Fehl-Adressierung einer E-Mail durch einen Boten?

Setzt ein Steuerpflichtiger eine Hilfsperson ein, ist deren Verschulden hinsichtlich der Versäumung der Einspruchsfrist nicht dem Steuerpflichtigen zuzurechnen. Das gilt auch, falls die Hilfsperson eine E-Mail-Adresse fehlerhaft überträgt und der Einspruch deshalb nicht rechtzeitig ankommt.

Hintergrund

Die Familienkasse hat die Kindergeldfestsetzung gegenüber der Mutter für den Sohn (S) am 2.6.2021 aufgehoben und den überzahlten Betrag von 7.434 EUR zurückgefordert. Am 20.7.2021 ging ein Einspruch der Mutter per E-Mail bei der Familienkasse ein. Diese E-Mail war von dem jüngeren Sohn der Mutter abgesandt worden. Hierin heißt es: “Wiederholt hatte ich versucht, sie per E-Mail zu kontaktieren und die Immatrikulationsbescheinigung fristgerecht zu senden. Hiermit sende ich Ihnen die Unterlagen und noch einen Screenshot der E-Mail vom 2.7.2021, die ich fristgerecht mit den Unterlagen gesendet hatte und lege wiederholt Einspruch auf die Forderung ein.”

Der Screenshot mit dem Betreff “Einspruch auf die Rechnung vom 2.6.2021” hatte folgenden Inhalt: “Hiermit reiche ich ihnen einen Einspruch ein zu der Rechnung von 7.434 EUR. Die Begründung für den Einspruch ist, dass ich (Sohn S) keine Exmatrikulation bekommen habe, sondern weiter studiere an derselben Uni. Anbei sende ich meine gesamten Immatrikulationsbescheinigungen. Mit freundlichen Grüßen, S”.

Nach Anhörung zum Grund des Fristversäumnisses erläuterte die Mutter, sie sei zunächst davon ausgegangen, dass die E-Mail vom 2.7.2021 angekommen sei. Auf zeitnahe telefonische Nachfrage habe sie erfahren, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Sie habe eine Woche warten müssen, da die Wartezeit, bis eine E-Mail bei der Familienkasse ankomme, eine Woche betragen könne. Man habe ihr empfohlen, die E-Mail einfach durch Weiterleiten erneut an die Familienkasse zu senden.

Nach einer erneuten Wartezeit von einer Woche habe sich bei einem weiteren Telefonat herausgestellt, dass die E-Mail wieder nicht angekommen sei. Erst daraufhin sei ein Tippfehler in der E-Mail-Adressierung aufgefallen. Die Familienkasse verwarf den Einspruch als unzulässig. Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren. Die Mutter habe sich eine Versäumnis des beauftragten S zurechnen zu lassen. Es liege im Verantwortungsbereich der Mutter, die E-Mail ohne Schreibfehler in der Adressierung an die Familienkasse zu versenden. Das Risiko einer fehlgeschlagenen Übermittlung trage der Absender.

Entscheidung

Das Finanzgericht hat entschieden, dass die Mutter einen Anspruch auf Aufhebung der Einspruchsentscheidung hat, denn die Familienkasse habe den Einspruch zu Unrecht als unzulässig verworfen. Nach § 110 Abs. 1 AO sei auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert gewesen sei, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Das Verschulden eines Vertreters sei dem Vertretenen zuzurechnen.

Vertreter könne neben dem gesetzlichen Vertreter auch ein gewillkürter Vertreter sein. Erforderlich sei aber, dass die Person mit der Vornahme der fristwahrenden Handlung mit eigener Entscheidungsbefugnis im entsprechenden ihm zugewiesenen Aufgabenbereich tätig werden solle.

Ziehe ein Beteiligter zur Unterstützung bei der Fristwahrung Hilfspersonen ohne eigene Entscheidungsbefugnis zu, so sei deren Verschulden dem Beteiligten nicht zuzurechnen. Insoweit könne ein eigenes Verschulden des Steuerpflichtigen lediglich dann angenommen werden, wenn er eine für die konkrete Aufgabe erkennbar ungeeignete Hilfsperson hinzugezogen oder wenn er die Hilfsperson unzureichend unterwiesen oder beaufsichtigt habe.

S sei demnach lediglich als Hilfsperson ohne eigene Entscheidungsbefugnis eingesetzt gewesen. Die Klägerin habe ihn gebeten, sämtliche Immatrikulationsbescheinigungen an die Familienkasse zu übersenden. Dabei habe sie ihm gerade nicht die Entscheidung überlassen, ob und ggf. inwieweit hier Einspruch eingelegt werden sollte. Er sollte lediglich die ohnehin bei ihm befindlichen Immatrikulationsunterlagen an die Familienkasse senden. Die Entscheidung, dass sich die Klägerin gegen den Bescheid vom 2.6.2021 wenden wollte und welche Unterlagen sie zur Begründung vorlegen wolle, habe die Klägerin allein getroffen. Auch habe die Klägerin entschieden, dass die Unterlagen an die Familienkasse gesandt werden sollten. Lediglich die Ausführung habe sie überlassen. Dabei habe die Klägerin auch die konkrete Formulierung der E-Mail dem S überlassen.

Da die Klägerin mit S eine geeignete Hilfsperson ausgewählt und diesen ordnungsgemäß unterwiesen und überwacht habe, sei ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Steuerrecht Unternehmer

1. Absetzungen für Substanzverringerung durch eine KG nach Erwerb vom Kommanditisten

Ein zur Inanspruchnahme von Absetzungen für Substanzverringerung berechtigender Anschaffungsvorgang liegt auch dann vor, wenn eine Personengesellschaft einen Bodenschatz entgeltlich von ihrem Gesellschafter erwirbt und das Veräußerungsgeschäft einem Fremdvergleich standhält.

Hintergrund

H ist an der KG neben der Komplementärin (V-GmbH) als einziger Kommanditist beteiligt. Die KG betreibt die Erschließung und die Verwertung von Kiesvorkommen.

H veräußerte der KG ein in seinem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen befindliches Grundstück sowie eine noch zu vermessende Fläche auf weiteren, ebenfalls zu seinem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehörenden Grundstücken einschließlich des enthaltenen Kiesvorkommens.

Das Finanzamt versagte der KG die für das Kiesvorkommen vorgenommenen Absetzungen.

Das Finanzgericht gab der hiergegen erhobenen Klage statt. Der Erwerb des Kiesvorkommens durch die KG von ihrem Kommanditisten H sei als Vertrag zwischen Personengesellschaft und Gesellschafter anzuerkennen. Die Vereinbarungen seien fremdüblich. Es sei nicht erforderlich gewesen, Regelungen für eine Versagung der Abbaugenehmigung oder eine Anpassung des Kaufpreises für den Fall vorzusehen, dass die tatsächliche Menge des Kiesvorkommens von der in dem Vertrag angenommenen Menge abweiche.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und wies die Klage ab. Das Finanzgericht hat zwar zutreffend entschieden, der Inanspruchnahme von Absetzungen für Substanzverringerung stehe nicht entgegen, dass die KG das Kiesvorkommen von ihrem Gesellschafter H erworben hat. Das Finanzgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, der Erwerb durch die KG entspreche den Kriterien der Fremdüblichkeit.

Grund und Boden einerseits und ein darin als Bodenschatz enthaltenes Kiesvorkommen andererseits stellen steuerrechtlich 2 selbstständige und gleichwertig nebeneinander bestehende Wirtschaftsgüter dar, die auch verschiedenen Vermögenssphären angehören können. Der Bodenschatz erlangt steuerrechtlich die Eigenschaft als selbstständiges Wirtschaftsgut, wenn mit seiner Aufschließung (etwa durch Stellen eines Antrags auf Genehmigung) oder seiner Verwertung (etwa durch Veräußerung) begonnen wird.

Die Vornahme von Absetzungen für Substanzverringerung ist an das Vorliegen von Anschaffungs- oder Herstellungskosten geknüpft. Absetzungen für Substanzverringerung scheiden daher aus, wenn weder der Steuerpflichtige noch ein anderer Anschaffungskosten getragen hat. Dementsprechend ist ein im Privatvermögen entdecktes Kiesvorkommen bei Einlage in ein Betriebsvermögen zwar mit dem Teilwert anzusetzen. Beim Abbau dürfen Absetzungen für Substanzverringerung jedoch nicht vorgenommen werden. Demgegenüber liegt ein die Berechtigung zu Absetzungen für Substanzverringerung begründender Anschaffungsvorgang vor, wenn eine Personengesellschaft einen Bodenschatz entgeltlich von ihrem Gesellschafter erwirbt. Die Übertragung ist allerdings nur dann als Veräußerung durch den Gesellschafter und als Anschaffung durch die Gesellschaft – und nicht als Einlage – zu werten, wenn sich der Vorgang wie eine im Geschäftsverkehr zwischen fremden Dritten übliche Veräußerung von einem Rechtssubjekt an ein anderes Rechtssubjekt darstellt.

Hiervon ausgehend wäre die KG aufgrund der Anschaffung des Kiesvorkommens zur Vornahme von Absetzungen für Substanzverringerung berechtigt, wenn der zwischen ihr und H geschlossene Kaufvertrag steuerrechtlich anzuerkennen wäre. Dies ist jedoch – entgegen der Auffassung des Finanzgerichts – aufgrund fremdunüblicher Umstände nicht der Fall:

Die dargelegten Vollzugsmängel betreffen die Kaufpreiszahlung und den Besitzübergang und damit die Hauptpflichten der Vertragsbeteiligten. Sie greifen erheblich zulasten des H in die vereinbarte Risikoverteilung ein. Denn während der Abbau erst nach vollständiger Kaufpreiszahlung vorgesehen war, erfolgte dieser tatsächlich bereits unmittelbar nach Vertragsschluss, ohne dass die KG zu diesem Zeitpunkt irgendwelche Zahlungen auf den Kaufpreis erbracht hatte. Eine solche Vertragsdurchführung kann nicht als fremdüblich angesehen werden. Der Vertrag ist daher steuerlich nicht anzuerkennen. Auf die Frage, ob die getroffenen Vereinbarungen inhaltlich einem Fremdvergleich standhalten, kommt es nicht mehr an.

2. Bei Bösgläubigkeit des Erwerbers besteht kein Anspruch auf Vorsteuerabzug

Wusste der Erwerber oder hätte er wissen müssen, dass er mit seinem Erwerb an Lieferungen mit Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist, ist der Erwerber als ein an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen. Ein Antrag auf Auszahlung der Vorsteuern kann hier versagt werden.

Hintergrund

Die antragstellende Großhändlerin handelte seit April 2019 in großem Umfang erstmals mit der Marke D, die sie seit September 2019 vornehmlich von dem Lieferanten E kaufte. Mit dem Verkauf der Ware an D ins Ausland tätigt die Antragstellerin steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen und Ausfuhrlieferungen. Dies führt für die Antragstellerin zu hohen Vorsteuerüberschüssen aus den Rechnungen der E. Das Finanzamt verweigerte die Auszahlung der Vorsteuerüberschüsse, da die Antragstellerin in ein betrügerisches Umsatzsteuerkarussell mit D eingebunden sei.

Entscheidung

Nach Auffassung des Finanzgerichts ist der Antrag der Antragstellerin auf Auszahlung der Vorsteuern unbegründet. Der Vorsteuerabzug ist zu versagen, wenn der Unternehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Leistungsbezug an einem Umsatz beteiligt, bei dem der Leistende oder andere Beteiligte auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe in eine begangene Hinterziehung von Umsatzsteuer oder Erlangung eines nicht gerechtfertigten Vorsteuerabzugs i. S. d. § 25 f UStG einbezogen waren. § 25 f UStG setzt die Rechtsprechung des EuGH zur Versagung des Vorsteuerabzugs in Fällen des Umsatzsteuerbetrugs insbesondere in Form von Ketten- oder Karussellgeschäften um. Trifft jedoch der Unternehmer alle Maßnahmen, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen sind, darf ihm der Vorsteuerabzug nicht versagt werden.

Liegen Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung vor, kann ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer nach den Umständen des konkreten Falls verpflichtet sein, über einen anderen Wirtschaftsteilnehmer, von dem er Leistungen zu erwerben beabsichtigt, Auskünfte einzuholen, um sich von dessen Zuverlässigkeit zu überzeugen. Die Finanzbehörden können jedoch von dem den Vorsteuerabzug begehrenden Unternehmer nicht generell verlangen zu prüfen, ob der Aussteller der maßgeblichen Rechnung Unternehmer ist, ob er die fraglichen Gegenstände liefern konnte und ob er seinen umsatzsteuerlichen Pflichten beim Finanzamt nachgekommen ist. Die Feststellungslast für die Bösgläubigkeit des Leistungsempfängers trägt die Finanzbehörde.

Bei Entscheidung über den vorläufigen Rechtsschutzantrag lagen glaubhaft hinreichend objektive Umstände dafür vor, dass die E offenbar bereits seit Beginn der Geschäftsbeziehungen zur Antragstellerin an umsatzsteuerlichen Betrugsketten im Handel mit D beteiligt war. In diese war die Antragstellerin mit ihrem Leistungsbezug von E eingebunden. Dies hätte der Geschäftsführer der Antragstellerin wissen müssen. So verzeichnete die L, die “Vorlieferantin” von E, nach bisher eher unauffälligen Umsätzen im 4. Quartal 2019 plötzlich sehr hohe Umsätze. Gleichzeitig stellte sie von einem Monat auf den anderen ihre Handelsgeschäfte in einem großen Umfang auf den damaligen marktunerfahrenen Brancheneuling E um. Auch die festgestellten Liefer- und Zahlungsmodalitäten sind ein für betrügerische Lieferketten typisch. So lieferte L die Ware mit Zahlungsziel an die E. Auch musste die E die Ware nicht Zug um Zug, sondern erst nach Eingang der Zahlungen ihrer Abnehmer bezahlen, ohne dass jegliche Sicherheiten zu stellen waren.

Ein weiteres Merkmal für eine betrügerische Lieferkette ist die “Preisgestaltung” für den Handel mit den D. Hier hat die L für den Weiterverkauf einen Preisaufschlag von 3 bis 5 % vorgeschlagen. Letztendlich ist gerade die Ausgestaltung der Warentransporte (Einsatz eines Logistikunternehmens, bei dem die Ware gelagert wurde; Durchreichen der Ware von L über E an deren Abnehmer aufgrund von Freigaben nach Zahlungseingang; Zahlungsabwicklung über die Zahlungsplattform ausländischer Zahlungsdienstleisters durch L und E) ein weiteres Indiz für das Zusammenwirken der L und der E in einer betrügerischen Lieferkette.

Nach Überzeugung des Finanzgerichts hätte der Geschäftsführer der Antragstellerin wissen müssen, dass diese mit ihren Erwerben von der E in betrügerische Lieferketten einbezogen war. So entdeckte die Antragstellerin Ende Juni 2020 bei der Prüfung der Seriennummern auf den gelieferten Masterboxen und Einzelverpackungen der D, dass E wiederholt die Ware D angeboten hat, die schon einmal von der Antragstellerin gehandelt worden waren. Bereits zu diesem Zeitpunkt musste den Verantwortlichen der Antragstellerin bewusst sein, dass ein solcher Warenkreislauf bei Vorliegen üblicher Marktverhältnisse nicht erklärbar ist. Üblicherweise steigt der Preis mit jeder weiteren Stufe und dieselbe Ware kann nicht nochmals zum identischen oder gar niedrigeren Preis auf der vorgelagerten Handelsstufe verkauft werden.

3. Ist die Supervision in pflegenden und betreuenden Berufen umsatzsteuerfrei?

Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL erfasst auch Unterrichtseinheiten, die sich auf Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung beziehen. Die Anforderungen, die der EuGH an die Steuerfreiheit des Schul- und Hochschulunterrichts stellt, gelten hierfür nicht. Umsätze einer Supervisorin können nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL steuerfrei sein.

Hintergrund

A ist als Supervisorin für verschiedene Auftraggeber u. a. aus den Bereichen der Wohlfahrtspflege und Jugendhilfe tätig. Ihre Leistung gegenüber den Auftraggebern besteht darin, für die Teilnehmer an ihren Veranstaltungen, d. h. für die Arbeitnehmer ihrer Auftraggeber, Handlungsempfehlungen für den umsichtigeren Umgang mit den beruflichen Alltagsproblemen zu erarbeiten.

Das Finanzamt ging davon aus, die Supervisionsleistungen seien weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht steuerfrei.

Das Finanzgericht gab der Klage statt. Die Supervisionsleistungen seien nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL steuerfrei. Insbesondere erbringe A Unterrichtstätigkeiten im Rahmen von Schul- und Hochschulunterricht. Sie habe ihre Tätigkeit auch als Privatlehrerin i. S. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL ausgeübt.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof bestätigt die Auffassung des Finanzgerichts, dass Supervisionsleistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL von der Umsatzsteuer befreit sind. A erfüllt sowohl die leistungsbezogenen als auch die unternehmerbezogenen Voraussetzungen des Befreiungstatbestands. Die Revision des Finanzamts wurde daher als unbegründet zurückgewiesen.

Unstreitig kommt eine Steuerfreiheit nach nationalem Recht nicht in Betracht. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG scheitert am Bescheinigungserfordernis und § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG an den dort aufgeführten unternehmerbezogenen Voraussetzungen. Ebenso kommt eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 UStG nicht in Betracht, da die Supervisionsleistungen keine Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sind. Dafür reicht es nicht aus, wenn bei Supervisionen auch bei Heilbehandlungen eingesetzte Methoden angewandt werden und diese auch der gesundheitlichen Prophylaxe dienen können.

A erfüllt die leistungsbezogenen Befreiungsvoraussetzungen. Die Steuerfreiheit erfasst nach der EuGH-Rechtsprechung “Unterrichtseinheiten, die von Unterrichtenden … erteilt werden und sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen”, wobei diese Unterrichtseinheiten “die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden an Schüler oder Studierende im Rahmen einer Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit einschließen”. Es besteht zudem keine Beschränkung auf Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung oder zur Erlangung einer Qualifikation führt oder der eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt. Vielmehr kann der Unterricht auch andere Tätigkeiten einschließen. Dementsprechend hat der Bundesfinanzhof bereits ausdrücklich entschieden, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL auch Unterrichtseinheiten erfasst, die sich auf Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung beziehen, so dass auch Supervisionsleistungen steuerfrei sein können.

A hat Sozialarbeiter, Sozialpädagogen sowie andere in der Pflege tätige Arbeitnehmer im Auftrag deren Arbeitgeber in ihrer eigenen Handlungskompetenz insbesondere gegenüber den jeweiligen Klienten geschult und weiterentwickelt. Gegenstand war die Vermittlung im beruflichen Alltag erforderlicher Kompetenzen, nicht die Lösung persönlicher Probleme der Teilnehmer im Sinne einer Therapie. Ziel der Tätigkeit der A war an erster Stelle das gemeinsame Erarbeiten von Lösungen und Handlungsmustern, die dazu befähigen sollten, künftig im beruflichen Umfeld auftretende Schwierigkeiten selbst oder gegenseitig kollegial zu überwinden. Die Leistungen der A bezogen sich damit nicht auf Veranstaltungen mit bloßem Freizeitcharakter. Dafür spricht auch, dass Auftraggeber der A nicht die Teilnehmer der Veranstaltungen selbst, sondern deren Arbeitgeber waren.

Der Unterricht wird unternehmerbezogen von einem Privatlehrer i. S. v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL erteilt, wenn der Lehrer Träger der Bildungseinrichtung ist und für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelt. Danach war die A auch als “Privatlehrerin” i. S. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL tätig. Denn sie handelte für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung. Sie war auch Trägerin der Bildungseinrichtung, da es ihren Auftraggebern um die Aus- und Fortbildung des eigenen Personals ging. A war Träger der Bildungseinrichtung, an der die Fortbildungsmaßnahmen erbracht wurden.

4. Korrektur eines unrechtmäßigen Betriebsausgabenabzugs: Wem wird der Mehrgewinn zugerechnet?

Ein Mehrgewinn, der aus der Korrektur nicht betrieblich veranlasster Betriebsausgaben stammt und im laufenden Gesamthandsgewinn enthalten ist, ist bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung abweichend vom allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen, wenn die zugrundeliegenden Aufwendungen ausschließlich einem Mitunternehmer zugutegekommen sind.

Hintergrund

A und B betrieben ein Ingenieurbüro als GbR mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG. Sie waren jeweils hälftig am Gewinn beteiligt.

Im Jahr 2020 kündigte A das Gesellschaftsverhältnis fristlos und schied aus der GbR aus. Sein Anteil wuchs dem B an. B hatte private Aufwendungen (z. B. Anschaffung privat verwendeter Gegenstände, insgesamt rund 14.000 EUR) ohne Zustimmung des A aus Gesellschaftsmitteln gezahlt.

Das Finanzamt sah die für private Zwecke des B bestrittenen Aufwendungen als nicht betrieblich veranlasst an. Es erhöhte die festgestellten laufenden Einkünfte der GbR um 14.000 EUR und rechnete den Gewinn A und B jeweils hälftig zu.

Die Klage, mit der sich A gegen diese hälftige Verteilung wandte, wies das Finanzgericht ab. Eine abweichende Gewinnverteilung komme nicht in Betracht, da etwaige Ausgleichsansprüche des A durchsetzbar wären.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und gab der Klage statt. Entgegen der Auffassung des FG ist der laufende Gesamthandsgewinn der GbR in Höhe des streitigen Betrags (14.000 EUR) allein dem B zuzurechnen und nur der Restgewinn nach dem Gewinnverteilungsschlüssel hälftig zu verteilen. Die alleinige Zurechnung des Mehrgewinns an B hängt nicht davon ab, dass ein Ersatzanspruch der GbR gegen B im Streitjahr nicht durchsetzbar war. Es genügt, dass die dem Mehrgewinn zugrundeliegenden nicht betrieblich veranlassten Aufwendungen ausschließlich dem B zugutegekommen sind.

Haben zu Unrecht als Betriebsausgaben abgezogene Ausgaben nach dem Gewinnverteilungsschlüssel zunächst sämtliche Gesellschafter entlastet, muss ein Mehrgewinn aus der späteren Nichtanerkennung des Betriebsausgabenabzugs grundsätzlich nach dem Gewinnverteilungsschlüssel auf alle Gesellschafter verteilt werden. Die Rückabwicklung des ungerechtfertigten steuermindernden Abzugs ist so vorzunehmen, dass die geltend gemachten Ausgaben im Ergebnis bei keinem der Gesellschafter in irgendeiner Form steuermindernd berücksichtigt werden.

Als Ausnahme hiervon können bei Personengesellschaften mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG Einnahmen und Mehrgewinne aus der Korrektur eines ungerechtfertigten Betriebsausgabenabzugs allein demjenigen Mitunternehmer zuzurechnen sein, dem die Einnahmen und Aufwendungen ausschließlich zugutegekommen sind. Denn kein Steuerpflichtiger hat ein Einkommen zu versteuern, das tatsächlich einem anderen zugeflossen ist. Daher sind Einnahmen, die ein Mitunternehmer auf sein eigenes Konto umleitet, nur diesem Gesellschafter als Sonderbetriebseinnahmen zuzurechnen. Entsprechend sind Mehrgewinne aus der Korrektur von zu Unrecht als Betriebsausgaben behandelten Aufwendungen, die nur einem Mitunternehmer zugutegekommen sind, ebenfalls nur diesem Mitunternehmer zuzurechnen. Die Besteuerung hat sich in diesen Fällen danach zu richten, was im Gewinnermittlungszeitraum tatsächlich geschehen ist.

Mit der Sonderbetriebseinnahme des die Einnahmen verkürzenden Mitunternehmers kann zwar ein Ersatzanspruch der Mitunternehmerschaft gegen diesen Mitunternehmer korrespondieren. Die Durchsetzbarkeit dieses Anspruchs beeinflusst jedoch (bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG) nicht die vom Gewinnverteilungsschlüssel abweichende Zurechnung der verkürzten Einnahmen bei diesem Mitunternehmer. Denn ein Gewinn bei der Gesellschaft kann erst entstehen, wenn der Ersatzanspruch vom Schädiger tatsächlich erfüllt wird.

Das gilt entsprechend für die Zurechnung eines Mehrgewinns, der auf Ebene der Mitunternehmerschaft aufgrund der Korrektur zu Unrecht geltend gemachter Betriebsausgaben entsteht, die ausschließlich einem Mitunternehmer zugutegekommen sind. Auch hier hängt die vom allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel abweichende Zurechnung bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht davon ab, dass im Jahr der Verausgabung ein uneinbringlicher Ersatzanspruch gegen den begünstigten Mitunternehmer vorliegt. Denn wenn ein Ersatzanspruch der Gesellschaft nicht erfüllt wird, hat sich die Besteuerung danach zu richten, was tatsächlich geschehen ist. Der als Teil des laufenden Gesamthandsgewinns zu erfassende Mehrgewinn ist demjenigen Mitunternehmer zuzurechnen, dem die von der Gesellschaft getragenen Ausgaben ausschließlich zugutegekommen sind. Ein etwaiger Ersatzanspruch der Gesellschaft ist erst zu berücksichtigen, wenn er erfüllt wird.

5. Sind die Säumniszuschläge verfassungsgemäß?

Bei summarischer Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge.

Hintergrund

Die A-GmbH entrichtete die Lohnsteuer und die Umsatzsteuer für Juli 2021 (fällig zum 10.8.2021) erst am 20.8.2021. Die für den angefangenen Monat berechneten Säumniszuschläge von 1 % (28 EUR zur Lohnsteuer und 14 EUR zur Umsatzsteuer) beglich sie nicht.

Gegen den entsprechenden Abrechnungsbescheid legte A Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Das Finanzamt stellte das Einspruchsverfahren ruhend und lehnte die AdV ab.

Hierauf beantragte A die AdV beim Finanzgericht. Dieses gab dem Antrag statt und setzte die Vollziehung des Abrechnungsbescheids bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung aus.

Das Finanzgericht vertrat die Auffassung, dass die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge wegen des darin enthaltenen Zinsanteils ernstlich zweifelhaft erscheine.

Gegen die AdV des Abrechnungsbescheids durch das Finanzgericht wandte sich das Finanzamt mit der Beschwerde zum Bundesfinanzhof.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof gab der Beschwerde statt. Er hob den AdV-Beschluss des Finanzgerichts auf und lehnte die AdV ab. Zum einen hat der entscheidende VI. Senat – im Gegensatz zum V. und VII. Senat – keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit und der Unionsrechtskonformität der verwirkten Säumniszuschläge. Zum anderen fehlt es auch an dem im Streitfall erforderlichen (besonderen) Aussetzungsinteresse.

Nach der Auffassung des BVerfG verstößt § 233a i. V. m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO gegen Art. 3 Abs. 1 GG und ist daher verfassungswidrig, soweit er auf Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2014 Anwendung findet. Aufgrund einer Fortgeltungsanordnung für die Verzinsungszeiträume bis zum 31.12.2018 ist der Zinssatz von 6 % p. a. allerdings erst für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 nicht mehr anwendbar.

§ 233a AO und § 240 AO regeln unterschiedliche Sachverhalte. Die nach § 233a AO geregelte Vollverzinsung soll typisierend Zins- und Liquiditätsvorteile erfassen, die dadurch entstehen, dass zwischen Entstehung des Steueranspruchs und seiner Fälligkeit ein Zeitraum von mehreren Jahren liegen kann. Die Nachzahlungszinsen sind dementsprechend weder Sanktion noch Druckmittel, sondern ein Ausgleich für die Kapitalnutzung. Säumniszuschläge sind demgegenüber ein Druckmittel, das den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll. Außerdem wird eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung und ein Ausgleich für den Verwaltungsaufwand bezweckt. Aufgrund dieser Unterschiede kann die Entscheidung des BVerfG zur Vollverzinsung auf § 240 AO auch nicht allein wegen eines gedachten Zinsanteils der Säumniszuschläge übertragen werden.

Die Typisierung der Zuschläge der Höhe nach obliegt der “Einschätzungsprärogative” des Gesetzgebers. Die Höhe wäre erst dann nicht mehr zu rechtfertigen, wenn sie unter veränderten Umständen mit dem Gesetzeszweck unvereinbar wäre. Davon ist aber – auch unter Berücksichtigung des seit 2014 währenden strukturellen Niedrigzinsniveaus – nicht auszugehen. Zum einen lässt sich § 240 AO nicht entnehmen, in welchem Verhältnis die vom Gesetz verfolgten Zwecke (Druckmittel, zinsähnliche Funktion, Verwaltungsaufwand) zueinanderstehen. Wegen dieser multifunktionalen Zielsetzung lässt sich der Zinsanteil nicht belastbar beziffern. Zum anderen könnte selbst ein gedachter Zinsanteil von 0,5 % pro angefangenem Monat nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des § 240 Abs. 1 Satz 1 AO führen. Denn ein Säumniszuschlag von 1 % für jeden angefangenen Monat wäre jedenfalls bei verspäteter Zahlung von Lohnsteuer und Umsatzsteuer verhältnismäßig, da die Lohnsteuer vom Arbeitgeber gewissermaßen treuhänderisch für den Arbeitnehmer eingezogen wird und die Umsatzsteuer im Kaufpreis enthalten ist.

Bei ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit eines formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes erfordert die AdV grundsätzlich ein besonderes berechtigtes Interesse an der AdV. Der Bundesfinanzhof hält an dieser Voraussetzung jedenfalls in einem Bagatellfall (weiterhin) fest, wenn ausschließlich verfassungsrechtliche Einwendungen gegen ein Gesetz erhoben werden. Das gebietet der Geltungsanspruch jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes. Im Streitfall kann nicht angenommen werden, dass die Säumniszuschläge von insgesamt 42 EUR bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens für A zu einem irreparablen Nachteil führen könnten.

6. Wie erfolgt die Besteuerung bei einer Betriebsaufgabe?

Ein Steuerpflichtiger, der im Rahmen einer Betriebsaufgabe betriebliche Wirtschaftsgüter gegen wiederkehrende Bezüge veräußert, kann – wie bei der Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge – zwischen der Sofortbesteuerung und der Zuflussbesteuerung des entsprechenden Gewinns wählen.

Hintergrund

Die A stellte ihren Betrieb (Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich) Ende 2013 ein. Einen Großteil der Wirtschaftsgüter veräußerte sie an eine GmbH gegen die Zahlung einer lebenslangen monatlichen Rente ab Januar 2014. Von der Veräußerung ausgenommen war der bis dahin zum Betriebsvermögen gehörende Grundstücksteil mit aufstehenden Gebäuden und fest installierten Betriebsvorrichtungen sowie weitere nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehörende Wirtschaftsgüter (Pkw usw.). Als Übertragungsstichtag wurde der 2.1.2014 vereinbart. An diesem Tag übergab die A die entsprechenden Wirtschaftsgüter an die GmbH und überführte die übrigen Wirtschaftsgüter in ihr Privatvermögen.

Das Finanzamt berücksichtigte im Einkommensteuer-Bescheid 2014 den Aufgabegewinn in voller Höhe und unterwarf ihn der ermäßigten Besteuerung nach § 34 Abs. 3 EStG. A wandte ein, es bestehe ein Wahlrecht auf Anwendung der Zuflussbesteuerung.

Das Finanzgericht wies die entsprechende Klage der A ab. Da sie das Betriebsgrundstück als wesentliche Betriebsgrundlage in ihr Privatvermögen überführt habe, liege eine Betriebsaufgabe vor. Anders als im Fall der Veräußerung des Betriebs verblieben in einem solchen Fall dem Steuerpflichtigen ausreichende Mittel zur Zahlung der Einkommensteuer, die aufgrund der Sofortbesteuerung des Aufgabegewinns anfalle.

Entscheidung

Die Revision der A war erfolgreich. Die A konnte das Wahlrecht ausüben, den Betriebsaufgabegewinn, soweit er auf den Barwert der Leibrente entfällt, erst bei einem das Kapitalkonto und die Aufgabekosten übersteigenden Zufluss der Rentenzahlungen zu realisieren und die Rentenzahlungen insoweit als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu versteuern.

Für die Gewinnverwirklichung im Rahmen einer Betriebsaufgabe ist nicht deren Beginn, sondern der Zeitpunkt des einzelnen Aufgabeteilakts relevant. Denn der Aufgabegewinn kann in verschiedenen Veranlagungszeiträumen entstehen. Demnach liegt die Betriebsaufgabe hier im Jahr 2014. Denn A hat die zu ihrem Geschäftsbetrieb gehörenden Wirtschaftsgüter erst zum 2.1.2014 an die GmbH veräußert und auch erst in diesem Zeitpunkt die übrigen Wirtschaftsgüter (insbesondere das Betriebsgrundstück als wesentliche Betriebsgrundlage) in ihr Privatvermögen überführt.

Veräußert ein Steuerpflichtiger seinen Betrieb gegen wiederkehrende Bezüge (insbesondere gegen eine Leibrente), gewähren Rechtsprechung und Finanzverwaltung das Wahlrecht zwischen Versteuerung eines begünstigten Veräußerungsgewinns im Veräußerungszeitpunkt oder Versteuerung nicht begünstigter nachträglicher gewerblicher Einkünfte bei Zufluss. Die Sofortbesteuerung ist zwar der gesetzliche Normalfall. Die Zuflussbesteuerung stellt aber “eine auf Billigkeitserwägungen unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beruhende Ausnahmeregelung” dar. Im Vordergrund dieser Rechtsprechung steht die Ungewissheit der Rentenlaufzeit und damit das Risiko, dass im Fall eines frühen Todes des Veräußerers bei der Sofortbesteuerung mehr versteuert werden muss als dem Steuerpflichtigen tatsächlich zugeflossen ist. Die Zuflussbesteuerung bewirkt die zeitliche Streckung der anfallenden Steuerzahlungen, die sich der Steuerpflichtige durch den Verlust der Begünstigungen des § 16 Abs. 4 EStG (Freibetrag) und des § 34 EStG (ermäßigter Steuersatz) quasi “erkauft”.

Nach der Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter im Rahmen einer Betriebsaufgabe ist der Veräußerer ebenso wie bei einer Betriebsveräußerung nicht mehr Inhaber des Betriebs. Wie bei einer Betriebsveräußerung liegt es in seinem Interesse, für die Veräußerung im Rahmen einer Betriebsaufgabe nicht mehr Steuer zahlen zu müssen, als er bei tatsächlich zugeflossenen Rentenzahlungen müsste. Dieses Risiko ist auch bei einer Betriebsaufgabe vorhanden. Stirbt der (frühere) Betriebsinhaber vor Erreichen seiner statistischen Lebenserwartung, hätte er einen Gewinn zu versteuern, der nachträglich nicht korrigiert werden kann, da kein rückwirkendes Ereignis gegeben ist, sondern sich ein vertragsimmanentes Wagnis konkretisiert.

Aufgrund des Wagnischarakters und im Hinblick auf den Versorgungscharakter derartiger Bezüge erscheint eine Gleichbehandlung von Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe gegen wiederkehrende Bezüge zwingend. Dies gilt umso mehr, als im Fall der Betriebsveräußerung das Wahlrecht, die wiederkehrenden Bezüge erst bei Zufluss zu versteuern, schon dann eröffnet ist, wenn nur ein Teil des Kaufpreises in wiederkehrenden Bezügen und der andere Teil als Einmalzahlung erbracht wird.

7. Wie ist ein Verzicht auf die Privatliquidation gegen monatliche Zahlungen zu bewerten?

Verzichtet der Chefarzt gegenüber dem Klinikträger auf das ihm eingeräumte Recht zur Privatliquidation gegen monatliche Ausgleichszahlungen, damit der Klinikträger selbst gegenüber Privatversicherten abrechnen kann, liegt eine steuerbare Verzichtsleistung vor, die nicht als Verzicht auf die zukünftige Erbringung von Heilbehandlungsleistungen steuerfrei ist.

Hintergrund

A war als Medizinprofessor und als Direktor einer Klinik tätig. Er war berechtigt, Patienten privat zu behandeln und hierfür zu liquidieren. Aufgrund einer Besitzstandsregelung stand ihm dieses Recht bis zum Ausscheiden aus dem Dienst zu.

Im Rahmen der Neuorganisation des Klinikbetriebs vereinbarten A, die Universität und die Klinik, dass A auf das Privatliquidationsrecht verzichtet und an eine Forschungseinrichtung der Universität versetzt wird. Die Klinik verpflichtete sich, zum Ausgleich für den Verzicht monatliche Zahlungen an A bis zum Ruhestand zu leisten.

A behandelte die Zahlungen als nicht umsatzsteuerbare Entschädigungen für den Wegfall seiner Einkünfte aus der freiberuflichen Tätigkeit.

Das Finanzamt bejahte dagegen die Umsatzsteuer-Pflicht. Das Finanzgericht gab der Klage mit der Begründung statt, der von A erbrachte Verzicht sei überwiegend beamtenrechtlich veranlasst und deshalb von ihm nicht als Unternehmer erbracht worden. Auch bei (unterstellter) Steuerbarkeit sei der Verzicht wegen der spiegelbildlichen Besteuerung von Leistung und entgeltlichem Verzicht nach § 4 Nr. 14 UStG (ärztliche Heilbehandlung) steuerfrei.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof widerspricht dem Finanzgericht. Das Finanzgerichtsurteil wurde aufgehoben und die Klage abgewiesen. Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts liegt eine steuerbare Verzichtsleistung vor, die nicht als Verzicht auf die zukünftige Erbringung von Heilbehandlungsleistungen steuerfrei ist.

Ob eine Leistung des Unternehmers vorliegt, die sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet, bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Dabei kann ein entgeltlicher Leistungsaustausch auch vorliegen, wenn ein Steuerpflichtiger auf eine ihm (sei es auf gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage) zustehende Rechtsposition gegen Entgelt verzichtet.

A erbrachte aufgrund der Vereinbarung eine sonstige Leistung durch Unterlassen, indem er auf das ihm eingeräumte Recht zur Privatliquidation und damit auf eine ihm zustehende vermögenswerte Rechtsposition verzichtete. Das Klinikum erlangte damit das Recht, die vom Nachfolger des A erbrachten Behandlungen von Privatpatienten und Selbstzahlern selbst abrechnen zu können.

Der Verzicht des A auf das Recht zur Privatliquidation erfolgte auch als Unternehmer. Er war nicht in erster Linie beamtenrechtlich veranlasst. Beamtenrechtlich veranlasst war lediglich der Verzicht auf die Klinikleitung und die Zustimmung zur Versetzung in eine andere Einrichtung der Universität. Der Ausgleich wurde jedoch (nach zutreffender Auslegung des Vertrags) vorwiegend für den Verzicht auf das Recht zur Privatliquidation und nicht für die Aufgabe der Position als Klinikdirektor gezahlt.

Das Vorliegen eines steuerbaren Umsatzes schließt es aus, das Entgelt als nicht steuerbaren (echten) Schadensersatz zu qualifizieren. Zahlungen sind nur dann als Schadensersatz zu werten, wenn zwischen der Zahlung und der Leistung (anders als hier vorliegend) kein unmittelbarer Zusammenhang besteht.

Die Steuerfreiheit der Verzichtsleistung ergibt sich (entgegen der Ansicht des Finanzgerichts) auch nicht aufgrund der Rechtsprechung zur spiegelbildlichen Beurteilung (“actus-contrarius”) von Leistung (steuerfreie Heilbehandlung) und Verzichtsleistung (Verzicht auf die steuerfreie Heilbehandlung). Fällt ein Umsatz unter eine Steuerbefreiung, dann fällt die vertragliche Auflösung gegen Abfindung ebenfalls unter diese Befreiung.

Charakteristisch für die Steuerfreiheit als actus-contrarius ist, dass die jeweiligen Leistungen und der darauf bezogene Verzicht jeweils im Rahmen desselben Zweipersonenverhältnisses erfolgen. Davon unterscheidet sich die hier vorliegende Konstellation eines Dreipersonenverhältnisses, bei dem zunächst das Klinikum mit der Anstellung des A eine sonstige Leistung (nicht steuerbar) an A erbrachte, indem es diesem das Recht zur Privatliquidation einräumte (Nebentätigkeitsgenehmigung). Aufgrund dieser Genehmigung erbrachte A gegenüber seinen Patienten umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen. Für den Verzicht gegenüber dem Klinikum auf die weitere Behandlung von Privatpatienten erhielt A einen finanziellen Ausgleich. Die Verzichtsleistung betraf unmittelbar nur das Rechtsverhältnis zwischen A und dem Klinikum und nicht (bzw. nur mittelbar) das Rechtsverhältnis zu seinen Patienten.

8. Zur Bildung einer Rückstellung für die Verpflichtung aus einem Kundenkartenprogramm

Verpflichtet sich ein Handelsunternehmen gegenüber den an seinem Kundenkartenprogramm teilnehmenden Kunden, diesen im Rahmen eines Warenkaufs Bonuspunkte bzw. Gutscheine zu gewähren, die der Karteninhaber bei einem weiteren Warenkauf als Zahlungsmittel einsetzen kann, ist für die am Bilanzstichtag noch nicht eingelösten Bonuspunkte bzw. Gutscheine eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden, wenn wahrscheinlich ist, dass die Verbindlichkeit entsteht und das Unternehmen in Anspruch genommen werden wird.

Hintergrund

Die A-KG, die ein Handelsunternehmen betreibt, wies in der Bilanz zum 31.12.2010 eine Rückstellung für Bonuspunkte und Gutscheine aus, die sie den Inhabern einer A-Card gewährt hatte.

Die Karte wurde von der KG (und deren Tochter-/Partnerunternehmen) gemeinsam ausgegeben. Die Inhaber der Karte erhielten beim Einkauf Bonuspunkte auf den jeweiligen Wert ihres Einkaufs. Die Bonuspunkte wurden auf das Bonuspunktekonto des Karteninhabers übertragen. Die gutgeschriebenen Punkte konnten im A-Onlineshop oder (nach Ausstellung eines Gutscheins) im Store eingelöst werden. Eine Barauszahlung war ausgeschlossen.

Relevanter Zeitraum für die Ermittlung des Bonuspunktestands zum monatlichen Abrechnungszeitraum waren jeweils die davorliegenden letzten 12 Monate. Die Gutscheine waren 12 Monate gültig. Tatsächlich verfielen sie erst nach 36 Monaten.

Das Finanzamt war der Auffassung, die Einlösungsverpflichtung aus dem Bonussystem begründe zum Bilanzstichtag weder eine zu passivierende noch eine als Rückstellung zu berücksichtigende (ungewisse) Verbindlichkeit.

Das Finanzgericht gab der gegen den entsprechend geänderten Gewinnfeststellungsbescheid im Streitpunkt statt.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Revision des Finanzamts zurück. Die KG musste für ihre Verpflichtungen aus der Gewährung von am Bilanzstichtag nicht eingelösten Bonuspunkten bzw. Gutscheinen eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten bilden. Dem steht das Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG nicht entgegen.

Der Bundesfinanzhof hat eine zu passivierende Verbindlichkeit bejaht, wenn ein Unternehmen sog. “Gutmünzen” ausgibt und sich verpflichtet, diese unter Anrechnung auf den Kaufpreis zurückzunehmen oder bar auszuzahlen. Denn aufgrund der Verpflichtung zur Barauszahlung sei eine unbedingte und in ihrer Höhe feststehende Verbindlichkeit entstanden.

Bei Kundengutscheinen, die einen Anspruch auf eine Preisermäßigung für Friseurleistungen gewährten, hat der Bundesfinanzhof dagegen eine Verbindlichkeit nicht anerkannt, da die Belastung des ausgebenden Unternehmens davon abhing, ob die Inhaber der Gutscheine eine Dienstleistung zu dem ermäßigten Entgelt in Anspruch nehmen. Das Entstehen der entsprechenden Verbindlichkeit sei daher dem Grunde nach ungewiss. Die Verpflichtung sei im bilanzrechtlichen Sinn noch nicht entstanden.

Die KG war zwar verpflichtet, die Bonuspunkte bzw. Gutscheine bei einem weiteren Warenkauf auf den Kaufpreis anzurechnen. Die tatsächliche Einlösung durch Anrechnung war allerdings stets vom Erwerb weiterer Waren durch den Karteninhaber und dessen Einlösungsverlangen abhängig. Soweit es hieran am Bilanzstichtag fehlte, bestand daher noch keine Verpflichtung der KG, die von den Kunden hätte erzwungen werden können. Die Verpflichtung der A-KG war zum Bilanzstichtag dem Grunde nach ungewiss und damit rechtlich noch nicht entstanden. Eine Verbindlichkeit konnte daher noch nicht bilanziert werden.

Die A-KG hatte allerdings eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden, da die Anrechnungsverpflichtung ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag hat. Der Bonus führt zu einer Ermäßigung des ersten Warenkaufs. Denn bereits mit der Bonusgewährung beim ersten Warenkauf ergibt sich für die KG eine wirtschaftliche Belastung, da sie jedenfalls faktisch zum Abschluss eines weiteren Kaufvertrags mit dem Karteninhaber und rechtlich zur Einlösung der Bonuspunkte und Gutscheine verpflichtet ist. Anders als im “Friseurgutschein-Fall” rabattiert die KG deshalb keine künftige Leistung, sondern gewährt einen Nachlass auf bereits getätigte Einkäufe des Kundenkarteninhabers.

Die Entstehung der Verpflichtung zur Anrechnung der ausgegebenen Bonuspunkte und Gutscheine war für die KG auch hinreichend wahrscheinlich. Denn sie war (bei einem weiteren Warenkauf durch den Kunden) zu deren Einlösung verpflichtet und es war wahrscheinlich, dass die Kunden im Rahmen des weiteren Warenkaufs tatsächlich eine Verrechnung ihres Guthabens verlangen würden. Nach den Erfahrungswerten für die Vorjahre zum Verfall von Bonuspunkten und Gutscheinen ergab sich im stationären Handel eine Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme von 60 % und im Onlineshop sogar von über 80 %.

§ 5 Abs. 2a EStG knüpft daran an, dass der Schuldner zur Erfüllung nicht sein aktuelles, sondern nur sein künftiges Vermögen einsetzen muss. Nicht die Verpflichtung selbst, wohl aber deren Erfüllung muss vereinbarungsgemäß vom Anfall künftiger Einnahmen oder Gewinne abhängig sein. Das liegt hier nicht vor. Denn bereits die mit der Anrechnungsverpflichtung verbundene Gewährung der Bonuspunkte bzw. Gutscheine hat zu einer Belastung des zum Bilanzstichtag vorhandenen Vermögens der KG geführt.

Vereine

1. Tanzkurse sind nicht umsatzsteuerbefreit

Weder aus dem nationalen Umsatzsteuerrecht noch aus dem Unionsrecht ergibt sich eine Steuerbefreiung für Umsätze von Tanzschulen. Dies gilt jedenfalls für Umsätze aus Tanzkursen für Erwachsene (“Welttanzprogramm” und “Medaillenkurse”).

Hintergrund

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GbR eine im allgemeinen deutschen Tanzlehrerverband (ADTV) organisierte Tanzschule, die insbesondere Leistungen im Bereich “Medaillentanzen” und “Welttanzprogramm I und II” für Anfänger und Fortgeschrittene anbietet. Die Medaillentanzkurse (deutsches Tanzabzeichen) bauen dabei auf dem Welttanzkurs auf. Für die Streitjahre 2007–2011 erklärte die Klägerin zunächst steuerpflichtige Umsätze.

Mit Schreiben vom 21.12.2012 stellte das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur für die Klägerin eine Bescheinigung aus, wonach bestimmte Tanzkurse geeignet seien i. S. v. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG auf einen Beruf als Tänzer/in oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegenden Prüfung vorzubereiten. Ausweislich der Bescheinigung sollte die Finanzbehörde in eigener Zuständigkeit entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit im Übrigen oder für die Umsätze im Einzelnen vorliegen.

Die Klägerin beantragte daraufhin die besagten Kurse als steuerfrei zu behandeln und die Umsatzsteuer entsprechend neu festzusetzen. Dies lehnte das Finanzamt ab.

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts hat das Finanzamt zu Recht keine Steuerbefreiung für die Tanzkurse “Welttanzprogramm” und “Medaillentanzen” gewährt. Insbesondere kommt vorliegend keine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb UStG in Betracht. Die Tanzkurse dienten in den Streitjahren nicht dazu, die Teilnehmer auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegenden Prüfung ordnungsgemäß vorzubereiten.

Die Prüfung der Tanzlehrer/innen wird vielmehr vom Prüfungsausschuss der Tanzlehrerakademie des ADTV abgenommen. Darüber hinaus sei der Bescheinigung lediglich zu entnehmen, dass die von der Klägerin angebotenen Kurse geeignet sind, auf den Beruf als Tänzer/in vorzubereiten. Die Ausbildung zum/zur Tanzlehrer/in ist dort nicht angesprochen, obwohl es sich hierbei um einen abweichenden Beruf mit einem abweichenden Ausbildungsweg handelt.

Ungeachtet dessen scheide eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG schon deshalb aus, weil es sich bei den von der Klägerin angebotenen Tanzkursen “Welttanzprogramm” und “Medaillentanzen” nicht um eine unmittelbar dem Schul- oder Bildungszweck dienende Leistung einer privaten Schule oder anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtung handele. Dabei ist zu beachten, dass Leistungen, die der bloßen Freizeitgestaltung dienen, weder allgemeinbildend noch berufsbildend sind. Gerade soweit es den hier streitigen Bereich der Erwachsenenkurse betrifft, vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass durch die Klägerin in den Streitjahren ein breit gefächertes Wissen vermittelt wurde, das Gegenstand der Allgemeinbildung und nicht nur Gegenstand eines begrenzten speziellen Lehrstoffs ist.

Auch das Vorbringen der Klägerin, dass neben dem Erlernen von Tanzformen und Tänzen auch notwendige, teils vernachlässigte Umgangsformen, Benimmregeln, das Miteinander von Mann und Frau und somit soziale Standards vermittelt wurden, führen zu keiner abweichenden Beurteilung. Überdies gehe es bei den hier streitigen Kursen um die von der Klägerin für Erwachsene angebotenen Kurse und nicht um die vom Finanzamt bereits als steuerfrei anerkannten Umsätze aus den Kursen für Kinder und Jugendliche.