Liebe Mandantin, lieber Mandant,
auch im vergangenen Monat hat sich rund um Steuern, Recht und Betriebswirtschaft einiges getan. Über die aus unserer Sicht wichtigsten Neuregelungen und Entscheidungen halten wir Sie mit Ihren Mandanteninformationen gerne auf dem Laufenden. Zögern Sie nicht, uns auf einzelne Punkte anzusprechen, wir beraten Sie gerne!
Mit steuerlichen Grüßen
Inhaltsverzeichnis
Arbeitsrecht
1. Keine Einstellung eines Schwerbehinderten wegen fehlender gesundheitlicher Eignung: keine Diskriminierung
Wenn ein Arbeitgeber seine Einstellungszusage aufgrund eines ärztlichen Attests widerruft, ist dies keine Diskriminierung aufgrund einer Schwerbehinderung. Die Klage eines schwerbehinderten Bewerbers, der aus gesundheitlichen Gründen nicht eingestellt wurde, hatte deshalb keinen Erfolg.
Hintergrund
Ein schwer an Diabetes erkrankter Mann bewarb sich unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung auf eine Ausbildungsstelle als Straßenwärter. Er erhielt vom Arbeitgeber im öffentlichen Dienst eine Einstellungszusage, mit dem Hinweis, dass vorab noch eine ärztliche Untersuchung erforderlich sei. In dieser Untersuchung stellte der Arzt fest, dass der Bewerber aufgrund seiner Diabetes-Erkrankung für die konkrete Ausbildungsstelle gesundheitlich nicht geeignet sei. Daher nahm der Arbeitgeber die Zusage zur Einstellung zurück. Der abgelehnte Bewerber klagte daraufhin auf Entschädigung nach § 15 AGG, da er wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert worden sei.
Entscheidung
Das Arbeitsgericht konnte keine diskriminierende Handlung und damit auch keinen Verstoß gegen das AGG erkennen. Nach Auffassung der Richter hat der Arbeitgeber den Bewerber nicht wegen seiner Behinderung schlechter behandelt als vergleichbare nichtbehinderte Bewerber. Vielmehr habe der Arbeitgeber bei der Entscheidung, den Bewerber nicht einzustellen, nicht auf seine Behinderung abgestellt. Für das Gericht stellte es sich so dar, dass man den Bewerber gerade ungeachtet seiner Behinderung habe einstellen wollen und ihm daher auch eine Einstellungszusage erteilt habe. Die Zusage habe er aber vom positiven Ergebnis einer gesundheitlichen Eignungsuntersuchung abhängig gemacht. Die Einstellungszusage habe der Arbeitgeber dann zurückgezogen – unter Berufung auf den zum Ausdruck gekommenen Vorbehalt, nachdem der beauftragte Arzt die gesundheitliche Eignung des Bewerbers für die Ausbildung verneint habe.
GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer
1. Grundstücksunternehmen: Erweiterte Gewerbesteuerkürzung bei Teilverkauf?
Auch wenn ein gewerblicher Grundstückshandel auf einem städtebaulichen Zwang beruht, steht dieser einer erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags entgegen.
Hintergrund
Eine GmbH machte in der Gewerbesteuererklärung die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG geltend. Nach einer Betriebsprüfung hat das Finanzamt die erweiterte Kürzung versagt, da nicht ausschließlich eigener Grundbesitz verwaltet oder genutzt werde. Hintergrund war, dass die GmbH seit Jahren den Verkauf einer Teilfläche des Grundstücks vorbereitet und mit der Baureifmachung einen schädlichen Grundstückshandel betrieben habe. Die GmbH argumentierte hingegen, dass die Teilfläche nur wegen des städtebaulichen Veräußerungszwangs veräußert worden sei. Dies sei ein zwingend notwendiges Nebengeschäft für die Aufnahme der Tätigkeit als Grundstücksverwalter gewesen. Zudem sei der Veräußerungsgewinn im Verhältnis zu den Mieteinnahmen zu vernachlässigen. Gleichwohl blieb der Einspruch erfolglos.
Entscheidung
Auch das FG verneint die Voraussetzungen für die sog. erweiterte Grundstückskürzung. Es kam zu der Überzeugung, dass die GmbH nicht ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet oder genutzt hat. Vielmehr stellt die Veräußerung einer Teilfläche eines von einer Immobilien-Projektgesellschaft zwecks Bebauung und Vermietung erworbenen Grundstücks einen schädlichen gewerblichen Grundstückshandel dar. Daran ändert auch die Verpflichtung aufgrund eines städtebaulichen Vertrags nichts. Maßgebend war, dass die Teilfläche bereits in unbedingter Veräußerungsabsicht erworben wurde und durch die nachfolgenden, den Grundstückswert erheblich steigernden Abbruch- und Erschließungsarbeiten ein Objekt anderer Marktgängigkeit geschaffen worden ist.
Auch kann die Veräußerung der Teilfläche nicht als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung angesehen werden. Angesichts des Umfangs der vorbereitenden Aktivitäten und der Höhe des erzielten Veräußerungspreises sind die quantitativen Kriterien einer „Geringfügigkeit“ bzw. einer völlig „untergeordneten Bedeutung“ für eine kürzungsunschädliche Nebentätigkeit nicht erfüllt. Und angesichts dieser Vorarbeiten war nach der ständigen Rechtsprechung im Urteilsfall – trotz nur einer einzigen Veräußerung der Grundstücksteilfläche – auch eine Nachhaltigkeit zu bejahen.
2. Erweiterte Gewerbeertragskürzung bei einer Immobilienverwaltungsgesellschaft
Aus einer sog. umgekehrten Betriebsaufspaltung kann wegen des Durchgriffsverbots eine originär gewerbliche Tätigkeit der Besitzkapitalgesellschaft nicht abgeleitet werden. Das Durchgriffsverbot gilt bei der Besteuerung einer Besitzkapitalgesellschaft auch im Fall der mittelbaren Beteiligung der Betriebspersonengesellschaft an der Besitzkapitalgesellschaft über eine Kapitalgesellschaft.
Hintergrund
Die Klägerin ist eine Immobilienverwaltungsgesellschaft mbH. An ihrem Stammkapital waren im Streitjahr 2015 bis zum 4.11.2015 zu 47,62 % F und zu 52,38 % die Beteiligungsgesellschaft mbH mit Sitz in X (EB GmbH) beteiligt. Alleinige Gesellschafterin der EB GmbH ist die F GmbH & Co. KG mit Sitz in X (F KG), deren Kommanditkapital vollständig von der F Holding GmbH mit Sitz in X (FH GmbH) gehalten wird. Alleingesellschafter der FH GmbH war bis zum 4.11.2015 F. Komplementär der F KG war die F Beteiligungsgesellschaft mbH. Die F KG hält außerdem 100 % der Anteile an der A GmbH. Mit Wirkung zum 5.11.2015 übertrug F seine Anteile an der Klägerin sowie an der FH GmbH im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf A.
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Erwerb, das Halten und das Verwalten sowie das Veräußern von Immobilien. Die Klägerin erbringt ihre Leistungen fast ausschließlich für verbundene Gesellschaften. In den Jahren 2013 und 2014 überließ sie der F KG mietweise Teilflächen (1.740 qm) des Grundstücks in X. Dieser Gebäudebereich wird von der Geschäftsführung und von zentralen Verwaltungseinheiten der F KG genutzt. Ab 2015 wurden die beschriebenen Flächen über ein Zwischenmietverhältnis mit der A GmbH an die F KG überlassen.
Die Klägerin wendete auf ihren Gewerbeertrag im Streitjahr die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG an. Nach einer Außenprüfung für die Erhebungszeiträume 2013 bis 2015 vertrat der Betriebsprüfer die Auffassung, dass eine Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und der F KG vorläge und daher die Voraussetzungen für die erweiterte Kürzung nicht gegeben seien. Das Finanzamt folgte diesen Feststellungen und setzte mit Bescheid vom 23.1.2019 den Gewerbesteuermessbetrag für 2015 – ohne Berücksichtigung der erweiterten Kürzung – auf 257.215 EUR fest. Dagegen wendete sich die Klägerin mit ihrer Sprungklage, der das Finanzamt zugestimmt hat.
Das FG gab der Klage statt. Es änderte den Bescheid vom 23.1.2019 dahingehend, dass der Gewerbesteuermessbetrag für 2015 unter Berücksichtigung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG festgesetzt wird.
Entscheidung
Der BFH hat entschieden, dass das FG hat zu Recht geurteilt hat, dass die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht wegen des Bestehens einer Betriebsaufspaltung ausgeschlossen ist.
§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG will den nur kraft Rechtsform gewerbliche Einkünfte erzielenden Unternehmen die erweiterte Kürzung gewähren, wenn sie ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen, ihre Tätigkeit insoweit also nicht über den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung hinausgeht. Zweck ist damit die Gleichbehandlung dieser Unternehmen mit Steuerpflichtigen, die als Einzelunternehmer oder in der Rechtsform einer Personengesellschaft Grundstücksverwaltung betreiben.
Bei einer Betriebsaufspaltung ist der Zweck der sog. Besitzgesellschaft von vornherein nicht auf die Vermögensverwaltung, sondern auf die Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr und die Partizipation an der durch die Betriebsgesellschaft verwirklichten Wertschöpfung gerichtet. Die Überlassung eines Grundstücks im Rahmen einer Betriebsaufspaltung wird deshalb als gewerbliche Tätigkeit beurteilt, die eine erweiterte Kürzung ausschließt.
Eine Betriebsaufspaltung setzt voraus, dass Besitzunternehmen und Betriebsunternehmen sachlich und personell miteinander verflochten sind. Eine personelle Verflechtung erfordert einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen sowohl im Besitz- als auch im Betriebsunternehmen. Bei einem nicht in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft organisierten Besitzunternehmen ist ein solcher anzunehmen, wenn die Person oder Personengruppe, die das Besitzunternehmen beherrscht, auch in dem Betriebsunternehmen ihren Willen durchsetzen kann. Ist eine Kapitalgesellschaft Besitzunternehmen, kommt es darauf an, ob diese selbst ihren geschäftlichen Betätigungswillen in der Betriebsgesellschaft durchsetzen kann. Ein Rückgriff auf die hinter der Besitzkapitalgesellschaft stehenden Anteilseigner ist nicht zulässig.
Im Streitfall verwaltet die Klägerin Immobilien und übt damit keine originär gewerbliche Tätigkeit aus. Die Tätigkeit der Klägerin ist insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt der Betriebsaufspaltung als originär gewerblich anzusehen, da die erforderliche personelle Verflechtung nicht gegeben ist.
Eine Betriebsaufspaltung zwischen einer Kapitalgesellschaft als Besitzgesellschaft und einem anderen Unternehmen als Betriebsgesellschaft liegt nicht vor, wenn die Kapitalgesellschaft nicht zu mehr als 50 % unmittelbar oder mittelbar an dem anderen Unternehmen beteiligt ist. Der Besitzkapitalgesellschaft können weder die von ihren Gesellschaftern gehaltenen Anteile an der Betriebsgesellschaft noch die mit diesem Anteilsbesitz verbundene Beherrschungsfunktion zugerechnet werden. Eine derartige Zurechnung wäre ein unzulässiger Durchgriff auf die hinter der Besitzkapitalgesellschaft stehenden Personen.
Das Durchgriffsverbot auf von dem oder den Gesellschafter(n) verwirklichte Tatbestände folgt aus dem Prinzip der Trennung (Verselbständigung) der Kapitalgesellschaft von der Person oder dem Kreis ihrer Gesellschafter, welches es nicht zulässt, im Rahmen der Besteuerung der Besitzkapitalgesellschaft für die Frage, ob ein einheitlicher Geschäfts- und Betätigungswille hinsichtlich der Tätigkeit der Betriebsgesellschaft besteht, auf die Anteilsinhaberschaft beziehungsweise Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter der Besitzkapitalgesellschaft abzustellen. Dieses Prinzip unterscheidet die Kapitalgesellschaften von den Personengesellschaften, so dass eine Gleichbehandlung von Besitzkapitalgesellschaften und Besitzpersonengesellschaften nicht geboten ist.
Im Streitfall war die Klägerin (Besitz-GmbH) weder unmittelbar noch mittelbar zu mehr als 50 % an der F KG als Betriebsunternehmen beteiligt.
Eine originär gewerbliche Tätigkeit der Klägerin ergibt sich im Streitfall auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens einer sog. umgekehrten Betriebsaufspaltung.
Bei einer sog. umgekehrten Betriebsaufspaltung wird nicht die Betriebsgesellschaft durch die Besitzkapitalgesellschaft, sondern die Besitzkapitalgesellschaft durch die Betriebsgesellschaft beherrscht. Die Rechtsprechung hat das Vorliegen einer umgekehrten Betriebsaufspaltung herangezogen, um im Zusammenhang mit Steuervergünstigungen und Investitionszulagen zu entscheiden, ob die Zugehörigkeits-, Verbleibens- und Nutzungsvoraussetzungen in einer Betriebsstätte erfüllt sind. Die von der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung bislang zugelassene Übertragung von durch das Betriebsunternehmen verwirklichten Merkmalen auf das Besitzunternehmen diente dabei dazu, einen Ausschluss der Steuervergünstigung oder Investitionszulage in den Fällen zu vermeiden, in denen die Funktionen eines normalerweise einheitlichen Betriebes auf 2 Rechtsträger und damit 2 Betriebe aufgeteilt sind. Nicht dagegen wurde die umgekehrte Betriebsaufspaltung herangezogen, um zu begründen, dass eine ausschließlich vermögensverwaltend tätige Besitzkapitalgesellschaft originär gewerblich tätig ist.
Aus einer sog. umgekehrten Betriebsaufspaltung kann wegen des Durchgriffsverbots eine originär gewerbliche Tätigkeit der Besitzkapitalgesellschaft nicht abgeleitet werden. Es schließt aus, bei der Besteuerung der Besitzkapitalgesellschaft (hier der Klägerin) auf die Verhältnisse ihres Gesellschafters oder ihrer Gesellschafter (zunächst F, dann A zu 47,62 % und die EB GmbH zu 52,38 %) abzustellen.
Erst recht lässt sich aus der mittelbaren Beteiligung einer Betriebspersonengesellschaft über eine Kapitalgesellschaft an der Besitzkapitalgesellschaft eine personelle Verflechtung nicht ableiten. Denn auch insoweit läge ein Durchgriff auf die unmittelbaren und mittelbaren Gesellschafter der Besitzkapitalgesellschaft vor.
3. Earn-Out-Zahlungen bei Veräußerung eines Mitunternehmeranteils: steuerliche Behandlung?
Im Fall der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils sind neben dem Festkaufpreis zu leistende gewinn- oder umsatzabhängige Kaufpreisbestandteile erst im Zeitpunkt des Zuflusses als nachträgliche Betriebseinnahmen zu versteuern. Dies gilt auch für sogenannte Earn-Out-Klauseln, bei denen das Entstehen der sich hieraus ergebenden variablen Kaufpreisbestandteile sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ungewiss ist.
Hintergrund
Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin die M GmbH ist, die nicht am Vermögen der Klägerin beteiligt ist. Alleinige Kommanditistin war die Beigeladene, die zugleich 100 % der Anteile an der M GmbH hielt. Diese Anteile waren dem Sonderbetriebsvermögen der Beigeladenen bei der Klägerin zugeordnet.
Mit notariellem Vertrag vom 5.10.2010 veräußerte die Beigeladene ihren Kommanditanteil an der Klägerin sowie sämtliche Geschäftsanteile an der M GmbH an die R GmbH. Der Verkauf erfolgte mit der Maßgabe, dass der Kommanditanteil im Wege der Sonderrechtsnachfolge mit schuldrechtlicher Wirkung zum Ablauf des 30.6.2010 („Übertragungsstichtag“) auf die Käuferin übergehen sollte. Die dingliche Übertragung des Kommanditanteils war aufschiebend bedingt durch die Zahlung des Kaufpreises und die Eintragung der Käuferin als Kommanditistin im Wege der Sonderrechtsnachfolge in das Handelsregister. Die Veräußerung der Anteile an der Komplementärin, der M GmbH, erfolgte wirtschaftlich zum Übertragungsstichtag.
Als Kaufpreis für den Kommanditanteil und die Geschäftsanteile an der M GmbH wurde ein fester Kaufpreis in Höhe von 5.318.000 EUR vereinbart. Der Kaufpreis war am 15.10.2010 fällig, nicht jedoch vor Sicherstellung des Eintritts der aufschiebenden Bedingung der Eintragung der Käuferin als Kommanditistin in das Handelsregister.
Zusätzlich zum Kaufpreis wurde der Beigeladenen ein variables Entgelt zugesichert. Grundlage der Ermittlung dieses variablen Entgelts war die in den Geschäftsjahren 2011, 2012 und 2013 erzielte Rohmarge. Soweit die Rohmarge in einem der vorgenannten Geschäftsjahre den Betrag von 10.000.000 EUR übersteigt, sollte die Verkäuferin für das betreffende Geschäftsjahr einen Betrag von 533.000,00 EUR erhalten.
Unterschreitet die Rohmarge oder entspricht sie in einem der vorgenannten Geschäftsjahre den bzw. dem Betrag von 8.000.000 EUR war kein variables Entgelt zu zahlen. Im Bereich zwischen einer Rohmarge von 8.000.000 EUR und 10.000.000 EUR sollte das variable Entgelt linear zwischen 0 EUR und 533.000 EUR betragen.
Aufgrund der Vereinbarung erhielt die Beigeladene im Veranlagungszeitraum 2011, 2012 und 2013 variable Kaufpreiszahlungen von insgesamt 815.819 EUR, die sie als laufende Einkünfte in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen erfasste.
Nach Durchführung der antragsgemäßen Veranlagung und dem Erlass des Gewinnfeststellungsbescheides für 2010 gelangte das Finanzamt nach einer Außenprüfung zur Auffassung, dass die in den Jahren 2011 bis 2013 geleisteten Kaufpreiszahlungen von insgesamt 815.819 EUR („Earn-Out“) als nachträgliche Kaufpreiszahlungen im Veräußerungsjahr 2010 zu berücksichtigen seien und änderte den Bescheid entsprechend.
Entscheidung
Die variablen Kaufpreisbestandteile können nicht bei der Ermittlung des im Streitjahr 2010 angefallenen Veräußerungsgewinns berücksichtigt werden.
Veräußerungspreis ist der tatsächlich erzielte Erlös. Dazu gehören alle Leistungen, die der Veräußerer vom Erwerber für die Übertragung erhält, sowie Leistungen, die der Veräußerer in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung vom Erwerber oder – ohne dass dies der Erwerber veranlasst hat – von einem Dritten erlangt. Das ist regelmäßig der vereinbarte Kaufpreis mit seinem Nennwert.
Der Veräußerungsgewinn entsteht grundsätzlich im Veräußerungszeitpunkt, d. h. mit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den wesentlichen Betriebsgrundlagen, und zwar unabhängig davon, ob der vereinbarte Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann der Verkaufserlös dem Veräußerer tatsächlich zufließt.
Der Veräußerungsgewinn ist damit regelmäßig stichtagsbezogen auf den Veräußerungszeitpunkt zu ermitteln. Später eintretende Veränderungen beim ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreis sind solange und soweit materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen, als der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt hat. Dabei ist es unerheblich, welche Gründe für die Minderung oder Erhöhung des Erlöses maßgebend waren. Dies gilt auch für die Veräußerung von Mitunternehmeranteilen.
Ist die Gegenleistung indes bereits erbracht und die Anteilsveräußerung vollzogen, liegt eine materiell-rechtliche und deshalb auch verfahrensrechtliche Rückwirkung auf das abgeschlossene Rechtsgeschäft nur vor, wenn der Rechtsgrund für die später geleistete Zahlung im ursprünglichen Rechtsgeschäft – der Anteilsveräußerung – angelegt ist. Ist die nach Vollziehung der Veräußerung geleistete Zahlung jedoch Gegenstand eines selbstständigen Rechtsgeschäfts, das nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Anteilsveräußerung steht, wirkt diese nicht auf den Zeitpunkt des Entstehens des Veräußerungsgewinns zurück.
Eine Ausnahme gilt bei gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen. In diesen Fällen ist auf die Realisation des Veräußerungsentgelts abzustellen, da der Veräußerer die Gewinne erst im Zuflusszeitpunkt erzielt. Eine stichtagsbezogene Betrachtung (Rückwirkung auf den Veräußerungszeitpunkt) wird nicht angestellt.
In Anwendung dieser Grundsätze haben die in den Jahren 2011 bis 2013 („Earn-Out-Periode“) vereinnahmten variablen Entgelte den im Jahr 2010 erzielten Anteilsveräußerungsgewinn nicht erhöht. Vielmehr sind sie im Zeitpunkt des Zuflusses als nachträgliche gewerbliche Betriebseinnahmen zu versteuern.
Bei den variablen Kaufpreisbestandteilen handelt es sich um Entgelte auf gewinnabhängige Kaufpreisforderungen, da sie von den in den 3 Jahren nach der Anteilsveräußerung von der Klägerin erzielten Rohmargen abhängig waren. Das Entstehen der Kaufpreisforderungen war also sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ungewiss. Damit wirken diese variablen Kaufpreisbestandteile nicht auf den Veräußerungszeitpunkt zurück. Sie sind genauso zu behandeln wie (andere) gewinn- oder umsatzabhängige Kaufpreisforderungen.
Gründe für eine unterschiedliche Behandlung von gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen im Allgemeinen und sogenannten Earn-Out-Zahlungen der hier vorliegenden Art im Besonderen sind nicht ersichtlich.
Denn auch bei „Earn-Out-Zahlungen“ – wie den im Streitfall vereinbarten – handelt es sich um – aufschiebend bedingte – Kaufpreisbestandteile, deren Entstehen im Veräußerungszeitpunkt sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ungewiss ist; eine Schätzung ihres Kapitalwerts ist im Veräußerungszeitpunkt nicht möglich. Diese Unsicherheit rechtfertigt es, derartige „Earn-Out-Zahlungen“ unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und in – jedenfalls gedanklicher – Anlehnung an das Realisationsprinzip von der stichtagsbezogenen Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 16 EStG auszunehmen. Die Entstehung derartiger Kaufpreisbestandteile ist im Veräußerungszeitpunkt noch nicht „so gut wie sicher“. Die dem Grunde und der Höhe nach unsicheren „Earn-Out-Zahlungen“ sind daher erst im Zeitpunkt des Zuflusses zu besteuern.
Im Streitfall ist auch keine steuerliche Rückwirkung auf den Veräußerungszeitpunkt anzunehmen, weil ein fester – die variablen Kaufpreisbestandteile enthaltender – Kaufpreis vereinbart worden und lediglich dessen Zahlung noch vom Eintritt bestimmter Bedingungen abhängig gewesen sei. Denn im Streitfall ist das Entstehen der variablen Kaufpreisbestandteile sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ungewiss gewesen. Soweit die variablen Kaufpreisbestandteile betroffen sind, kann daher nicht von der Reduzierung eines fest vereinbarten Kaufpreises ausgegangen werden. Fest vereinbart war nur ein Kaufpreis in Höhe von 5.318.000 EUR.
Lohn und Gehalt
1. Betriebsveranstaltung mit beschränkten Teilnehmerkreis: Lohnsteuerpauschalierung möglich?
Eine Betriebsveranstaltung kann auch dann vorliegen, wenn sie nicht allen Angehörigen eines Betriebs oder eines Betriebsteils offensteht.
Hintergrund
Die Klägerin veranstaltete im Jahr 2015 in eigenen Räumlichkeiten eine Weihnachtsfeier, zu der nur die Vorstandsmitglieder eingeladen waren. Die von ihr hierfür aufgewendeten Kosten betrugen insgesamt 8.034 EUR. Darüber hinaus richtete sie im selben Jahr eine Weihnachtsfeier für diejenigen Mitarbeiter am Standort B und den benachbarten Standorten C und D aus, die zum sog. oberen Führungskreis beziehungsweise Konzernführungskreis gehörten. Dabei handelte es sich um Mitarbeiter, die eine bestimmte Karrierestufe erreicht hatten, aber keinen eigenständigen Betriebsteil bildeten. Für diese Veranstaltung wendete die Klägerin insgesamt 168.439 EUR auf. Die ihren Vorstandsmitgliedern und dem Führungskreis mit den jeweiligen Weihnachtsfeiern zugewandten Vorteile unterwarf die Klägerin nicht dem Lohnsteuerabzug.
Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, die Klägerin habe die Lohnversteuerung zu Unrecht unterlassen. Die beantragte Lohnsteuerpauschalierung könne nicht mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erfolgen. Denn der Begriff der Betriebsveranstaltung setze ungeachtet der Einfügung einer Legaldefinition in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG mit Wirkung vom 1.1.2015 weiterhin voraus, dass die Teilnahme an der Veranstaltung allen Arbeitnehmern des Betriebs oder des Betriebsteils offenstehe. Entsprechend dieser Rechtsauffassung erließ das Finanzamt einen Nachforderungsbescheid.
Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage beim FG, die erfolglos blieb.
Entscheidung
Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben. Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass die Klägerin den Arbeitslohn, den sie ihren Vorstandsmitgliedern und den Führungskräften mit der Teilnahme an den Weihnachtsfeiern als Sachbezug zugewandt hat, nicht mit einem Pauschsteuersatz von 25 % versteuern kann.
Hierzu führten die Richter u. a. aus:
Die Nachforderung von Lohnsteuer beim Arbeitgeber durch Steuerbescheid kommt in Betracht, wenn die Lohnsteuer vorschriftswidrig nicht angemeldet worden ist und es sich um eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers handelt. Eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers liegt unter anderem vor, wenn die Voraussetzungen für eine Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40 EStG gegeben sind.
Der Arbeitgeber kann die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erheben, wenn er Arbeitslohn aus Anlass von Betriebsveranstaltungen zahlt. Betriebsveranstaltungen sind nach der mit Wirkung zum 1.1.2015 durch das Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften eingefügten Legaldefinition in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter.
Entgegen der Rechtsauffassung des FG handelt es sich bei den Weihnachtsfeiern des Vorstands und der Führungskräfte um Betriebsveranstaltungen im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG. Dass die Veranstaltungen nicht allen Betriebsangehörigen offenstanden, steht dem nicht entgegen.
Bis zu der gesetzlichen Neuregelung hat der BFH in ständiger Rechtsprechung unter den Begriff der Betriebsveranstaltung nur Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter subsumiert, bei denen die Teilnahme grundsätzlich allen Betriebsangehörigen offenstand. Das bisherige Begriffsverständnis greift § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG jedoch nur teilweise auf. So hat das auf der Rechtsprechung des Senats gründende Tatbestandsmerkmal des Offenstehens in der gesetzlichen Legaldefinition der Betriebsveranstaltung keinen Niederschlag gefunden. Diese Voraussetzung findet sich (nunmehr) vielmehr in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 3 EStG und steht damit nur noch in Verbindung mit der Gewährung des Freibetrags in Höhe von 110 EUR.
Unter Heranziehung des Wortlauts des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG setzt eine Betriebsveranstaltung ab dem Veranlagungszeitraum 2015 mithin nur noch eine Veranstaltung auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter voraus. Eine Veranstaltung, an der ausschließlich Beschäftigte des Betriebs und deren Begleitpersonen teilnehmen können, ist vom Wortsinn her eine solche Betriebsveranstaltung, auch wenn diese Veranstaltung nicht allen Angehörigen eines Betriebs offensteht.
Davon geht offensichtlich auch die Finanzverwaltung aus und sieht Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter – wie beispielsweise Betriebsausflüge, Weihnachtsfeiern und Jubiläumsfeiern – als Betriebsveranstaltungen an, wenn der Teilnehmerkreis sich überwiegend aus Betriebsangehörigen, deren Begleitpersonen und gegebenenfalls Leiharbeitnehmern oder Arbeitnehmern anderer Unternehmen im Konzernverbund zusammensetzt. Ein Offenstehen der Veranstaltung für alle Beschäftigten wird anders als in den bis zum Veranlagungszeitraum 2014 geltenden Lohnsteuer-Richtlinien R 19.5 Abs. 2 Satz 1 nicht mehr gefordert.
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 3 EStG nimmt das früher von der Rechtsprechung für die Definition der Betriebsveranstaltung herangezogene Tatbestandsmerkmal des Offenstehens auf, stellt es jedoch in einen anderen Kontext. Nunmehr ist das Offenstehen für alle Angehörigen des Betriebs oder eines Betriebsteils ausschließlich Tatbestandsvoraussetzung für die Gewährung des Freibetrags von 110 EUR.
Die in § 40 Abs. 2 EStG geregelten Pauschalierungsmöglichkeiten dienen vor allem der Vereinfachung des Lohnsteuerverfahrens. § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG trägt insbesondere dem Umstand Rechnung, dass der Arbeitgeber bei Betriebsveranstaltungen praktisch keine Möglichkeit hat, die von ihm eingeladenen Arbeitnehmer mit der auf die Zuwendung entfallenden Lohnsteuer zu belasten. Die vereinfachte Berechnung mit einem Pauschsteuersatz soll daher übermäßigen Arbeitsaufwand in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle vermeiden.
Der Klage ist nach allem stattzugeben.
2. Zur Folge einer verspäteten Pauschalbesteuerung bei Betriebsveranstaltungen
Aufwendungen von mehr als 110 EUR je Beschäftigten für eine Betriebsveranstaltung sind in der Sozialversicherung beitragspflichtig, wenn sie nicht mit der Entgeltabrechnung, sondern erst erheblich später pauschal versteuert werden.
Hintergrund
Geklagt hatte ein Unternehmen, das mit seinen Beschäftigten am 5.9.2015 ein Firmenjubiläum feierte. Das Unternehmen bezahlte am 31.3.2016 für September 2015 auf einen Betrag von rund 163.000 EUR die für 162 Arbeitnehmer angemeldete Pauschalsteuer. Der Rentenversicherungsträger forderte nach einer Betriebsprüfung Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen i. H. von rund 60.000 EUR nach.
Entscheidung
Das BSG hat entschieden, dass dies rechtmäßig war. Es kommt entscheidend darauf an, dass die pauschale Besteuerung „mit der Entgeltabrechnung für den jeweiligen Abrechnungszeitraum“ erfolgt. In diesem Fall war das die Entgeltabrechnung für September 2015. Doch tatsächlich wurde die Pauschalbesteuerung erst Ende März 2016 durchgeführt und damit sogar nach dem Zeitpunkt, zu dem die Lohnsteuerbescheinigung für das Vorjahr übermittelt werden muss.
Das BSG weist darauf hin, dass es für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung unerheblich ist, dass im Steuerrecht bei der Pauschalbesteuerung anders verfahren werden kann.
Private Immobilienbesitzer
1. Ermittlung der kürzeren Nutzungsdauer für Gebäudeabschreibung
Der Steuerpflichtige kann sich zur Darlegung einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes jeder sachverständigen Methode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint.
Hintergrund
Der Klägerin war aufgrund eines Erbvertrags mit ihrem verstorbenen Lebensgefährten (L) vermächtnishalber der lebenslange Nießbrauch an einem vermieteten Grundstück eingeräumt worden. Das Nießbrauchsrecht wurde nicht ins Grundbuch eingetragen. Auf dem Grundstück befinden sich ein im Jahr 1970 errichtetes Bürogebäude mit Betriebswohnungen und eine Lagerhalle. Die Anschaffungskosten waren fremdfinanziert.
Erben des L und damit Eigentümer des Grundstücks nach dessen Tod wurden dessen Söhne (S 1 und S 2). Die Klägerin hatte sich im Erbvertrag verpflichtet, die zum Zeitpunkt des Anfalls des Vermächtnisses noch bestehenden Verbindlichkeiten, die auf dem Grundstück lasteten, zu übernehmen. 2013 veräußerte S 1 seinen Miteigentumsanteil an dem Grundstück für 150.000 EUR an die Klägerin.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2014 machte die Klägerin bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für die auf die Gebäude entfallenden Anschaffungskosten AfA geltend. Sie ging davon aus, dass die tatsächliche Nutzungsdauer der Gebäude nur noch 6 Jahre betrage.
Das Finanzamt veranlagte die Klägerin zunächst erklärungsgemäß, erließ zu späterer Zeit aber einen geänderten Einkommensteuerbescheid, in dem es nur noch AfA in Höhe des typisierten festen Satzes von 2 % anerkannte.
Während des Einspruchsverfahrens änderte das Finanzamt die Einkommensteuerfestsetzung zu Gunsten der Klägerin aus vorliegend nicht streitigen Gründen. Im Übrigen wies es den Einspruch zurück.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin weiterhin, AfA nach Maßgabe einer tatsächlich kürzeren – 50 Jahre unterschreitenden – Nutzungsdauer der Gebäude abzuziehen. Das FG holte das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Wertermittlung von bebauten und unbebauten Grundstücken ein. Der Sachverständige ermittelte in seinem Gutachten vom 14.7.2020 für das Gesamtobjekt eine gewichtete tatsächliche Restnutzungsdauer von 19 Jahren.
Im Klageverfahren machte die Klägerin darüber hinaus erstmals geltend, dass die AfA-Bemessungsgrundlage zu erhöhen sei. Mit dem Erwerb des hälftigen Miteigentums sei insoweit ihr Nießbrauchsrecht untergegangen. Der Wert dieses Rechtsverlusts sei Bestandteil ihrer Anschaffungskosten gewesen.
Das FG gab der Klage statt. Es meinte, der Wert des seiner Ansicht nach untergegangenen Nießbrauchsrechts gehöre zu den Anschaffungskosten. Der kapitalisierte Wert jenes Rechts sei – bezogen auf den hälftigen Miteigentumsanteil – als Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG lägen vor. Der Sachverständige sei jedoch nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass die Anschaffungskosten auf nur 19 Jahre zu verteilen seien.
Entscheidung
Der BFH hält die Revision des Finanzamts für begründet, soweit das FG den kapitalisierten Wert des auf den erworbenen Miteigentumsanteil entfallenden Nießbrauchsrechts als Anschaffungskosten gewertet und in die AfA-Bemessungsgrundlage einbezogen hat. Der BFH hat das angefochtene Urteil aufgehoben, und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.
Die Entscheidung des FG, die Gebäude-AfA nicht über 50 Jahre, sondern gem. § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG über nur 19 Jahre zu verteilen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Hierzu führen die Richter u. a. aus:
Die Darlegungs- und Feststellungslast für eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer trägt der Steuerpflichtige.
Der Steuerpflichtige kann sich zur Darlegung einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG jeder sachverständigen Methode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint.
Die sachverständige Ermittlung der Restnutzungsdauer gem. § 6 Abs. 6 ImmoWertV 2010 ist eine gutachterlich anerkannte Schätzungsmethode.
Die angefochtene Entscheidung ist allerdings insoweit rechtsfehlerhaft, als das FG den Wert des Nießbrauchsrechts, der auf den von S 1 erworbenen Miteigentumsanteil an dem Grundstück entfällt, als Anschaffungskosten angesehen und im Umfang des Gebäudeanteils in die AfA-Bemessungsgrundlage einbezogen hat. Hierfür besteht keine Rechtsgrundlage.
Der kapitalisierte Wert eines lebenslangen, fortbestehenden Nießbrauchsrechts an einem Grundstück ist nicht Bestandteil der Anschaffungskosten des Grundstücks, wenn der Nießbraucher das Eigentum am belasteten Grundstück erwirbt.
Im zweiten Rechtsgang wird das FG zu befinden haben, in welcher Höhe neben den AfA für die auf das Gebäude entfallenden Anschaffungskosten weitere AfA nach § 7 Abs. 1 EStG auf das in Gänze fortbestehende Nießbrauchsrecht abzuziehen sind. Hierzu bedarf es Feststellungen zur Höhe der Darlehensverbindlichkeiten zum Zeitpunkt der Erfüllung des Vermächtnisses sowie zur Laufzeit des Nießbrauchs.
2. Kündigung wegen Eigenbedarfs auch bei angespanntem Wohnungsmarkt zulässig?
Trotz wirksamer Eigenbedarfskündigung kann der Vermieter verpflichtet sein, das Mietverhältnis fortzusetzen. Das gilt insbesondere dann, wenn der Wohnungsmarkt so angespannt ist, dass der Mieter trotz ausreichender Bemühungen keine Ersatzwohnung findet.
Hintergrund
Eine Vermieterin kündigte ihrem Mieter wegen Eigenbedarfs, weil er als Eigentümer seine Wohnung in Berlin künftig selbst nutzen wollte. Im Kündigungsschreiben berief er sich darauf, dass sie ihre Wohnung benötigt, weil sie in einem Restaurant in Berlin arbeiten wird, an dem sie Anteile erworben hat.
Doch der Mieter widersprach der Kündigung und verwies darauf, dass er in Berlin keinen angemessenen Ersatzwohnraum zu angemessenen Bedingungen findet. Aus diesem Grunde sei die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn mit einer unangemessenen Härte verbunden. Im Folgenden verklagte die Vermieterin ihn auf Räumung der Wohnung.
Entscheidung
Das LG sah zwar die Kündigung wegen Eigenbedarfs als wirksam an, weil sie diese nach Auffassung der Richter formell ordnungsgemäß begründet hatte und die Vermieterin die Wohnung aus tatsächlich benötigt. Gleichwohl wies das Gericht die Räumungsklage der Vermieterin als unbegründet zurück und ordnete an, dass die Vermieterin das Mietverhältnis für 2 Jahre fortsetzen muss.
Die Richter begründeten das damit, dass die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter eine unzumutbare Härte darstellt, weil für ihn aufgrund seiner begrenzten finanziellen Mittel kein angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen zur Verfügung steht.
Das hat der Mieter dadurch unter Beweis gestellt, dass über einen Zeitraum von 2 Jahren und 8 Monaten 244-mal vergeblich auf freie Wohnungen in Berlin sowie im Berliner Umland beworben hat.
Dass der Mieter keine reale Chance auf eine zumutbare Ersatzwohnung hat, ergibt sich vor allem daraus, dass auf dem Berliner Wohnungsmarkt eine Leerstandsquote von nur noch 0,3 % besteht, dem hohen jährlichen Bevölkerungszuwachs (fast 85.000 Personen im Jahr 2022), eines gesunkenen Bestandes an Sozialwohnungen sowie einer geringen Quote von Neubauten.
Darüber hinaus hatte auch ein vom Gericht herangezogener Sachverständiger festgestellt, dass der Mieter aufgrund des knappen Angebotes freier Wohnungen in Berlin keine Ersatzwohnung findet.
Demgegenüber sah das LG das Interesse der Vermieterin an dem Einzug in ihre Wohnung als weniger gewichtig an als das Interesse des Mieters an der Fortsetzung des Mietverhältnisses. Denn für den Mieter bestehe das Risiko, dass er bei einer Räumung wohnungslos wird.
3. Mieter mit Behinderung: Darf er eine barrierefreie Dusche einbauen
Trotz wirksamer Eigenbedarfskündigung kann der Vermieter verpflichtet sein, das Mietverhältnis fortzusetzen. Das gilt insbesondere dann, wenn der Wohnungsmarkt so angespannt ist, dass der Mieter trotz ausreichender Bemühungen keine Ersatzwohnung findet.
Hintergrund
Eine Vermieterin kündigte ihrem Mieter wegen Eigenbedarfs, weil er als Eigentümer seine Wohnung in Berlin künftig selbst nutzen wollte. Im Kündigungsschreiben berief er sich darauf, dass sie ihre Wohnung benötigt, weil sie in einem Restaurant in Berlin arbeiten wird, an dem sie Anteile erworben hat.
Doch der Mieter widersprach der Kündigung und verwies darauf, dass er in Berlin keinen angemessenen Ersatzwohnraum zu angemessenen Bedingungen findet. Aus diesem Grunde sei die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn mit einer unangemessenen Härte verbunden. Im Folgenden verklagte die Vermieterin ihn auf Räumung der Wohnung.
Entscheidung
Das LG sah zwar die Kündigung wegen Eigenbedarfs als wirksam an, weil sie diese nach Auffassung der Richter formell ordnungsgemäß begründet hatte und die Vermieterin die Wohnung aus tatsächlich benötigt. Gleichwohl wies das Gericht die Räumungsklage der Vermieterin als unbegründet zurück und ordnete an, dass die Vermieterin das Mietverhältnis für 2 Jahre fortsetzen muss.
Die Richter begründeten das damit, dass die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter eine unzumutbare Härte darstellt, weil für ihn aufgrund seiner begrenzten finanziellen Mittel kein angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen zur Verfügung steht.
Das hat der Mieter dadurch unter Beweis gestellt, dass über einen Zeitraum von 2 Jahren und 8 Monaten 244-mal vergeblich auf freie Wohnungen in Berlin sowie im Berliner Umland beworben hat.
Dass der Mieter keine reale Chance auf eine zumutbare Ersatzwohnung hat, ergibt sich vor allem daraus, dass auf dem Berliner Wohnungsmarkt eine Leerstandsquote von nur noch 0,3 % besteht, dem hohen jährlichen Bevölkerungszuwachs (fast 85.000 Personen im Jahr 2022), eines gesunkenen Bestandes an Sozialwohnungen sowie einer geringen Quote von Neubauten.
Darüber hinaus hatte auch ein vom Gericht herangezogener Sachverständiger festgestellt, dass der Mieter aufgrund des knappen Angebotes freier Wohnungen in Berlin keine Ersatzwohnung findet.
Demgegenüber sah das LG das Interesse der Vermieterin an dem Einzug in ihre Wohnung als weniger gewichtig an als das Interesse des Mieters an der Fortsetzung des Mietverhältnisses. Denn für den Mieter bestehe das Risiko, dass er bei einer Räumung wohnungslos wird.
4. Klage gegen Miteigentümer: Wann ist eine öffentliche Zustellung zulässig?
Eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann eine Klage gegen einen Miteigentümer unbekannten Aufenthalts erst dann öffentlich zustellen lassen, wenn sie erfolglos versucht hat, die ihr bekannten Wege zur Kontaktaufnahme auszuschöpfen.
Hintergrund
Eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verlangt von einem ihrer Mitglieder im Zusammenhang mit Sonderumlagen und Jahresabrechnungen Zahlung von 59.300 Euro. Das Amtsgericht hatte den Eigentümer durch Versäumnisurteil zur Zahlung verurteilt und den Einspruch des Eigentümers hiergegen verworfen. Das Landgericht bestätigte diese Entscheidung. Hiergegen wendet sich der Eigentümer vor dem BGH.
Die Klage und das Versäumnisurteil waren im Wege der öffentlichen Zustellung zugestellt worden. Vorangegangen war der erfolglose Versuch der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, dem Eigentümer das Protokoll einer Eigentümerversammlung an die ihr bekannte Anschrift zuzustellen. Darauf hatte sich ein Rechtsanwalt gemeldet und eine Adresse des Eigentümers in Tschechien angegeben, wo sich dieser berufsbedingt aufhalte. Gleichzeitig kündigte der Anwalt an, alsbald eine Adresse mitzuteilen, an die Zustellungen erfolgen könnten; dies unterblieb dann aber.
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer holte sodann eine Auskunft des Einwohnermeldeamts ein, wonach die Anschrift des Eigentümers nicht ermittelt werden konnte. Mithilfe dieser Auskunft erwirkte die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die öffentliche Zustellung der Klage, ohne zuvor zu versuchen, den Eigentümer über eine ihr bekannte E-Mail-Adresse zu erreichen.
Der Eigentümer, der zwischenzeitlich von der Klage und dem Urteil Kenntnis erhielt, meint, die öffentliche Zustellung der Klage und des Versäumnisurteils seien unzulässig gewesen. Er sieht seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.
Entscheidung
Der BGH teilt die Auffassung des Eigentümers. Die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung lagen nicht vor. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat nicht alle geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen angestellt, um den Aufenthalt des Eigentümers zu ermitteln und eine öffentliche Zustellung zu vermeiden.
Die Zustellung einer Klage oder eines Urteils kann durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist. Unbekannt ist der Aufenthalt einer Person nur dann, wenn nicht nur das Gericht, sondern auch die Allgemeinheit den Aufenthalt des Zustellungsadressaten nicht kennt.
An die Feststellungen, dass eine Person unbekannten Aufenthalts ist, sind hohe Anforderungen zu stellen. Dabei ist es Sache der Partei, die durch die Zustellung begünstigt wird (hier der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer), alle geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen anzustellen, um den Aufenthalt des Zustellungsempfängers zu ermitteln und ihre ergebnislosen Bemühungen gegenüber dem Gericht darzulegen. Allein die ergebnislose Anfrage beim Einwohnermeldeamt genügt hierfür in der Regel nicht.
Der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer war eine Adresse in Tschechien bekannt, der sie nicht weiter nachgegangen ist. Allein der Ankündigung, alsbald eine Zustellungsanschrift mitzuteilen, konnte die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht mit Sicherheit entnehmen, dass die Adresse in Tschechien nicht mehr gültig war.
Außerdem lag der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eine E-Mail-Adresse des Eigentümers vor. Es wäre für sie möglich und zumutbar gewesen, den Eigentümer per E-Mail zu kontaktieren und ihn mit Blick auf die beabsichtigte Klageerhebung aufzufordern, eine Zustelladresse anzugeben oder einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen.
Da die Voraussetzungen für eine offizielle Zustellung nicht vorlagen, war der Anspruch des Eigentümers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Nun muss das Landgericht, an das die Sache zurückverwiesen wurde, prüfen, ob die Einwendungen des Eigentümers, die dieser gegen das Zahlungsverlangen vorbringt, berechtigt sind.
Sonstige Steuer
1. Belastung mit Erbschaftsteuer: Wann greift die Einkommensteuerermäßigung?
Der Begünstigungszeitraum des § 35b Satz 1 EStG beginnt mit Entstehung der Erbschaft-steuer. Dies ist regelmäßig der Tod des Erblassers.
Hintergrund
Der zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Kläger ist der Alleinerbe der im Jahr 2010 verstorbenen W, zu deren Nachlass unter anderem zwei Beteiligungen an Kommanditgesellschaften gehörten. Aufgrund einer nahezu sechs Jahre andauernden Erbenermittlung in einem mehrinstanzlichen Erbscheinverfahren sowie personeller Engpässe im Nachlassgericht wurde erst im März 2016 ein Erbschein ausgestellt, der den Kläger als Alleinerben auswies. Bis zur Erteilung des Erbscheins war der Kläger aufgrund der Bestellung eines Nachlass- und Verfahrenspflegers daran gehindert, über den Nachlass zu verfügen.
Im Erbschaftsteuerbescheid vom 17.11.2016, der am 22.5.2017 geändert worden ist, wurde Erbschaftsteuer festgesetzt. Die Erbschaftsteuer hatte der Kläger bereits Ende Dezember 2016 entrichtet.
Mit Wirkung zum 1.1.2017 veräußerte der Kläger die KG-Beteiligungen.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2017 machten die Kläger hinsichtlich dieser Veräußerungen die Steuerermäßigung nach § 35b EStG geltend. Das Finanzamt gewährte die Ermäßigung nicht. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Entscheidung
Der BFH hat entschieden, dass das FG zutreffend davon ausgegangen sei, dass die Voraussetzungen für die beantragte Steuerermäßigung bei Belastung mit Erbschaftsteuer nach § 35b Satz 1 EStG nicht vorliegen würden. Es sei zudem verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass in Bezug auf die im Streitjahr veräußerten Beteiligungen die aufgrund des Erwerbs von Todes wegen entstandene Erbschaftsteuerbelastung bei der Einkommensteuerfestsetzung unberücksichtigt bleibe.
Nach § 38 AO entsteht der Steueranspruch als Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das (Einzelsteuer -)Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Dieser Entstehungszeitpunkt wird hinsichtlich der Erbschaftsteuer durch § 9 ErbStG bestimmt. Nach dem Grundtatbestand des § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG entsteht die Erbschaftsteuer bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tod des Erblassers. Dieser materielle Steueranspruch ist unabhängig von der Steuerfestsetzung.
Mit der Formulierung „der Erbschaftsteuer unterlegen“ kann zwar der Zeitpunkt der Entstehung, aber auch – wie die Kläger meinen – der Zeitpunkt der Festsetzung der Erbschaftsteuer gemeint sein.
Demgegenüber bestehen nach dem Gesetzeswortlaut keine Anhaltspunkte dafür, dass damit der Zeitpunkt der Klärung der Erbenstellung, der Erlangung der tatsächlichen Verfügungsmacht über den Nachlass oder gar der Zahlung der Erbschaftsteuer gemeint sein könnte. Diese Zeitpunkte sind lediglich (mittelbare) Folgen des Todes des Erblassers bzw. der Festsetzung der Erbschaftsteuer.
Wann der Erbgang endgültig geklärt ist, hat allenfalls Einfluss auf den möglichen Festsetzungszeitpunkt der Erbschaftsteuer. Die tatsächliche Zugriffsmöglichkeit auf den Nachlass hat demgegenüber grundsätzlich keine erbschaftsteuerliche Bedeutung. Schließlich wäre es eine Überdehnung des Wortlauts anzunehmen, ein Vorgang „unterliege“ der Steuer noch nicht einmal bei einer durchsetzbaren Zahlungspflicht, sondern erst mit Zahlung, zumal der Zeitpunkt der Zahlung auch willkürlich sein kann.
Die Gesetzessystematik, konkret das Zusammenspiel von § 35b EStG mit den Regelungen des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes, spricht für eine Anknüpfung an § 9 ErbStG. Denn die in § 35b EStG vorgesehene Steuerermäßigung lässt sich nach Grund und Umfang nur dann sachgerecht ermitteln, wenn man auf den Entstehungszeitpunkt der Erbschaftsteuer abstellt.
Aus diesem Grunde muss der Ermäßigungszeitraum zu einem klar definierten Zeitpunkt beginnen, der einfach feststellbar ist, aber auch über den Einzelfall hinaus eine gewisse Gleichmäßigkeit der Besteuerung gewährleistet. Dies ist regelmäßig der Entstehungszeitpunkt der Erbschaftsteuer, meist also der Todestag des Erblassers oder der Erblasserin. Dagegen variiert der Zeitpunkt der Festsetzung der Erbschaftsteuer je nach Einzelfall deutlich stärker. Im Fall von Änderungen des Erbschaftsteuerbescheids gibt es zudem mehrere Festsetzungszeitpunkte. Hier bliebe aber unklar, an welchen Zeitpunkt anzuknüpfen wäre. Soweit eine Änderung der Erbschaftsteuerfestsetzung zu einer Änderung des Ermäßigungsbetrags führt, stehen die Änderungsvorschriften der AO zur Verfügung. Es ist aber kein sachgerechtes Kriterium dafür ersichtlich, wie in einem solchen Fall der Ermäßigungszeitraum bestimmt werden sollte.
Diesen Überlegungen steht nicht entgegen, dass, wie die Kläger meinen, eine Ermäßigung nach § 35b Satz 2 EStG erst berechenbar wäre, wenn die Erbschaftsteuer festgesetzt oder zumindest die Erbschaftsteuererklärung abgegeben worden ist. Stehen in dem Zeitpunkt, in dem der Einkommensteuerbescheid erlassen wird, einzelne Besteuerungsgrundlagen – hier die Höhe des etwaigen Ermäßigungsbetrags – noch nicht fest, kann auch dieser Unsicherheit mit entsprechenden verfahrensrechtlichen Mitteln im Rahmen der Einkommensbesteuerung ohne Weiteres Rechnung getragen werden. Schon um die Vorschrift auch tatsächlich anwenden zu können, erscheint es deshalb geboten, § 35b Satz 1 EStG so auszulegen, dass der 5-jährige Begünstigungszeitraum wie vom FG angenommen bereits mit der Entstehung der Erbschaftsteuer beginnt.
Der Sinn und Zweck der Vorschrift, wie er sich aus ihrer Entstehungsgeschichte ergibt, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Das gilt insbesondere auch für Konstellationen, in denen – wie im Streitfall – die Erbschaftsteuer so spät festgesetzt wird, dass wegen Ablaufs des Ermäßigungszeitraums eine Doppelbelastung nicht mehr ausgeglichen werden kann.
§ 35b EStG soll der „Doppelbelastung“ bestimmter Vermögenswerte mit Erbschaftsteuer- und Einkommensteuer Rechnung tragen. Dies sichert rechtstechnisch die in § 35b Satz 2 EStG vorgegebene Rechenformel. Jedoch macht schon die zeitliche Begrenzung der Steuerermäßigung in § 35b Satz 1 EStG auf lediglich 5 Veranlagungszeiträume deutlich, dass der Gesetzgeber diese Doppelbelastung nicht in jedem Fall beseitigen wollte.
Auf den vorliegenden Fall angewandt bedeutet dies, dass eine Ermäßigung der Einkommensteuer nach § 35b Satz 1 EStG schon deshalb ausscheidet, weil der Kläger die KG-Beteiligungen außerhalb des dort genannten 5-jährigen Zeitraums nach dem Tod der W veräußert hat.
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn aufgrund der Begrenzung des Begünstigungszeitraums des § 35b Satz 1 EStG auf 5 Jahre – wie vorliegend – zum einen der Erwerb der Beteiligungen mit Erbschaftsteuer und zum anderen ihre Veräußerung mit Einkommensteuer belastet wird. Weder ist der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, noch ist eine etwaige verfassungsrechtlich zu beachtende Belastungsgrenze überschritten.
Die kumulierte Belastung des Steuerpflichtigen für die übergehende Vermögenssubstanz mit Erbschaftsteuer einerseits und des buchmäßigen Veräußerungsgewinns mit Einkommensteuer andererseits widerspricht schon deshalb nicht dem aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG hergeleiteten Leistungsfähigkeitsprinzip, weil der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungspielraum bei der Wahl des Steuergegenstandes hat. Ein Verfassungssatz, der den Gesetzgeber bei der Wahl des Steuergegenstandes verpflichtet, Steuern so aufeinander abzustimmen, dass keine mehrfachen Belastungen entstehen, existiert nicht.
Steuerrecht Arbeitnehmer
1. Abfindungen: Rückkehrrecht verhindert ermäßigte Besteuerung
Wird Arbeitnehmern ein Rückkehrrecht zu ihrem früheren Arbeitgeber eingeräumt, können in diesem Zusammenhang gezahlte Abfindung nicht ermäßigt besteuert werden.
Hintergrund
Die Beschäftigten waren über viele Jahre in der Produktionssparte eines inländischen Konzerns angestellt. Die Produktionssparte wurde zunächst im Rahmen eines ersten Betriebsüberganges auf eine neue Konzerngesellschaft innerhalb des Konzerns und sodann im Rahmen eines zweiten Betriebsüberganges auf eine Tochtergesellschaft einer ausländischen Holding des inländischen Konzerns übertragen. In der Folgezeit firmierte die Tochtergesellschaft um und wurde im Rahmen eines Sharedeals an eine ausländische – konzernfremde – Gesellschaft übertragen.
Aus einer zwischen den Beteiligten vor dem ersten Betriebsübergang getroffenen Vereinbarung ergibt sich, dass die Beschäftigten der Produktionssparte bei der Ausgliederung so zu behandeln sind, als wären Sie noch bei der Konzerngesellschaft beschäftigt. Eine weitere spätere Vereinbarung sicherte den Beschäftigten zudem bei betriebsbedingter Kündigung entweder ein Rückkehrrecht zur deutschen Konzerngesellschaft oder eine Abfindung zu.
Einige Jahre danach kam es zu einer Vielzahl von Kündigungen und zur Zahlung von Abfindungen. Aufgrund des vereinbarten „Rückkehrrechts“ kehrte ein Teil der Beschäftigten längerfristig zum deutschen Konzern zurück, während ein anderer Teil lediglich für eine juristische Sekunde angestellt wurde und sodann eine weitere Abfindung erhielt. Das Finanzamt unterwarf die seitens des ausländischen Konzerns aufgrund der betriebsbedingten Kündigung gezahlte erste Abfindung in allen Fällen dem tariflichen Einkommensteuersatz.
Entscheidung
Das FG entschied, dass die erste Abfindung nicht ermäßigt nach den §§ 24, 34 EStG besteuert werden kann. Das gilt sowohl für die Fälle, in denen die Beschäftigten langfristig in der deutschen Konzerngesellschaft verblieben sind, als auch in den Fällen, in denen eine zweite Abfindung gezahlt wurde. Die fehlende Beendigung des Einkünfteerzielungstatbestandes steht der Annahme außerordentlicher Einkünfte und damit einer ermäßigten Besteuerung entgegen.
2. Wann kann das Finanzamt einen vorläufigen Steuerbescheid ändern?
Der Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO ermöglicht lediglich eine Änderung zu Gunsten des Steuerpflichtigen, nicht aber eine Änderung zu dessen Ungunsten.
Hintergrund
Die Klägerin absolvierte in den Jahren 2009 und 2010 einen Lehrgang als Rettungssanitäterin, der rund 3 Monate dauerte. Anschließend begann sie ein Medizinstudium, das in den Jahren 2011-2016 zu erheblichen Verlusten führte. Diese Verluste machte sie steuermindernd geltend.
Die Verluste wurden anerkannt, die Steuerbescheide ergingen aber hinsichtlich der Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein Studium als Werbungskosten vorläufig. Ab 2015 wurde § 9 Abs. 6 EStG enger gefasst. Demnach muss die Erstausbildung, die Voraussetzung für die Geltendmachung der Studienkosten ist, mindestens 12 Monate gedauert haben. Aufgrund dieser Neuregelung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die Verluste in den Jahren 2015 und 2016 zu Unrecht bei der Klägerin anerkannt worden seien
Das Finanzamt änderte die Einkommensteuerbescheide 2015 und 2016 dahingehend, dass die Verluste nicht mehr berücksichtigt wurden. Zur Erläuterung wurde auf die Norm des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO verwiesen. Nach einem erfolglosen Einspruchsverfahren wandte sich die Klägerin an das Finanzgericht.
Entscheidung
Die Klägerin hatte beim Finanzgericht mit ihrem Ansinnen Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts war das Finanzamt nicht berechtigt, die Einkommensteuerbescheide 2015 und 2016, in denen die Verluste als vorweggenommene Werbungskosten anerkannt worden waren, zu ändern. Nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO, auf den sich die Finanzverwaltung bezog, kann eine vorläufige Steuerfestsetzung erfolgen, wenn fraglich ist, ob eine Bestimmung mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Mit ihr soll vor allem vermieden werden, dass es zu einer Vielzahl von Rechtsbehelfsverfahren kommt. Ausgangspunkt für die Anwendung der Regelung müsse deshalb eine den Steuerpflichtigen belastende Regelung sein, deren Rechtmäßigkeit fraglich und zu der ein Musterverfahren anhängig ist. Vor diesem Hintergrund könne ein Vorläufigkeitsvermerk grundsätzlich nur zu einer für den Steuerpflichtigen günstigeren Änderung führen. Eine Änderung zu Lasten des Steuerpflichtigen sei nicht zulässig. Insofern sei hier keine Änderung der Steuerbescheide 2015 und 2016 möglich gewesen.
3. Inländischen Besteuerung von Abfindungszahlungen bei Verlagerung des Wohnsitzes in das EU-Ausland
Die Neufassung des § 50d Abs. 12 EStG mit Wirkung ab dem 1.1.2017 führt zu einer unechten Rückwirkung. Diese ist verfassungsgemäß.
Hintergrund
Die Klägerin wohnte zunächst in Deutschland. Mit Auflösungsvereinbarung vom 11.2.2016 beendete die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis zum 30.9.2016 und vereinbarte eine Abfindung, die im letzten Monat des Arbeitsverhältnisses ausgezahlt werden sollte; auf Wunsch der Klägerin erfolgte die Zahlung erst im Januar 2017. Die Klägerin kündigte ihre Wohnung in Deutschland mit Ablauf September 2016 und schloss einen Mietvertrag (vom 27.8.2016) für eine Wohnung in Malta ab.
Das Finanzamt unterwarf die Abfindungszahlung trotz des Zuflusses im Jahr 2017 der Besteuerung in Deutschland, da ab dem 1.1.2017 die Vorschrift des § 50d Abs. 12 EStG anzuwenden wäre und somit Deutschland das Besteuerungsrecht für Abfindungszahlungen zustünde. Die Klägerin war dagegen der Meinung, dass dies eine nicht zulässige Rückwirkung darstellen würde.
Entscheidung
Die zulässige Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat für die im Jahr 2017 beschränkt steuerpflichtige Klägerin zutreffend die inländischen Einkünfte aus der Abfindung berücksichtigt, für die wegen § 50d Abs. 12 EStG ein Besteuerungsrecht für Deutschland besteht. Nach § 50d Abs. 12 EStG gelten Abfindungszahlungen für Zwecke der Anwendung eines DBA als für frühere Tätigkeit geleistetes zusätzliches Entgelt. Diese Vorschrift trat am 1.1.2017 in Kraft und galt daher erstmals im Streitjahr 2017.
Der Senat erkennt dabei keine Verfassungswidrigkeit aufgrund unechter Rückwirkung. Bei der Bestimmung des Maßes der Schutzwürdigkeit des Vertrauens auf das alte Recht sei zu berücksichtigen, dass der steuerliche Gesetzgeber typischerweise veranlagungszeitraumbezogene Rechtsänderungen vornimmt. Hier wäre die Vereinbarung einer entsprechenden Anpassungsklausel für den Fall der nachteiligen Änderung des Steuerrechts für die Klägerin möglich und zumutbar gewesen.
4. Abzugsfähigkeit: Häusliches Arbeitszimmer und betriebliches Büro
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig, wenn zugleich ein betriebliches Büro zur Verfügung steht. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige an Altersfreizeittagen und arbeitsfreien Tagen das Arbeitszimmer für berufliche Zwecke nutzt.
Hintergrund
Das Finanzamt hat die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten anerkannt, da dem Kläger ein betriebliches Büro zur Verfügung gestanden habe. Außerdem hat das Finanzamt die Aufwendungen für einen Waschservice nicht, wie von den Klägern geltend gemacht, als haushaltsnahe Dienstleistung berücksichtigt, da es sich nicht um Dienstleistungen im eigenen Haushalt der Kläger handele. Nach erfolglosem Einspruch begründeten die Kläger ihre Klage damit, dass der Kläger das 63 km entfernte betriebliche Büro nicht habe nutzen können, weil es aus Gründen des Umweltschutzes verboten sei, unnötige Fahrten zu unternehmen und er die Arbeit ohne Umweltverschmutzung vom Telearbeitsplatz erledigen könne.
Da das Arbeitszimmer des Klägers nicht der Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit war, haben die Kläger ihr Abzugsbegehren auf den Betrag von 1.250 EUR eingeschränkt. Zu den haushaltsnahen Dienstleistungen sei höchstrichterlich entschieden, dass es darauf ankomme, dass der Leistungserfüllungszeitpunkt im Haushalt liege. Der Prozess, Hemden zu waschen und bügeln, beginne mit der Entnahme der schmutzigen Hemden aus der Wäschetruhe und ende mit dem Aufhängen der gebügelten Hemden im Kleiderschrank.
Entscheidung
Das FG hat entschieden, dass für das Arbeitszimmer auch ein Abzug i. H. v. 1.250 EUR nicht in Betracht komme, da dem Kläger ein „anderer Arbeitsplatz“ in seinem betrieblichen Büro zur Verfügung gestanden habe (Sachverhalt und Rechtslage vor VZ 2023). Dieses betriebliche Büro war zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit uneingeschränkt objektiv geeignet. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Kläger an Altersfreizeittagen oder anderen arbeitsfreien Tagen in seinem häuslichen Büro gearbeitet habe. Zu den Kosten für den Waschservice hat das FG die Auffassung vertreten, dass es im Streitfall an der räumlichen Nähe der ausgeführten Dienstleistungen zum Haushalt der Kläger fehle. Die streitbefangenen Dienstleistungen seien nämlich nicht im oder in der Nähe des Haushalts der Kläger ausgeführt worden, sondern in einem räumlich entfernt liegenden Gewerbebetrieb.
Steuerrecht Privatvermögen
1. Kindergeld bei Einweisung in psychiatrisches Krankenhaus
Eine erhebliche Mitursächlichkeit der Behinderung des Kindes für seine mangelnde Fähigkeit zum Selbstunterhalt genügt für den Kindergeldanspruch auch dann, wenn es in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht ist.
Hintergrund
Die Klägerin ist die Mutter des im Juli 1999 geborenen Sohnes C. Dieser leidet seit etwa seinem 14. Lebensjahr an einer hebephrenen Schizophrenie (F 20.1). Dies äußerte sich bei C durch expansiv-aggressives Verhalten mit Weglauftendenzen, Grenzüberschreitung, Sexualisierung, manische Zustände mit Selbstüberschätzung, Abwertung anderer, körperliche Übergriffe und zudem eigengefährdende Handlungen.
Wegen verschiedener Gewaltausbrüche wurde C aufgrund einstweiligen Unterbringungsbefehls des AG Hamburg aus dem Jahr 2017 in der Klinik F, VI. psychiatrische Station, untergebracht. Er wurde aber später wieder vom Vollzug der einstweiligen Unterbringung verschont und befand sich in den Monaten Oktober und November 2017 in der geschlossenen psychiatrischen Abteilung der Klinik H und im Anschluss in der Klinik F, (Akutstation). Im Januar 2018 wurde der Unterbringungsbefehl wieder in Vollzug gesetzt. Einkünfte erzielte C nicht.
Bei den rechtswidrigen Körperverletzungen handelte C nach der Überzeugung des AG Hamburg jeweils ohne Schuld, weil seine Steuerungsfähigkeit infolge der schizophrenen Erkrankung aufgehoben war. Das Gericht ordnete die Unterbringung des C in einem psychiatrischen Krankenhaus an.
Die Familienkasse hatte Kindergeld für C zunächst ab August 2017 festgesetzt. Sie nahm an, er sei wegen seiner Behinderung außerstande, sich selbst zu unterhalten. In der Folge hob die Familienkasse den Kindergeldbescheid wieder auf und forderte den gezahlten Betrag zurück.
Den hiergegen sowohl wegen der Aufhebung der Kindergeldbescheids als auch wegen der Rückforderung des Kindergelds eingelegten Einspruch der Klägerin wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung als unbegründet zurück. C sei wegen seiner Unterbringung in der forensischen Psychiatrie und der dadurch bedingten Freiheitsbeschränkung nicht in der Lage, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, nicht aber wegen seiner Behinderung.
Mit der anschließend erhobenen Klage vertrat die Klägerin die Ansicht, im Streitfall sei die Ursächlichkeit der Behinderung des C für seine fehlende Fähigkeit zum Selbstunterhalt gegeben. Insbesondere liege kein Fall der überholenden Kausalität vor, denn die Behinderung sei ursächlich für die Unterbringung. Das FG ist der Auffassung Klägerin gefolgt und hat der Klage stattgegeben.
Entscheidung
Der BFH hat entschieden, dass die Vorinstanz in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen ist, dass C auch während der Zeit, in der die vom AG Hamburg angeordnete (einstweilige) Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vollzogen wurde, als behindertes Kind zu berücksichtigen ist. Die rechtliche Würdigung des FG, die Unterbringung des C in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgrund des Unterbringungsbefehls vom März 2017 und des Urteils des AG Hamburg aus dem August 2018 stelle keine die behinderungsbedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt überholende Ursache dar, sei nicht zu beanstanden.
§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG erfordere, dass das Kind „wegen“ seiner Behinderung außerstande sein müsse, sich selbst zu unterhalten. Die Behinderung müsse somit nach den Gesamtumständen des Einzelfalles für die fehlende Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ursächlich sein.
Nach ständiger Rechtsprechung bestehe für behinderte Kinder, die sich in Strafhaft befänden, kein Anspruch auf Kindergeld. Gleiches gelte für behinderte Kinder, die wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht seien. Begründet werde dies mit der dann insoweit fehlenden Kausalität zwischen der Behinderung und der Unfähigkeit zum Selbstunterhalt.
Soweit andere, die behinderungsbedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt insoweit überholende Ursachen, wie z. B. die Inhaftierung oder die Unterbringung im Maßregelvollzug, hinzuträten, sei Kindergeld selbst dann zu versagen, wenn die Begehung der zur Inhaftierung führenden Straftat behinderungsbedingt sei. Während der Haft sei ein Kind unabhängig davon, ob es behindert sei oder nicht, grundsätzlich außerstande, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. In diesen Fällen stehe nicht die Behinderung eines Kindes der Ausübung einer Erwerbstätigkeit zur Bestreitung des Lebensunterhalts entgegen, sondern die Inhaftierung.
Die Rechtsprechungsgrundsätze zur Kausalität der Behinderung für die fehlende Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt seien für die Fälle, in denen ein Strafgericht die Unterbringung des Kindes in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet habe, allerdings fortzuentwickeln und zu präzisieren.
Im Zusammenhang mit einem arbeitslosen behinderten Kind habe der BFH bereits entschieden, dass nicht jede einfache Mitursächlichkeit ausreiche, sondern vielmehr die Mitursächlichkeit der Behinderung für die fehlende Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt erheblich sein müsse. Ob eine erhebliche Mitursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt gegeben sei, habe das FG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Eine abstrakte Betrachtungsweise sei nicht zulässig.
Diese Grundsätze seien auch in Fällen anzuwenden, in denen ein behindertes Kind wegen einer im Zustand der Schuldunfähigkeit begangenen rechtswidrigen Tat nicht habe verurteilt werden können und in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden sei. Entsprechendes gelte für die Zeiträume, in denen das Kind einstweilen in einer solchen Einrichtung untergebracht sei.
Die erhebliche Mitursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt müsse daher nicht zwangsläufig entfallen, wenn das Kind aufgrund seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus einer bedarfsdeckenden Erwerbstätigkeit nicht nachgehen könne. Zwar sei das Kind dann letztlich wegen der freiheitsentziehenden Maßnahme nicht mehr in der Lage, sich selbst zu unterhalten. Die erhebliche Mitursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt könne aber weiterhin fortbestehen. Ob die Behinderung eine wesentliche Mitursache für die fehlende Fähigkeit zum Selbstunterhalt bleibe oder ob die zwangsweise Unterbringung in einem Krankenhaus oder einer Justizvollzugsanstalt diese Ursache so überlagere, dass die Behinderung im Vergleich dazu nicht mehr als wesentliche Bedingung angesehen werden könne, könne nur anhand der jeweiligen Situation des behinderten Kindes nach den Gesamtumständen des Einzelfalles bewertet werden.
Der Freiheitsentzug selbst sei dabei lediglich eines von mehreren Indizien, die im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen seien. Daneben seien aber auch die Umstände festzustellen und zu gewichten, die zu der freiheitsentziehenden Maßnahme geführt hätten.
Dabei könnten die Ergebnisse des Strafverfahrens bzw. Sicherungsverfahrens herangezogen werden. Ergebe sich daraus, dass das Kind an einer seelischen Erkrankung leide, welche zugleich die vor dem 25. Lebensjahr eingetretene Behinderung darstelle, und deswegen eine oder mehrere rechtswidrige Taten begangen habe, für die ihm kein Schuldvorwurf gemacht und wegen der es daher nicht verurteilt werden könne, so liege darin ein gewichtiges Indiz für eine fortwirkende erhebliche Mitursächlichkeit der Behinderung.
Die freiheitsentziehende Maßnahme könne nur deshalb angeordnet werden, weil eine länger andauernde Beeinträchtigung der geistigen oder seelischen Gesundheit vorliege, diese kausal für die Tat gewesen sei und darüber hinaus die Gefahr bestehe, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werde. Der Freiheitsentzug erfolge nicht zur Ahndung eines vorwerfbaren Verhaltens, sondern aufgrund der krankheitsbedingten Gefährlichkeit des Kindes zum Schutze der Allgemeinheit. In einem solchen Fall stelle die Unterbringung im Maßregelvollzug keinen Fall der überholenden Kausalität dar, der die Behinderung als für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt unbeachtlich erscheinen ließe.
Steuerrecht Unternehmer
1. Widerruf der Vollmacht: Kann trotzdem eine wirksame Bekanntgabe erfolgen?
Die wirksame Bekanntgabe eines an einen Bevollmächtigten adressierten schriftlichen Verwaltungsakts, der durch die Post übermittelt wird und diesem tatsächlich zugeht, ist nicht davon abhängig, dass die Außenvollmacht des Bevollmächtigten im Zeitpunkt der Bekanntgabe noch besteht.
Hintergrund
Das Finanzamt führte im Jahr 2019 eine Außenprüfung bei der Klägerin durch. Die Prüfungsanordnung wurde an Steuerberater M als Bevollmächtigten der Klägerin übersandt. Nachdem M seine Steuerberatungskanzlei mit der Kanzlei O & A GmbH & Co. KG (KG) zusammengelegt hatte, speicherte das Finanzamt ausweislich eines Aktenvermerks vom 12.3.2020 die KG als neue Bevollmächtigte der Klägerin.
Nach einer Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Ansicht, der Haltung von Pensionspferden durch die Klägerin und ihren Ehemann sei die ertragsteuerliche Anerkennung als Erwerbsbetrieb zu versagen. Dementsprechend erließ es unter dem 25.3.2020 Änderungsbescheide, die es an die KG adressierte. Diese legte gegen die Änderungsbescheide jeweils Einspruch ein, begründete diese jedoch auch in der Folge nicht.
Das Finanzamt wies die Einsprüche mit an die KG adressierter Einspruchsentscheidung vom 30.9.2020 (Aufgabe zur Post am selben Tag) schließlich als unbegründet zurück. Mit Schreiben vom 2.10.2020 (Eingang beim Finanzamt am selben Tag) sandte die KG dem Finanzamt unter Hinweis auf ihre inzwischen erloschene Vollmacht zur Vertretung der Klägerin in Steuersachen die Einspruchsentscheidung zu ihrer Entlastung zurück.
Das Finanzamt gab daraufhin am 8.10.2020 eine unmittelbar an die Klägerin adressierte Ausfertigung der Einspruchsentscheidung zur Post.
Im November 2020 kontaktierte eine PartG das Finanzamt und teilte mit, dass die KG das Mandat bereits im Frühjahr beendet habe. Das Finanzamt versandte daraufhin am 4.12.2020 eine Kopie der Einspruchsentscheidung vom 30.9.2020 an die PartG. Die Klägerin erhob am 4.1.2021 Klage und machte geltend, die KG habe das Mandat bereits Mitte des Jahres 2019 gekündigt. Die Einspruchsentscheidung sei ihr erstmals durch Zusendung an die PartG bekannt gegeben worden.
Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Die am 4.1.2021 beim FG eingegangene Klage sei nicht innerhalb der einmonatigen Klagefrist des § 47 Abs. 1 FGO erhoben worden. Die an die KG adressierte und am 30.9.2020 zur Post aufgegebene Einspruchsentscheidung gelte am 5.10.2020 als bekannt gegeben. Die Klagefrist sei daher am 5.11.2020 abgelaufen. Unerheblich sei, dass das Finanzamt nach Aufgabe der Einspruchsentscheidung zur Post, aber vor dem 5.10.2020 vom Widerruf der Vollmacht durch die KG Kenntnis erlangt habe.
Entscheidung
Das FG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen, da die Klägerin die Klage erst nach Ablauf der einmonatigen Klagefrist erhoben hat. Es hat zutreffend entschieden, dass die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung an die KG wirksam war und die Klagefrist in Lauf gesetzt hat.
Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO beträgt die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf (Einspruchsentscheidung).
Wird die Einspruchsentscheidung durch die Post übermittelt, gilt sie am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn sie nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist.
Die Einspruchsentscheidung ist der KG am 5.10.2020 wirksam bekannt gegeben worden. Die einmonatige Klagefrist war daher zum Zeitpunkt der Klageerhebung (4.1.2021) abgelaufen.
Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, das Finanzamt habe im Zeitpunkt der Absendung der Einspruchsentscheidung noch davon ausgehen dürfen, dass die KG Bevollmächtigte der Klägerin gewesen sei. Zwar fehlt es an Feststellungen, ob die Klägerin der KG für die Durchführung des Einspruchsverfahrens eine Vollmacht erteilt hatte. Diesbezügliche Feststellungen waren indes entbehrlich.
Das Finanzamt hat das ihm zustehende Ermessen, die Einspruchsentscheidung vom 30.9.2020 der KG als der (vermuteten) Bevollmächtigten der Klägerin anstatt der Klägerin selbst bekannt zu geben, fehlerfrei ausgeübt. Angesichts des Auftretens der KG im Einspruchsverfahren der Klägerin ist ein Ermessensfehler nicht erkennbar.
Die Einspruchsentscheidung ist laut Absendevermerk des Finanzamts am 30.9.2020 zur Post gegeben worden. Sie gilt daher der KG als am Montag, dem 5.10.2020, bekannt gegeben.
Der Bekanntgabevermutung steht nicht entgegen, dass das Finanzamt nach der Aufgabe der Einspruchsentscheidung zur Post durch das bei ihm am 2.10.2020 eingegangene Schreiben von dem Widerruf der Vollmacht durch die KG Kenntnis erlangt hat.
Der Widerruf der Vollmacht wird der Finanzbehörde gegenüber (erst) wirksam, wenn er ihr zugeht. Bis zu diesem Zeitpunkt kann das Finanzamt noch wirksam Verfahrenshandlungen gegenüber dem Bevollmächtigten vornehmen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die wirksame Bekanntgabe eines an einen Bevollmächtigten adressierten Verwaltungsakts, der durch die Post übermittelt wird, nicht davon abhängig, dass die Vollmacht auch bei Ablauf der Frist noch besteht.
Durch die Übersendung der Einspruchsentscheidung an die Klägerin wurde keine neue Klagefrist in Gang gesetzt. Aber auch der Übermittlung der Einspruchsentscheidung in Kopie an die PartG am 4.12.2020 kommt angesichts der wirksamen Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung an die KG am 5.10.2020 keine Bedeutung zu. Der Übersendung einer Kopie der Einspruchsentscheidung vom 30.9.2020 ist kein neuer Bekanntgabewille des Finanzamts zu entnehmen.
2. Betriebsprüfung auch nach Tod des Geschäftsinhabers zulässig
Eine Außenprüfung wird regelmäßig bei Steuerpflichtigen durchgeführt werden, die im Zeitpunkt der Prüfung noch einen gewerblichen Betrieb unterhalten. Allerdings können die steuerlichen Verhältnisse früherer Unternehmer auch dann zu prüfen sein, wenn sie ihren Betrieb veräußert oder aufgegeben haben. Gleiches gilt beim Tod des Unternehmers für dessen Erben.
Hintergrund
Die Kläger X und Y sind gemeinschaftliche Erben des im Jahr 2016 verstorbenen K. Im Jahr 2019 erließ das Finanzamt eine an den Kläger X adressierte, die steuerlichen Verhältnis des K betreffende Prüfungsanordnung.
Das Finanzamt wies darauf hin, dass die Prüfungsanordnung an X als Vertreter der Erben nach K mit Wirkung für alle Miterben und Gesamtrechtsnachfolger nach K ergeht. Gegen diese Prüfungsanordnung legten die Kläger Einspruch ein. Sie vertreten die Auffassung, dass eine Außenprüfung nur bei einem Steuerpflichtigen zulässig sei, der einen gewerblichen Betrieb unterhalte. Dies sei vorliegend nur bei K bis zu dessen Tod der Fall gewesen. Sie hätten das Einzelunternehmen des K nach dessen Ableben jedoch nicht weitergeführt, sondern aufgelöst. Da das Einzelunternehmen nicht mehr unterhalten werde, sei eine Außenprüfung unzulässig.
Nach der erfolglosen Durchführung des Einspruchsverfahrens verfolgten die Kläger ihr Begehren im Klageverfahren weiter.
Entscheidung
Das FG hat dem Finanzamt Recht gegeben und entschieden, dass die steuerlichen Verhältnisse früherer Unternehmer auch dann nach § 193 Abs. 1 AO geprüft werden dürften, wenn sie ihren Betrieb veräußert oder aufgegeben hätten. Gleiches gelte beim Tod des Unternehmers für dessen Erben.
Steuerschulden des Erblassers und damit auch die Verpflichtung aus Steuernachforderungen würden nach § 45 Abs. 1 AO auf den Gesamtrechtsnachfolger übergehen. Soweit die Steuerschuld auf der unternehmerischen Betätigung des Erblassers beruhe, könne bei ihm auch eine Außenprüfung stattfinden. Denn der Erbe sei Steuerschuldner geworden und die aus dieser Stellung erwachsenen Pflichten müsse er erfüllen. Hierzu gehöre auch die Duldung einer Außenprüfung. Nach dem reinen Wortlaut des § 193 Abs. 1 AO würden die Kläger persönlich – anders als K – zwar die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllen, da sie das Unternehmen des K nach dessen Tod nicht fortgeführt und damit keinen gewerblichen Betrieb unterhalten hätten.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH trete ein Gesamtrechtsnachfolger jedoch über den Wortlaut der Vorschrift hinaus in die gesamte materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Stellung des Rechtsvorgängers ein. Dementsprechend würden nicht nur Forderungen und Schulden übergehen, sondern alle steuerlich relevanten Umstände, die in der Person des Rechtsvorgängers eingetreten seien. Dies betreffe auch die Pflicht zur Duldung einer Außenprüfung als formalisiertes Verfahren zur Ermittlung steuerlich erheblicher Sachverhalte.
3. Gewerbesteuerzerlegung und mehrgemeindliche Betriebsstätten
Erstreckt sich eine Betriebsstätte über mehrere Gemeinden, ist der Steuermessbetrag nach der Lage der örtlichen Verhältnisse zu verteilen. Die gesetzliche Regelung ist unkonkret, deshalb kann als Zerlegungsfaktor die Menge des in den jeweiligen Gemeinden abgegebenen Erdgases herangezogen werden.
Hintergrund
Die Klägerin ist eine Stadt, in deren Ortsgebiet im Streitzeitraum 2011 Erdgas durch eine Leitung nach Deutschland gelangte.
In dem Stadtgebiet der Klägerin wurde das Gas, unter Einsatz der ersten Verdichterstation in Deutschland, in das deutsche Ferngasnetz eingespeist.
Die Klägerin unterhielt in Deutschland ein Erdgasleitungsnetz, das sich über das Gebiet vieler Kommunen erstreckte.
Das Finanzamt führte die Zerlegung des festgesetzten Gewerbesteuermessbetrags auf die Kommunen durch, in denen sich im Streitzeitraum 2011 eine Betriebsstätte der Klägerin befand.
Dabei wurde das vorhandene Erdgasleitungsnetz als mehrgemeindliche Betriebsstätte behandelt.
Für die Zerlegung wurde der Gewerbesteuermessbetrag in einem ersten Schritt (Hauptzerlegung) nach dem Maßstab der gezahlten Arbeitslöhne auf die verschiedenen Kommunen verteilt.
In einem zweiten Schritt (Unterzerlegung) wurde der auf die einzelne mehrgemeindliche Betriebsstätte entfallende Anteil seinerseits zu je 50 % auf der Grundlage des Anteils der gezahlten Arbeitslöhne und der Gasabgabemenge auf die an der mehrgemeindlichen Betriebsstätte beteiligten Kommunen verteilt.
Die Klägerin beantragt, neben dem Faktor „Arbeitslöhne“ nicht auf die Menge des abgegebenen Erdgases, sondern auf den Faktor „Betriebsanlagen“ abzustellen.
Soweit bei einem Gasversorger durch das Leitungsnetz eine mehrgemeindliche Betriebsstätte besteht, erfolgte die gewerbesteuerliche Zerlegung nach Auffassung des FG zu Recht nach den Faktoren „Arbeitslöhne“ und „Gasabgabemenge“.
Entscheidung
Der BFH hält die Revision für unbegründet und weist diese aus folgenden Erwägungen zurück:
Das Finanzamt hat zu Recht die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags durch Haupt- und Unterzerlegung vorgenommen.
Bei einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte hat die Gewerbesteuerzerlegung nach Lage der örtlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung der durch das Vorhandensein der Betriebsstätte erwachsenden Gemeindelast zu erfolgen.
Das Erdgasleitungsnetz mit den angeschlossenen Verdichter- und Abgabestationen sowie der Steuerungswarte begründet eine mehrgemeindliche Betriebsstätte.
Die Hauptzerlegung war zunächst nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne auf die an der Hauptzerlegung zu beteiligenden Gemeinden zu verteilen.
Bei der Unterzerlegung des auf die mehrgemeindliche Betriebsstätte entfallenden Anteils aus der Hauptzerlegung war das Finanzamt berechtigt, als Zerlegungsmaßstab auch auf die Menge des örtlich abgegebenen Erdgases abzustellen. Die Gemeindelasten, die durch die mehrgemeindliche Betriebsstätte entstehen, werden im Wege der Schätzung berücksichtigt.
Die hälftige Gewichtung der Zerlegungsmaßstäbe „Arbeitslohn“ und „Gasabgabemenge“ ist nicht rechtswidrig.
4. Sind Gewinnabschöpfungen als Betriebsausgaben abziehbar?
Zahlungen im Rahmen des § 153a StPO, die der Gewinnabschöpfung erfolgen, dienen in erster Linie dem Ausgleich unrechtmäßiger Vermögensverschiebungen und haben keinen Strafcharakter. Sie unterliegen somit nicht dem Abzugsverbot nach § 12 Nr. 4 EStG.
Hintergrund
Im Streitfall ging es um die Frage, ob aufgrund einer Auflage gemäß § 153a StPO gezahlte bzw. noch zu zahlende Geldbeträge unter das Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG fallen.
Hintergrund hierfür war die Kapazitätserweiterung einer Biogasanlage durch die Steuerpflichtige, eine GbR, die zu einer Überschreitung des bisherigen Grenzwerts führte und ein Gerichtsverfahren wegen des Verdachts des unerlaubten Betreibens einer nach Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftigen Anlage nach sich zog.
Das Landgericht stellte das Strafverfahren nach § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldstrafe von 170.000 EUR vorläufig ein. Den geltend gemachten Betriebsausgabenabzug versagte das Finanzamt unter Hinweis auf § 12 Nr. 4 EStG.
Entscheidung
Das FG entschied, dass das Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG nur bei Auflagen und Weisungen, die als strafähnliche Sanktion die Aufgabe haben, Genugtuung für das begangene Unrecht zu schaffen, greift. Zahlungen zum Ausgleich von Schäden fallen dagegen nicht unter das Abzugsverbot. Solche Zahlungen sind nach den allgemeinen Grundsätzen als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abzugsfähig.
Im entschiedenen Streitfall kam § 12 Nr. 4 EStG nicht zur Anwendung, da die geleisteten Zahlungen der Gewinnabschöpfung und damit in erster Linie dem Ausgleich unrechtmäßiger Vermögensverschiebungen dienten. Dagegen konnte ein Strafcharakter nicht festgestellt werden, denn die Höhe der Geldbeträge orientierte sich an dem illegal erlangten Erlös und diente damit allein der Gewinnabschöpfung.
Das FG schloss dies aus dem Wortlaut des Landgerichtsbeschlusses, der nicht erkennen lässt, dass mit ihm ein Unwerturteil verbunden ist, der die Angeklagten persönlich treffen sollte und sie dessen Wirkungen persönlich tragen sollten. Der Beschluss nimmt keinen Bezug zur Person der angeklagten Gesellschafter. Auch orientiert sich die Höhe der Geldbeträge nicht an persönlichen Umständen der Angeklagten, wie beispielsweise an ihrem Verdienst oder Nettoeinkommen. Vielmehr spricht der Wortlaut dafür, dass – ähnlich einem Verfall – der Betrag von den Angeklagten zu zahlen ist, den sie durch die ihnen zur Last gelegte Tat erlangt haben.
§ 12 Nr. 4 EStG regelt, dass Geldstrafen und die diesen Strafen vergleichbaren Rechtsnachteile wegen einer Straftat nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgesetzt werden können. Neben den Geldstrafen und den Nebenstrafen vermögensrechtlicher Art geht es um Leistungen zur Erfüllung von Auflagen oder Weisungen, die in einem Strafverfahren erteilt werden.
Dazu rechnen in erster Linie die Auflagen, die bei einer Strafaussetzung zur Bewährung oder bei einer Verwarnung mit Strafvorbehalt erteilt werden, sodann die Auflagen und Weisungen bei einer Einstellung und schließlich auch Auflagen und Weisungen nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG). Zu beachten ist, dass es sich in diesen Fällen um geldliche Einbußen wegen einer kriminellen Tat handelt, die von dem Täter persönlich voll zu tragen sind. Keinen Strafcharakter haben dagegen Auflagen oder Weisungen, die die Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens zum Gegenstand haben.
Im entschiedenen Streitfall wurde – vor dem Hintergrund des Wortlautes und der Verfahrensgeschichte – gerade keine persönliche Sanktion gegen die Angeklagten festgesetzt, da das Landgericht eine Gewinnabschöpfung in Form einer Schadenswiedergutmachung beabsichtigte.
5. Kassenbuch: Richtsatzsammlung als Schätzungsgrundlage
Die Richtsatzsammlung des BMF kann weiterhin als Schätzungsgrundlage verwendet werden, wenn die allgemeinen Voraussetzungen für eine Schätzung vorliegen.
Hintergrund
Die Klägerin betrieb einen Imbiss. Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung rügte das Finanzamt die Buchführung als nicht ordnungsgemäß. Insbesondere die Kassenbuchführung sei fehlerhaft. Insofern führte das Finanzamt eine Schätzung unter Anwendung der Richtsatzsammlung des Bundesfinanzministeriums durch. Gegen die geänderten Steuerbescheide wandte sich die Klägerin im Einspruchs- und Klageverfahren. Sie rügte die Schätzungsbefugnis sowie die Art der Schätzung.
Entscheidung
Die Klägerin hatte indes auch beim FG keinen Erfolg. Das Finanzamt sei befugt, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, sofern die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden können. Dies sei hier der Fall, da die Buchführung nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprochen habe. Insbesondere die Kassenführung sei fehlerhaft und unvollständig gewesen. Insofern habe das Finanzamt eine Schätzung durchführen dürfen.
Die Schätzung habe hierbei nach der Methode zu erfolgen, die die größtmögliche Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit habe. Die Verwendung der amtlichen Richtsatzsammlungen sei eine anerkannte Schätzungsmethode. Unschärfen bei Anwendung seien in Kauf zu nehmen.