Inhaltsverzeichnis
Arbeitsrecht
1. Bei Unterschlagung von Trinkgeld droht fristlose Kündigung
Unterschlägt ein Beschäftigter Trinkgeld, das zur Weiterreichung an alle Mitarbeiter gedacht war, rechtfertigt dies eine fristlose Kündigung.
Hintergrund
Der gekündigte Arbeitnehmer war bereits seit 7 Jahren als Kfz-Technikmeister in einer Kfz-Werkstatt beschäftigt. In der Werkstatt war es Usus, dass Schrotthändler vorbeikamen, um entsorgtes Material abzuholen und dies, da der Schrott eigentlich Abfall und keine Verkaufsware war, durch eine Zahlung in die Trinkgeldkasse der Mitarbeiter zu vergüten. Dadurch gelangten regelmäßig größere Trinkgeldbeträge in die Kasse. Das Geld aus der Kasse wurde grundsätzlich auf die gesamte Belegschaft verteilt.
Im Januar 2022 gab ein Schrotthändler dem Arbeitnehmer 235 EUR für die Trinkgeldkasse. Dieser legte davon lediglich einen Betrag i. H. v. 70 EUR in die Kasse und behielt 165 EUR für sich. Als der Arbeitgeber hiervon Kenntnis erlangte, kündigte er dem Kfz-Meister Ende Januar 2022 fristlos. Hiergegen erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage.
Entscheidung
Das Gericht hielt die fristlose Kündigung für gerechtfertigt und wies seine Klage ab. Der wichtige Kündigungsgrund lag nach Auffassung des Arbeitsgerichts darin, dass der Mann zu Unrecht 165 EUR für sich einbehalten und nicht in die Trinkgeldkasse abgeführt und somit seinen Kollegen vorenthalten habe. Diese Unterschlagung stelle eine ganz erhebliche Pflichtverletzung dar, die eine fristlose Kündigung rechtfertigt.
Die Behauptung des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess, er habe die 165 EUR für den Verkauf einer Metallwerkbank erhalten, wertete das Gericht als unglaubwürdige Schutzbehauptung. Der Kfz-Mechaniker habe weder Details zur angeblich verkauften Werkbank sagen können, noch habe er dem Gericht mitteilen können, wie schwer diese Werkbank ungefähr gewesen sei. Erst nachdem ihm durch das Gericht vorgerechnet worden war, dass die Metallwerkbank bei einem derzeitigen Schrottpreis von ungefähr 27 Cent pro Kilogramm Metall über 600 Kilo gewogen haben müsste, um einen Preis von 165 EUR zu erzielen, fiel dem Arbeitnehmer noch ein, dass er darüber hinaus auch noch andere Dinge veräußert habe. Mit diesem Vortrag vermochte er das Gericht jedoch nicht davon zu überzeugen, dass alles seine Richtigkeit gehabt habe.
2. Beleidigungen reichen nicht immer für fristlose Kündigung
Beleidigungen gegenüber dem Geschäftsführer oder gegenüber Kollegen sind nicht ausnahmslos ein Grund für eine fristlose Kündigung. In Einzelfällen kann eine Kündigung wegen grober Beleidigungen gegenüber Vorgesetzten sowie Kollegen unwirksam sein, weil eine vorherige Abmahnung erforderlich gewesen wäre.
Hintergrund
Die Parteien stritten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung vom 29.11.2019. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien hätte ohnehin aufgrund einer nicht angegriffenen vorhergehenden Kündigung 3 Monate später mit Ablauf des 29.2.2020 geendet.
Die gekündigte Arbeitnehmerin war seit dem 2003 bei ihrem Arbeitgeber als Ökonomin beschäftigt. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis schon am 24.11.2016 aus betriebsbedingten Gründen. Diese damalige Kündigung wurde vom Thüringer Landesarbeitsgericht im April 2019 rechtskräftig für unwirksam erklärt.
Als der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis im September 2019 erneut kündigte, hat sich die Arbeitnehmerin hiergegen nicht mehr zur Wehr gesetzt.
Im November 2019 telefonierte die Klägerin mit ihrem privaten Handy während der Arbeitszeit mit einer ehemaligen Arbeitskollegin, welches der Arbeitgeber zum Anlass nahm, eine fristlose Kündigung auszusprechen.
Der Arbeitgeber behauptet, die Arbeitnehmerin habe ihm zugunsten eines Wettbewerbers wirtschaftlichen Schaden zugefügt und sich wegen Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses strafbar gemacht. Außerdem habe sie den Geschäftsführer und Kollegen beleidigt.
Gegen diese Kündigung klagte die Arbeitnehmerin und war mit ihrer Klage vor dem Arbeitsgericht erfolgreich. Dagegen legte der Arbeitgeber Berufung ein.
Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht gab der Arbeitnehmerin Recht und erklärte die fristlose Kündigung für unwirksam. Der Sichtweise des Arbeitgebers, die beleidigenden Äußerungen der Arbeitnehmerin seien dermaßen gravierend gewesen, dass sie Straftaten darstellten, und es ihr hätte klar sein müssen, dass der Arbeitgeber dies nicht so hinnehmen und deshalb das Arbeitsverhältnis beenden werde, vermochte das Gericht nicht zu folgen.
Es könne offenbleiben, ob die als beleidigend titulierten Äußerungen grundsätzlich geeignet sind, im Normalfall eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung zu rechtfertigen. Hier könne aufgrund besonderer Umstände, die im Wesentlichen der Arbeitgeber zu vertreten habe, nicht festgestellt werden, dass der Arbeitnehmerin klar gewesen sein muss, dass der Arbeitgeber dieses Verhalten nicht hinnehmen würde, und es sei auch nicht davon auszugehen, dass die Arbeitnehmerin nach einem entsprechenden Hinweis mit Kündigungsandrohung ihr Verhalten nicht umgestellt und die restliche Zeit des Arbeitsverhältnisses störungsfrei bewältigt hätte.
Nachdem die Arbeitnehmerin rechtskräftig im Rechtsstreit über die Kündigung aus dem Jahr 2016 obsiegt hatte, musste sie sich offensichtlich unstreitige Ansprüche wie Urlaubsentgelt vor Gericht erstreiten. Später musste sie von ihrem Büro aus über den Hof gehen und schwere Unterlagen tragen, um die ihr angewiesenen Archivarbeiten zu bewältigen, obwohl es einen weniger anstrengenden Zugang zum Archiv gegeben hätte. Diese Situation habe die Arbeitnehmerin als erniedrigend und schikanös empfunden und sie habe sich von einigen Kollegen schlicht ausgelacht gefühlt. In einer solchen Situation könne nicht ausgeschlossen werden, sondern sei vielmehr naheliegend, dass einem Arbeitnehmer der Blick dafür verstellt sei, welche Bedeutung es hat, wenn er sich in der behaupteten Art gegenüber einer ehemaligen Kollegin über die Arbeit, die Vorgesetzten und Kolleginnen äußert. Aufgrund dieser besonderen Situation stehe nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass eine Abmahnung ohne Wirkung geblieben wäre.
Zudem seien die als Beleidigungen apostrophierten Äußerungen der Arbeitnehmerin auch nicht derart ungeheuerlich und schwerwiegend, dass allein deshalb dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung unzumutbar gewesen wäre. Im Rahmen dieser Zumutbarkeitserwägungen sei auch das Verhalten des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Dieser hat die Arbeitnehmerin menschenunwürdig in einem kalten, verdreckten und gesundheitsgefährdenden, weil verschimmelten, Keller beschäftigt. Auch wenn das keine Rechtfertigung für Beleidigungen ist, stellt es eine Zumutung dar. Entsprechend erhöht ist das Maß an Zumutbaren, welches der Arbeitgeber hinzunehmen hat.
Zugunsten der Arbeitnehmerin ist zu berücksichtigen, dass durch eine solche Behandlung verständlicherweise die Unzufriedenheit im Arbeitsverhältnis extrem groß ist und dass dies auch zu einer emotionalen außergewöhnlichen Situation führt. Dass ein Arbeitnehmer in einer solchen Situation u. U. bei Äußerungen über seinen Arbeitgeber übers Ziel hinausschießt und die Grenzen des Anstands überschreitet und auch (ungerechter Weise) schlecht über Arbeitskollegen redet, ist nicht sanktionslos hinnehmbar, führt aber in einer solchen Ausnahmesituation nicht zum Ausspruch einer Kündigung.
GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer
1. Zum Zufluss von Kapitalerträgen beim beherrschenden Gesellschafter einer ausländischen Kapitalgesellschaft
Dem beherrschenden Gesellschafter einer ausländischen Kapitalgesellschaft fließt ein Gewinnanteil im Zeitpunkt des Gewinnausschüttungsbeschlusses zu, wenn die Gesellschaft zahlungsfähig ist und er nach Maßgabe des ausländischen Rechts zu diesem Zeitpunkt wirtschaftlich über den Gewinnanteil verfügen kann.
Hintergrund
Streitig war, ob dem X in den Jahren 2007 bis 2010 als beherrschendem Gesellschafter einer kroatischen Kapitalgesellschaft beschlossene Gewinnausschüttungen, die ihm nicht ausbezahlt wurden, zugeflossen sind.
Der in Deutschland wohnhafte und unbeschränkt steuerpflichtige X war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung kroatischen Rechts mit Sitz in Kroatien. Die Gesellschaft erwirtschaftete in den Geschäftsjahren 2006 bis 2009 jeweils Gewinne.
Das Finanzamt erfasste bei X die von der kroatischen Gesellschaft beschlossenen Ausschüttungen. Es ging davon aus, diese seien dem X als beherrschendem Gesellschafter im jeweiligen Streitjahr zugeflossen.
Das Finanzgericht wies die dagegen gerichtete Klage ab. Einem vom Finanzgericht eingeholten Sachverständigengutachten zum kroatischen Recht war zu entnehmen, dass es im kroatischen Recht kein gesetzliches Auszahlungshindernis gegeben hat, das den X hätte hindern können, den Fälligkeitszeitpunkt des Auszahlungsanspruchs nach seinem Ermessen zu bestimmen. Die kroatische Gesellschaft war in allen Streitjahren zahlungsfähig gewesen.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Das Finanzgericht ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Gewinnausschüttungen dem X bereits in den Streitjahren zugeflossen sind.
Ob dem X Gewinnanteile aus der kroatischen Gesellschaft zugeflossen sind, richtet sich nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG. Denn die Kapitalgesellschaft mit beschränkter Haftung des kroatischen Rechts ist mit einer deutschen GmbH vergleichbar. Auch für den Zeitpunkt des Zuflusses der streitigen Ausschüttungen aus der kroatischen Kapitalgesellschaft ist das deutsche Einkommensteuer-Recht maßgeblich.
Bei einem beherrschenden Gesellschafter ist der Zufluss einer Ausschüttung i. d. R. bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung anzunehmen, weil er es dann in der Hand hat, sich die ihm von der Gesellschaft geschuldeten Beträge auszahlen zu lassen. Das gilt jedenfalls dann, wenn sein Gewinnauszahlungsanspruch eindeutig, unbestritten und fällig und die Gesellschaft zahlungsfähig ist. Denn dann kann der beherrschende Gesellschafter im Regelfall wirtschaftlich bereits ab dem Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschlusses über seinen Gewinnanteil verfügen.
Entsteht mit der Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses nach ausländischem Recht ein sofort fälliger Gewinnauszahlungsanspruch, kann hieraus jedoch nicht in jedem Fall zwingend abgeleitet werden, dass der beherrschende Gesellschafter bei Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft schon unmittelbar die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt. Denn der Auszahlung des Ausschüttungsbetrags können nach dem ausländischen Recht gleichwohl Hindernisse entgegen stehen mit der Folge, dass noch kein Zufluss vorliegt.
Das Finanzgericht ging zwar davon aus, dass entsprechende Gewinnverwendungs- und Ausschüttungsbeschlüsse vorlagen und die Gesellschaft jeweils zahlungsfähig war. Das Finanzgericht ist jedoch rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, X habe bereits ohne Weiteres aufgrund der jeweiligen Fälligkeit der Gewinnauszahlungsansprüche auch die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Gewinnanteile erlangt. Ob der Erlangung der Verfügungsmacht nach kroatischem Recht Hindernisse entgegenstanden, hat das Finanzgericht jedoch – trotz Vortrags des X und des widersprüchlichen Akteninhalts – nicht hinreichend aufgeklärt. Es hat nicht festgestellt, ob neben der Fälligkeit des Auszahlungsanspruchs etwa weitere gesetzliche Voraussetzungen des kroatischen Rechts für eine Auszahlung der beschlossenen Ausschüttungen an X erfüllt sein mussten.
Das Finanzgericht hat die Feststellung nachzuholen, ob trotz der Fälligkeit des Anspruchs noch ein Auszahlungshindernis bestand, das X nicht beeinflussen konnte und das der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht entgegenstand. In Betracht kommt in diesem Zusammenhang die von X behauptete Verpflichtung der ausschüttenden Kapitalgesellschaft nach kroatischem Recht, bei der Auszahlung der Gewinnanteile an die Gesellschafter den vorherigen Abzug der kroatischen Kapitalertragsteuer nachzuweisen. Die bisherigen Feststellungen des Finanzgerichts hierzu sind widersprüchlich.
2. Zur Haftung der Organgesellschaft für Steuern des Organträgers
Die Haftung der Organgesellschaft für Steuern des Organträgers beschränkt sich nicht notwendig auf solche Steuern, die während der Dauer des Organschaftsverhältnisses entstanden sind. Die Organgesellschaft kann in dem Umfang haften, in dem der Organträger die Umsätze der Organgesellschaft zu versteuern hat und Vorsteuerbeträge aus Rechnungen über Leistungsbezüge der Organgesellschaft abziehen kann.
Hintergrund
Streitig war, ob eine (ehemalige) Organgesellschaft (X-GmbH) auch für die während des Bestehens der Organschaft zwar wirtschaftlich begründet, aber steuerrechtlich noch nicht entstandene Umsatzsteuer des Organträgers (A-GmbH) nach § 73 AO in Haftung genommen werden kann.
Am 17.3.2014 wurde ein vorläufiger Insolvenzverwalter über das Vermögen der X-GmbH bestellt. Im Mai 2014 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der bisher vorläufige Verwalter zum Insolvenzverwalter bestellt. Im Juli 2014 wurde über das Vermögen der A-GmbH ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet.
Bei der A-GmbH bestanden im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung über ihr Vermögen Umsatzsteuer-Rückstände aus den Voranmeldungen für März 2014.
Das Finanzamt meldete deswegen im Insolvenzverfahren der X-GmbH als Organgesellschaft eine Haftungsforderung nach § 73 AO wegen rückständiger Umsatzsteuer der A-GmbH für März 2014 zur Insolvenztabelle an. Da der Insolvenzverwalter die Forderung bestritt, erließ das Finanzamt einen Feststellungsbescheid, gegen den der Insolvenzverwalter erfolglos Einspruch erhob.
Das Finanzgericht gab der Klage statt. Es vertrat die Auffassung, eine Haftung nach § 73 AO für die Umsatzsteuer des Voranmeldungszeitraums März 2014 bestehe nicht, da die Umsatzsteuer für März 2014 bei Beendigung der Organschaft am 27.3.2014 (aufgrund des vorläufigen Insolvenzverfahrens) rechtlich noch nicht entstanden gewesen sei. Denn die Steuer für die Umsätze im Voranmeldungszeitraum März 2014 sei erst mit Ablauf des 31.3.2014 und damit nicht während des Bestehens der Organschaft entstanden. Auf eine wirtschaftliche oder insolvenzrechtliche Verursachung der Steuer komme es nicht an.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof widerspricht dem Finanzgericht. Die Haftung der Organgesellschaft ist nicht auf solche Steuern beschränkt, die während der Dauer der Organschaft entstanden sind. Das Finanzgerichtsurteil wurde aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Nach § 73 Satz 1 AO haftet eine Organgesellschaft für solche Steuern des Organträgers, „für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist“. Ob eine Organschaft in diesem Sinne steuerlich von Bedeutung ist, richtet sich nach dem UStG. Danach wird die Organgesellschaft unselbstständiger Teil des Unternehmens des Organträgers, sodass beide Gesellschaften als ein Unternehmen zu behandeln sind. Grundsätzlich werden damit alle Umsätze der Organgesellschaft dem Organträger zugerechnet. Dieser ist Schuldner der auf diese Umsätze entfallenden Umsatzsteuer.
Steuern des Organträgers, „für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist“, liegen demzufolge grundsätzlich dann vor, wenn der Organträger die Umsätze der Organgesellschaft zu versteuern hat und Vorsteuerbeträge aus Rechnungen über Leistungsbezüge der Organgesellschaft abziehen kann. Für diese Steuern haftet folglich die Organgesellschaft.
Die Organschaft wurde mit der vorläufigen Insolvenzverwaltung am 27.3.2014 beendet. Die Umsatzsteuer-Forderung gegen den (ehemaligen) Organträger (A-GmbH) für den Voranmeldungszeitraum März 2014 umfasst daher 2 Komplexe: die Umsatzsteuer betreffend den Organkreis bis zum 27.3.2014 und die eigene Umsatzsteuer der A-GmbH ab dem 28.3.2014. Die Forderung des Finanzamts ist entsprechend aufzuteilen.
Das Finanzgericht hat im zweiten Rechtsgang festzustellen, in welcher Höhe die Umsatzsteuer für den Voranmeldungszeitraum März 2014 den Organkreis betrifft. Nur soweit Lieferungen und sonstige Leistungen während des Bestehens der Organschaft ausgeführt wurden, kommt eine Haftung der Organgesellschaft in Betracht. Auch soweit die Berichtigung von Umsatzsteuer bzw. Vorsteuer erfolgen muss, kommt es darauf an, wann die Tatbestandsvoraussetzungen dafür vorgelegen haben.
Kapitalanlage & Versicherung
1. Dividenden von inländischen Kapitalgesellschaften: Was gilt bei steuerbefreiten öffentlich-rechtlichen Versorgungswerken?
Dividenden, die ein öffentlich-rechtliches Versorgungswerk von inländischen Kapitalgesellschaften in seinem steuerbefreiten Betrieb gewerblicher Art bezieht, unterliegen für Körperschaftsteuerzwecke einem abgeltenden Kapitalertragsteuerabzug von den Bruttoeinnahmen mit einer teilweisen Abstandnahme auf 3/5 des Steuerabzugs. Dies verletzt nach der im Jahr 2010 geltenden Rechtslage nicht den allgemeinen Gleichheitssatz.
Hintergrund
Das öffentlich-rechtliche berufsständische Versorgungswerk V (unselbstständige Anstalt der Ärztekammer Niedersachsen) wurde körperschaftsteuerlich als Betrieb gewerblicher Art eingeordnet. Für die im Betrieb gewerblicher Art erzielten gewerblichen Einkünfte war V zwar unbeschränkt steuerpflichtig, jedoch nach § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG für Zwecke der Körperschaftsteuer steuerbefreit.
Im Jahr 2010 erzielte V im Betrieb gewerblicher Art Kapitalerträge (Dividenden) aus Investmentfonds. V beantragte für diese Kapitalerträge die Erteilung eines Freistellungsbescheids mit dem Ziel der Erstattung der Abzugsbeträge. V trug vor, der Steuerabzug von den Kapitalerträgen führe zu einer ungleichen Belastung im Vergleich mit nicht steuerbefreiten Körperschaften.
Das Finanzamt lehnte die Freistellung ab. Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht mit der Begründung zurück, die Ungleichbehandlung sei wegen der unterschiedlichen Sachverhalte hinzunehmen.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof bestätigte die Auffassung des Finanzamts und des Finanzgerichts. Der von V geltend gemachte Gleichheitsverstoß liegt nicht vor. Die Revision wurde daher zurückgewiesen.
Trotz dieses Belastungsunterschieds ist es nicht gleichheitswidrig, dass dem V beim Bezug der Dividenden die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 und 5 KStG im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzugs nicht gewährt wird. Denn die sachliche Steuerbefreiung empfangener Dividenden beim Bezug und während der Thesaurierung entspricht der Leitidee, dass es zu einer Weiterausschüttung an den letzten Anteilseigner kommt und erst diese Ausschüttung nochmals belastet werden soll. Zu einer solchen Weiterausschüttung kommt es bei V indes nicht. V ist für die im Betrieb gewerblicher Art erzielten inländischen Dividenden der „letzte Anteilseigner“. Dementsprechend ist es sachgerecht, dass das Gesetz dem V im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzugs keine sachliche Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 und 5 KStG gewährt, sondern eine Endbelastung vorsieht. Soweit durch die Versagung der Steuerbefreiung die Versorgungsbezüge einer verfassungswidrigen Vorbelastung unterworfen werden, wäre diese Frage beim Empfänger der Versorgungsbezüge (nicht aber auf Ebene des V) zu klären.
Die mit der teilweisen Abstandnahme vom Steuerabzug nach § 44a Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 EStG bei V eintretende Endbelastung von 15 % des zugeflossenen Ausschüttungsbetrags ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Sie ist mit der Belastung nach Nr. 2 abgestimmt und orientiert sich am tariflichen Steuersatz.
Die aufgrund der unterschiedlichen Abstandnahme vom Steuerabzug eintretende höhere Belastung der Kapitalerträge bei V im Vergleich zur Belastung bei einer gemeinnützigen, steuerbefreiten, Körperschaft verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz. Es ist weder willkürlich noch sachwidrig, dass der Gesetzgeber gemeinnützigen Körperschaften für im steuerbefreiten Bereich bezogene Kapitalerträge anders als dem V eine vollständige Abstandnahme vom Steuerabzug zugesteht. Der Gesetzgeber will gemeinnützige Körperschaften mit der vollständigen Abstandnahme vom Steuerabzug für die im Rahmen der steuerfreien Vermögensverwaltung – außerhalb eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs – bezogenen Kapital- und Wertpapierleiherträge bewusst zusätzlich entlasten, um deren gemeinnützige Zweckverfolgung besonders zu fördern. Der Gesetzgeber darf daher die Verfolgung gemeinnütziger Zwecke gegenüber der Tätigkeit des V als förderungswürdiger beurteilen. Als berufsständisches Versorgungswerk dient V nicht der Allgemeinheit, sondern der Versorgung eines fest abgeschlossenen Personenkreises (Kammermitglieder, Hinterbliebene).
2. Kapitaleinkünfte: Nutzungsersatz für Zins- und Tilgungsleistungen
Ein bankseitig gezahlter Nutzungsersatz für erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen, der infolge des Widerrufs eines Darlehensvertrags gezahlt wird, kann zu steuerpflichtigen Kapitalerträgen führen.
Hintergrund
Die klagenden Eheleute schlossen zur Finanzierung ihres selbstbewohnten Hauses im Jahr 2004 3 Wohnungsbaudarlehen über insgesamt 197.000 EUR ab und bedienten anschließend die Zins- und Tilgungsraten. Nach 10 Jahren kündigten sie den Darlehensvertrag ordentlich und zahlten den abgerechneten Betrag an die Bank zurück. Einige Monate später widerriefen sie ihre damalige, auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung und verwiesen insoweit auf die fehlerhafte Widerrufsbelehrung im Vertrag.
Sie klagten gegen die Bank auf Zahlung einer Entschädigung für die Nutzung der Zins- und Tilgungsleistungen. Im Vergleichswege zahlte die Bank schließlich 15.000 EUR, behielt von diesem Betrag allerdings Kapitalertragsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer ein. Das Finanzamt erfasste die Vergleichssumme im Einkommensteuerbescheid 2018 – unter Anwendung des Sparer-Pauschbetrags – als steuerpflichtigen Kapitalertrag, die Eheleute klagten gegen diese Einordnung und machten u. a. geltend, dass es sich um eine nicht steuerpflichtige Rückerstattung handelt.
Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass das Finanzamt den Betrag zu Recht der Besteuerung unterworfen hatte. Der den Eheleuten zugeflossene Nutzungswertersatz zählte zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art). Als Entgelt für eine Kapitalüberlassung im Sinne der Norm ist der Nutzungswertersatz zu erfassen, den die Eheleute für die bereits erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen erhalten hatten. Der Anspruch auf Herausgabe bereits erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen aus dem Rückgewährschuldverhältnis, aus dem der hier streitige Nutzungswertersatzanspruch erwächst, stellt eine sonstige Kapitalforderung dar.
Diese Einordnung entspricht der zivilrechtlichen Wertung, denn der Bundesgerichtshof hat in Bezug auf den Nutzungsersatzanspruch des Darlehensnehmers ausdrücklich ausgeführt, dass der Darlehensnehmer so gestellt werde, als habe er eine verzinsliche Wertanlage getätigt. Der Besteuerung stand nicht entgegen, dass die Eheleute aus dem Widerruf – bei wirtschaftlicher Gesamtbetrachtung des Rückabwicklungsverhältnisses insgesamt keinen Überschuss erzielt hatten, denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei den wechselseitigen Ansprüchen aufgrund des Darlehenswiderrufs grundsätzlich um eigenständige Ansprüche und nicht bloß um automatisch zu saldierende Berechnungsposten.
Lohn und Gehalt
1. Corona-Prämie gehört nicht zum pfändbaren Einkommen
Wenn ein Arbeitgeber an seine Beschäftigten freiwillig eine Corona-Prämie zahlt, ist diese Leistung als Erschwerniszulage unpfändbar, wenn ihr Zweck in der Kompensation einer tatsächlichen Erschwernis bei der Arbeitsleistung liegt und die Prämie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt.
Hintergrund
Der Beklagte betreibt eine Gaststätte. Er zahlte an seine Beschäftigte, die als Küchenhilfe eingestellt war, aber auch als Thekenkraft eingesetzt wurde, im September 2020 neben dem Monatslohn (1.350,00 EUR brutto und Sonntagszuschläge i. H. v. 66,80 EUR brutto) eine Corona-Prämie i. H. v. 400 EUR.
Über das Vermögen der Beschäftigten war im Jahr 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt worden. Für den Monat September 2020 errechnete die Klägerin aus dem Monatslohn sowie der Corona-Prämie als pfändungsrelevanten Nettoverdienst einen Betrag i. H. v. 1.440,47 EUR und forderte den Beklagten erfolglos zur Zahlung eines aus ihrer Sicht pfändbaren Betrags i. H. v. 182,99 EUR netto auf.
Mit ihrer Klage vertritt die Klägerin die Auffassung, dass die vom Beklagten an die Beschäftigte gezahlte Corona-Prämie pfändbar sei. Anders als im Pflegebereich, wo der Gesetzgeber ausdrücklich die Unpfändbarkeit der Corona-Prämie bestimmt habe, bestehe für eine Sonderzahlung wie hier keine Regelung über eine Unpfändbarkeit.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Entscheidung
Die Revision der Klägerin hatte vor dem Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung des von ihr geforderten Betrags.
Die Corona-Prämie gehört nach § 850a Nr. 3 ZPO nicht zum pfändbaren Einkommen der Beschäftigten. Der Beklagte wollte mit der Leistung eine bei der Arbeitsleistung der Schuldnerin tatsächlich gegebene Erschwernis kompensieren. Die vom Beklagten gezahlte Corona-Prämie überstieg auch nicht den Rahmen des Üblichen i. S. v. § 850a Nr. 3 ZPO.
2. Echte Abfindungen bei Personalabbau unterliegen der Lohnsteuer
Abfindungsbeträge sind auch dann steuerlich zugeflossen, wenn sie im Falle einer unwirksamen Wertguthabenvereinbarung auf ein Zeitwertkonto der Arbeitnehmer eingezahlt werden. Die anschließende Übertragung an die Deutsche Rentenversicherung kann nicht steuerfrei erfolgen.
Hintergrund
Ein Pharmaunternehmen strukturierte seinen Vertriebsbereich um und baute in diesem Zuge zahlreiche Arbeitsplätze ab. Betroffenen Arbeitnehmern wurden Abfindungen angeboten, die in bereits beim Arbeitgeber geführte Langzeitkonten eingebracht werden konnten. Die darin angesammelten Guthaben konnten laut Betriebsvereinbarung u. a. zur bezahlten Arbeitsfreistellung vor Ruhestandseintritt genutzt werden.
Arbeitnehmer, die ihre Abfindungszahlungen auf diese Weise verwendeten, beantragten wenige Tage vor ihrer Kündigung die Übertragung ihrer durch Abfindung aufgestockten Wertguthaben auf die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV), was auch entsprechend umgesetzt wurde. Der Arbeitgeber nahm keinen Lohnsteuerabzug auf die „umgeleiteten“ Abfindungszahlungen vor und berief sich u. a. auf die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 53 EStG, die für die Übertragung von Wertguthaben auf die DRV gilt. Das Finanzamt nahm den Arbeitgeber nach einer Lohnsteueraußenprüfung für nicht abgeführte Lohnsteuer in Haftung. Dagegen wehrt sich der Arbeitgeber mit seiner Klage.
Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht bestätigte die Haftungsinanspruchnahme und entschied, dass den Arbeitnehmern spätestens mit der Überweisung der Abfindungsbeträge auf die bei der DRV geleisteten Wertguthaben steuerpflichtiger Arbeitslohn zugeflossen war. Zwar waren die Abfindungsbeträge weder bar ausgezahlt noch einem (Bank-)Konto der Arbeitnehmer gutgeschrieben worden. Der Lohnzufluss ergab sich aber daraus, dass die Arbeitnehmer mit Zuführung auf die Langzeitkonten die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Beträge erlangt hatten.
Die für die Übertragung von Wertguthaben geltende Steuerbefreiung des § 3 Nr. 53 EStG fand vorliegend keine Anwendung, da es an einer wirksam abgeschlossenen Wertguthabenvereinbarung fehlte. Der den Langzeitkonten zugrundeliegende Vertragszweck konnte nicht mehr erreicht werden, denn bei Zuführung zu den Langzeitkonten hatte bereits festgestanden, dass die Arbeitsverhältnisse beendet werden und eine künftige Freistellung von der Arbeitsleistung im laufenden Dienstverhältnis somit ausschied.
3. Grenzüberschreitend tätiger Berufskraftfahrer: Wer hat das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn?
Das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn eines in Deutschland wohnenden, bei einem niederländischen Arbeitgeber beschäftigten Berufskraftfahrers steht den Niederlanden zu, wenn er mit seinem Fahrzeug in den Niederlanden unterwegs gewesen ist. Für Tage, an denen der Berufskraftfahrer sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland oder in einem Drittstaat unterwegs gewesen ist, steht das Besteuerungsrecht den Niederlanden nur zeitanteilig zu.
Hintergrund
Der in Deutschland wohnende X war in den Jahren 2013/2014 bei einem niederländischen Arbeitgeber als Berufskraftfahrer beschäftigt. Er war in den Niederlanden, in Deutschland, in Belgien, in Frankreich und in der Schweiz unterwegs. Dabei war er an 130 von 219 Arbeitstagen (2013) bzw. 102 von 228 Arbeitstagen (2014) sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland unterwegs.
Der niederländische Fiskus besteuerte für die Streitjahre den gesamten von X bezogenen Arbeitslohn.
Das Finanzamt anerkannte das Besteuerungsrecht der Niederlande nur für den Teil des Arbeitslohns, der auf Tage entfiel, an denen X eine ausschließlich durch die Niederlande führende Fahrtstrecke zurückgelegt hatte. Für den Arbeitslohn, der auf ausschließlich außerhalb der Niederlande zurückgelegte Fahrtstrecken entfiel, steht Deutschland das Besteuerungsrecht zu. Soweit X an demselben Tag eine sowohl durch die Niederlande als auch durch andere Staaten führende Fahrtstrecke zurückgelegt hat, ist das Besteuerungsrecht (geschätzt) je hälftig auf die Niederlande und auf Deutschland aufzuteilen.
Dem folgte das Finanzgericht und wies die Klage ab. Es wies auf das Fahrzeug als Ort der Arbeitsausübung sowie auf das abkommensrechtliche Arbeitsortprinzip hin.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof entschied, dass der Arbeitslohn, der auf Tage entfällt, an denen X sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland oder in einem Drittstaat unterwegs war, anteilig der Einkommensteuer unterliegt.
Das Besteuerungsrecht am Arbeitslohn richtet sich im Verhältnis zu den Niederlanden nach Art. 10 Abs. 1 DBA-NLD (Tätigkeitsprinzip). Die dieser Bestimmung vorgehende 183 Tage-Regelung des Abs. 2 (Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaats unabhängig vom Ort der Arbeitsausübung) ist im Streitfall nicht anwendbar, da sie voraussetzt, dass der Arbeitgeber seinen Wohnsitz nicht in dem anderen Staat hat.
Art. 10 Abs. 1 DBA-NLD bestimmt für den Fall, dass eine Person mit Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten (hier: Deutschland) Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit bezieht, der andere Staat (hier: Niederlande) das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte hat, wenn die Arbeit in dem anderen Staat ausgeübt wird. Demnach wird das Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaats für den Arbeitslohn nur insoweit eingeschränkt, als er auf eine Tätigkeit entfällt, die der Steuerpflichtige in dem anderen Staat verrichtet hat. Somit gilt im Anwendungsbereich des Art. 10 Abs. 1 DBA-NLD das Grundprinzip der Besteuerung im Tätigkeitsstaat, das auch Art. 15 Abs. 1 des OECD MA zugrunde liegt.
Für grenzüberschreitend tätige Berufskraftfahrer, deren Arbeitsort dort ist, wo sie sich mit den Fahrzeugen jeweils physisch aufhalten, folgt hieraus, dass das Arbeitsentgelt aufzuteilen ist. Das gilt auch für den Fall, dass der Fahrer an einem Arbeitstag nur stundenweise in einem Staat tätig geworden ist. Bei der Aufteilung des Arbeitslohns anhand der jeweils in den Niederlanden ausgeübten Arbeitszeit hat der Bundesfinanzhof die Schätzung des Finanzamts (ausgehend von einer hälftigen Teilung je Arbeitstag mit Fahrten sowohl in den Niederlanden als auch im Inland bzw. in einem Drittstaat) als sachgerecht anerkannt.
Die von X mit der Revision vertretene Auffassung, nach der dem Tätigkeitsstaat schon bei geringster Berührung seines Staatsgebietes durch den Berufskraftfahrer das Besteuerungsrecht für den gesamten Arbeitslohn für diesen Tag zusteht, findet in Art. 10 Abs. 1 DBA-NLD keine Stütze. Die Regelung stellt einzig auf die (physische) Ausübung der Arbeit in dem anderen Staat ab und bezieht sich nicht auf bestimmte, unteilbare Zeiteinheiten (Arbeitstage).
Soweit X in Drittstaaten (Belgien, Frankreich, Schweiz) unterwegs war, steht das Besteuerungsrecht Deutschland als Ansässigkeitsstaat zu. Das deutsche Besteuerungsrecht ist nicht aufgrund der 183 Tage-Regelungen in den DBA eingeschränkt. Es besteht kein Anhalt dafür, dass die Voraussetzungen – länger als 183 Tage dauernder Aufenthalt im Jahr im Drittstaat – im Streitfall vorgelegen haben könnten.
Private Immobilienbesitzer
1. Keine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen bei Belastung des Gesellschafterverrechnungskontos des Steuerpflichtigen
Die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen nach § 35a Abs. 3 EStG kann nur in Anspruch genommen werden, wenn der Rechnungsbetrag auf einem Konto des Leistenden bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben wird. Die Gutschrift des Rechnungsbetrags im Wege der Aufrechnung durch Belastung des Gesellschafterverrechnungskontos des Steuerpflichtigen bei der leistungserbringenden GmbH genügt nicht.
Hintergrund
X ist Dachdeckermeister und an der XY-GmbH beteiligt. Er beauftragte diese im Jahr 2017 mit Reparaturarbeiten an seinem Wohnhaus. Die ihm hierfür gestellte Rechnung beglich er im Wege der Aufrechnung über sein Gesellschafterverrechnungskonto.
Das Finanzamt versagte die aus der Rechnung geltend gemachte Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen nach § 35a EStG. Das Finanzgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die formellen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Denn in den Zahlungsvorgang sei kein Kreditinstitut eingebunden gewesen. Damit fehle es einer bankmäßigen Dokumentation des Vorgangs.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof teilt die Auffassung des Finanzgerichts und wies die Revision als unbegründet zurück. Die Ermäßigung erfordert die Zahlung über ein Kreditinstitut.
Die formelle Voraussetzung des § 35a Abs. 5 Satz 3 EStG, dass die Zahlung (der Rechnung) auf das Konto des Leistungserbringers erfolgt, verlangt die Gutschrift des Rechnungsbetrags auf einem Konto des Leistenden bei einem Kreditinstitut. Denn ohne die Einbindung eines Kreditinstituts und damit ohne bankmäßige Dokumentation des Zahlungsvorgangs (Beleg eines Kreditinstituts) ist dieses Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt.
Diese Tatbestandsvoraussetzungen gelten auch nach der Neufassung der Vorschrift durch das Jahressteuergesetz 2008. Nach der Neuregelung sind die Aufwendungen somit nicht mehr im Rahmen der Einkommensteuer-Erklärung durch Vorlage einer Rechnung und eines Belegs eines Kreditinstituts über die Zahlung auf das Konto des Leistungserbringers nachzuweisen. Darin liegt jedoch kein Verzicht auf die Einbindung eines Kreditinstituts und damit einer bankmäßigen Dokumentation des Zahlungsvorgangs. Der Gesetzgeber hat lediglich (aus Vereinfachungsgründen) auf die zwingende Belegvorlage im Veranlagungsverfahren verzichtet. Nunmehr reicht es aus, wenn die Nachweise auf Verlangen des Finanzamts vorgelegt werden. Dass es sich bei dem Konto des Leistungserbringers aber nach wie vor um ein Konto bei einem Kreditinstitut handeln muss, ergibt sich daraus, dass die Neuregelung inhaltlich an das bisherige, von der Rechtsprechung aufgenommene Begriffsverständnis anknüpft.
Hiervon ausgehend liegen die Voraussetzungen für die begehrte Steuerermäßigung nach § 35a EStG nicht vor. X hat die Rechnung der GmbH weder unter Einbindung eines Kreditinstituts und bankmäßiger Dokumentation des Zahlungsvorgangs beglichen, noch ist der Rechnungsbetrag einem Konto der GmbH gutgeschrieben worden. Die Gutschrift erfolgte vielmehr im Wege der Aufrechnung durch Belastung des Gesellschafterverrechnungskontos des X. Hierbei handelt es sich um ein eigenes Konto des X bei der kontoführenden GmbH und nicht um ein Konto der GmbH als Leistungserbringer bei einer Bank. Dieser Zahlungsweg genügt den gesetzlichen Voraussetzungen daher nicht.
Sonstige Steuern
1. Schenkungsteuerliches Verwaltungsvermögen: Überlassung von Grundstücken an Dritte
Werden Grundstücke an Dritte überlassen, kann in Erbfällen und auch bei vorgenommener Erbfolge trotzdem kein Verwaltungsvermögen vorliegen. Das erfordert jedoch, dass im Zusammenhang mit dem Pachtvertrag auch eine Erbeinsetzung des Dritten erfolgt.
Hintergrund
Der Kläger Z ist Neffe des verstorbenen Ehemanns von Frau X. Z hatte von X eine Schreinerei mit Werkstatt gepachtet. 10 Jahre später übertrug Frau X den Betrieb mit Werkstatt und andere Vermögenswerte an den Z im Wege einer vorweggenommenen Erbfolge. Der Z wurde jedoch nicht als Erbe eingesetzt. Das Finanzamt stellte für die Werkstatt den Grundbesitzwert (Bedarfswert) und einen Wert des Verwaltungsvermögens fest. Dagegen erhob Z Einspruch und wandte sich darin gegen die Feststellung von Verwaltungsvermögen. Der Einspruch blieb erfolglos.
Entscheidung
Die Klage wurde vom Finanzgericht als unbegründet abgewiesen. Zum Verwaltungsvermögen gehört nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG nach Ansicht des Gerichts ein Dritten zur Nutzung überlassenes Grundstück. Ausnahmsweise ist solch eine Nutzungsüberlassung an Dritte unschädlich, wenn diese im Rahmen der Verpachtung eines ganzen Betriebs erfolgt. Doch zusätzliches Erfordernis ist, dass der Pächter des Betriebs vom Verpächter im Zusammenhang mit dem Abschluss des Pachtvertrags auch als Erbe eingesetzt wird.
Das Finanzgericht überträgt diese bisher nur für Erbfälle entschiedene Regelung auch auf Fälle mit einer vorweggenommenen Erbfolge und folgt damit der herrschenden Meinung in der Literatur. Dies wird selbst von der Finanzverwaltung so gesehen.
Dennoch sprach sich das Finanzgericht für das Vorliegen von Verwaltungsvermögen aus. Denn im Klagefall war Z im Zusammenhang mit dem Abschluss des Pachtvertrags über die Werkstatt nicht als Erbe eingesetzt worden. Ebenso gehörte Z nicht zu den gesetzlichen Erben von Frau X. Und auch der Umstand, dass Z mit der Zuwendung bereits alles erhalten hat, was ihm Frau X zuwenden wollte, ändert an der fehlenden Erbenstellung nichts.
Steuerrecht Arbeitnehmer
1. Zahlungen der Stiftung Deutsche Sporthilfe an Profisportler sind als Betriebseinahmen zu erfassen
Liegt bei einem Sportler wegen der Verflechtung der sportlichen Tätigkeit mit der gewerblichen Vermarktung ein einheitlicher Gewerbebetrieb als Sportler vor, stellen finanzielle Unterstützungsmaßnahmen der Sportförderung Betriebseinnahmen dar. Grund ist ein weites Verständnis des Veranlassungsbegriffs.
Hintergrund
X war im Jahr 2014 als Arbeitnehmer tätig. Außerdem war er als erfolgreicher Sportler Mitglied einer Sportfördergruppe und nahm an nationalen und internationalen Meisterschaften teil.
X erklärte im Rahmen seines Gewerbebetriebs als „Sportler“ einen gewerblichen Gewinn, dem er seine Einnahmen aus Sponsorenverträgen und seine Ausgaben im Zusammenhang mit der Sporttätigkeit zugrunde legte. Zahlungen der Stiftung Deutsche Sporthilfe von 6.500 EUR (Kaderförderung und Prämie für eine Platzierung bei den Olympischen Spielen) ordnete er den sonstigen Einkünften zu, denen er (pauschal) Werbungskosten in gleicher Höhe gegenüberstellte.
Das Finanzamt erfasste auch die Zahlungen der Sporthilfe als Einnahmen des Gewerbebetriebs. Die dazu erklärten Aufwendungen berücksichtigte es nicht.
Das Finanzgericht wies die Klage ab. Die Zahlungen der Sporthilfe seien Betriebseinnahmen, da sie in untrennbarem Zusammenhang mit der gewerblichen Sportlertätigkeit ständen.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof bestätigte die Auffassung des Finanzamts und des Finanzgerichts und wies die Revision zurück. Dem von X als professionellem Sportler unterhaltenen Gewerbebetrieb sind auch die Zahlungen der Sporthilfe zuzurechnen. Ein Ansatz pauschaler Betriebsausgaben für sportbedingte Aufwendungen in gleicher Höhe kommt nicht in Betracht.
Bei mehreren (z. B. freiberuflichen und gewerblichen) Betätigungen sind diese regelmäßig getrennt zu erfassen, auch wenn zwischen ihnen gewisse Berührungspunkte bestehen. Die gesamte Betätigung ist jedoch einheitlich zu erfassen, wenn die Tätigkeiten sich gegenseitig bedingen und derart miteinander verflochten sind, dass sie nach der Verkehrsauffassung als einheitliche Tätigkeit (im Rahmen eines Betriebs) anzusehen sind. Das gilt entsprechend, wenn steuerpflichtige und (isoliert betrachtet) nicht steuerpflichtige Betätigungen untrennbar miteinander zusammentreffen.
Im Streitfall ging die Betätigung des X über eine (isoliert zu betrachtende Sportausübung als Freizeitbeschäftigung) weit hinaus. Vor allem die Höhe der erzielten Werbeeinnahmen (rund 30.000 EUR) und das zeitliche Engagement im Sport (bei nur 39 Arbeitstagen an der regulären Arbeitsstelle) rechtfertigen den Schluss auf eine insgesamt gewerbliche Sportlertätigkeit.
Aufgrund der Werbeeinnahmen aus dem Sponsoring war X selbstständig und am Markt gegen Entgelt tätig. Dies geschah auch nachhaltig und mit Gewinnerzielungsabsicht, da er daraus für die Dauer seiner Sportlertätigkeit eine ständige Erwerbsquelle machen wollte. Die zur Verfügung gestellten Ausrüstungsgegenstände und die Erlöse aus den Sponsorenverträgen dienten der Finanzierung der sportlichen Tätigkeit, die wiederum den Abschluss substanzieller Ausrüster- und Sponsorenverträge ermöglichte. Diese Verflechtung zwischen entgeltlicher Werbetätigkeit und Leistungssportbetätigung verdeutlicht, dass insoweit ein einheitlicher Gewerbebetrieb vorlag.
Die Zahlungen der Sporthilfe stehen zwar nicht im Zusammenhang mit einem konkreten Leistungsaustausch. Sie wurden aber im Hinblick auf die im Rahmen des einheitlichen Gewerbebetriebs erbrachte Tätigkeit des X als Sportler (Sportförderung als Spitzensportler) gewährt. Den Zahlungen kann außerdem (ähnlich wie bei Preisverleihungen) wirtschaftlich der Charakter als leistungsbezogene Entgelte im untrennbaren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des X als Sportler beigemessen werden. Denn die Zuwendungen wurden im Hinblick auf die besonderen sportlichen Leistungen des X erbracht. Sie waren von dessen Leistungsniveau und der Teilnahme an Wettkämpfen abhängig.
Für den von X beantragten (pauschalen) Abzug für sportbedingte Aufwendungen in Höhe der Zahlungen der Sporthilfe besteht keine Rechtsgrundlage. Denn (nur) tatsächliche Aufwendungen sind als Betriebsausgaben abzusetzen. X hat jedoch die (abzugsfähigen) sportbedingten Aufwendungen konkret bereits im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit geltend gemacht, sodass daneben eine pauschale Berücksichtigung ausscheidet. Der durch den Sport bedingte Nahrungsmittelmehrbedarf ist nicht berücksichtigungsfähig.
Steuerrecht Privatvermögen
1. Kein Inflationsausgleich für Empfänger von Grundsicherung
Es besteht für Empfänger der Grundsicherung kein Anspruch auf Inflationsausgleich. Für einen solchen Ausgleichsanspruch existiert keine rechtliche Grundlage, auch nicht im Grundgesetz.
Hintergrund
Der Antragsteller ist Bezieher einer geringen Altersrente. Ergänzend erhält er Grundsicherungsleistungen bezogen auf einen Regelbedarf von 449 EUR monatlich. Daneben werden ihm Zuschüsse zu den Unterkunfts- und Heizkosten gewährt.
Angesichts der gestiegenen Inflationsrate und der erheblichen Preissteigerungen für Nahrungsmittel empfand er den ihm zuerkannten Betrag als evident unzureichend. Da er sich nicht mehr in der Lage fühlte, seinen monatlichen Mindestbedarf zu decken, forderte er per Eilantrag beim Sozialgericht eine Erhöhung der Regelleistung auf monatlich 620 EUR.
Entscheidung
Vor dem Landessozialgericht hatte der Antragsteller mit seinem Ansinnen keinen Erfolg. Aus den einschlägigen Sozialgesetze ergibt sich kein Recht für den Betroffenen auf Gewährung eines Inflationsausgleichs. Ohne eine gesetzliche Rechtsgrundlage sei eine Anhebung des Regelsatzes seitens der Gerichte aber nicht möglich. Die Konkretisierung des grundsätzlich bestehenden Anspruchs auf Hilfe zum Lebensunterhalt sei ausschließlich Aufgabe des parlamentarischen Gesetzgebers und nicht Aufgabe der Justiz.
Auch unmittelbar aus dem Grundgesetz lässt sich ein solcher Anspruch auf Inflationsausgleich nicht ableiten. Die Richter räumten zwar ein, dass die derzeit galoppierende Inflation gerade für Empfänger von Sozialleistungen eine erhebliche Belastung bedeute, die das Potenzial habe, dass in der Folge das Existenzminimum für die Betroffenen nicht mehr gesichert sei. Auf Zugang zu finanziellen Mitteln, die das Existenzminimum sichern, habe jeder Bürger nach der Rechtsprechung des BVerfG auch grundsätzlich Anspruch. Die Definition dessen, was an finanzieller Ausstattung für ein menschenwürdiges Leben notwendig ist, sei jedoch dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten. Es liege nicht in der Kompetenz der Gerichte, Aufgaben der Legislative zu übernehmen.
Nach Auffassung des Landessozialgerichts ist der gegenwärtige Regelsatz für Sozialhilfeleistungen trotz der hohen Inflation auch nicht offensichtlich unzureichend. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass die Bundesregierung die Gefahr unzureichender Leistungen bereits erkannt und auch reagiert habe. Entlastungen seien bereits gewährt worden bereits, etwa in Form des zeitlich befristeten 9 EUR Tickets, des Tankrabatts sowie in Form der Einmalzahlung an Grundsicherungsempfänger i. H. v. 200 EUR. Mit dem 3. Entlastungspaket werde die Regierung für weitere Entlastungen der Sozialhilfeempfänger sorgen.
2. Ordnungsgemäße Bekanntgabe bei Zustellung von Steuerbescheiden in der Schweiz
Eine Zustellung von Einkommensteuerbescheiden an einen in der Schweiz wohnhaften Steuerpflichtigen unmittelbar durch die Post ist völkerrechtlich grundsätzlich zulässig. Dies gilt aber erstmals für Besteuerungszeiträume ab dem 1.1.2018.
Hintergrund
X hat seinen ausschließlichen Wohnsitz in der Schweiz. Nachdem seine Ehefrau die Getrennt-/Einzelveranlagung beantragt hatte, forderte das Finanzamt den X vergeblich auf, Einkommensteuer-Erklärungen einzureichen und einen inländischen Empfangsbevollmächtigten zu benennen.
Anschließend hob das Finanzamt im Jahr 2017 die Zusammenveranlagungs-Bescheide auf und veranlagte den X getrennt bzw. einzeln zur Einkommensteuer. Außerdem ordnete es die öffentliche Zustellung der Einkommensteuer-Bescheide und der Aufhebungsbescheide an. Die Benachrichtigungen über die öffentliche Zustellung wurden im Finanzamt ausgehängt. Zudem informierte das Finanzamt den X über die öffentliche Zustellung und übersandte ihm Kopien der Bescheide.
X wandte ein, die Bescheide seien wegen nicht ordnungsgemäßer Bekanntgabe nicht wirksam geworden. Die Klage, mit der X die Feststellung der Unwirksamkeit der Bekanntgabe begehrte, war erfolgreich. Das Finanzgericht entschied, die Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung hätten nicht vorgelegen. Denn die Zustellung hätte durch Einschreiben mit Rückschein unmittelbar durch die Post in der Schweiz erfolgen können.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof widerspricht dem Finanzgericht. Die Bescheide wurden dem X wirksam durch öffentliche Bekanntgabe bekanntgegeben. Der Bundesfinanzhof hob daher das abweichende Finanzgerichtsurteil auf und wies die Klage ab.
Nach Art. 17 Abs. 3 des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen v. 25.1.1988 (Amtshilfeübereinkommen) i. d. F. des Protokolls v. 27.5.2010 kann eine Vertragspartei die Zustellung an eine Person im anderen Vertragsstaat unmittelbar durch die Post vornehmen. Das Übereinkommen gilt jedoch „für die Amtshilfe“ (erst) für Besteuerungszeiträume ab 2018. Im Streitfall stellte sich daher die Frage, ob der Begriff der Amtshilfe auch die Zustellung durch die Post nach Art. 17 Abs. 3 des Übereinkommens umfasst. Wird dies bejaht, ist die Zustellung durch die Post erst für Besteuerungszeiträume ab 2018 zulässig. Für die Zeit davor wäre dementsprechend die öffentliche Bekanntmachung möglich.
Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, wenn sie im Fall der Zustellung im Ausland nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht. Die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung kommt nur als letztes Mittel in Betracht, wenn alle Möglichkeiten erschöpft sind, den Verwaltungsakt dem Empfänger in anderer Weise (z. B. durch die Post) zu übermitteln.
Die Zustellung der Steuerbescheide konnte vorliegend durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, da eine Zustellung in die Schweiz insbesondere mittels Einschreiben mit Rückschein völkerrechtlich nicht zulässig war. Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts hätte das Finanzamt die Zustellung nicht nach Art. 17 Abs. 3 des Übereinkommens unmittelbar durch die Post vornehmen können. Denn Art. 28 Abs. 6 Satz 1 des Übereinkommens erstreckt sich auch auf die Zustellung von Schriftstücken durch die Post gemäß Art. 17 Abs. 3 des Übereinkommens. Auch diese Zustellung ist eine Form der Amtshilfe im Sinne dieser Regelung. Eine Zustellung von Steuerbescheiden unmittelbar durch die Post an in der Schweiz ansässige Steuerpflichtige ist daher erst für Steuerbescheide ab dem Veranlagungszeitraum 2018 möglich. Das Finanzamt konnte die umstrittenen Bescheide für 2009 bis 2013 daher öffentlich zustellen.
Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts sind die Bescheide dem X daher wirksam bekanntgegeben worden. Da die Zustellung an X nach Art. 17 Abs. 3 des Übereinkommens unmittelbar durch die Post völkerrechtlich nicht zulässig war, war deren öffentliche Zustellung nach § 122 Abs. 5 Satz 1 und 2 AO i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VwZG nicht zu beanstanden. Damit war die Klage abzuweisen.
3. Überwinterung in Thailand sind keine außergewöhnlichen Belastungen
Ein an Kaltschmerzüberempfindlichkeit leidender Steuerpflichtiger kann seine Kosten für einen Aufenthalt in Thailand nicht als außergewöhnliche Belastungen absetzen, wenn sein amtsärztliches Attest lediglich einen Aufenthalt „in tropischem Klima“ anrät.
Hintergrund
Der Kläger verfügte über einen Grad der Behinderung von 90 und litt u. a. an einer Kaltschmerzüberempfindlichkeit (Kälteallodynie). Kältereize wurden von seinen Nervenleitungen als Schmerz empfunden. Laut einer amtsärztlichen Bescheinigung sollte er sich aus gesundheitlichen Gründen in den Wintermonaten „in tropischem Klima“ aufhalten. Der Kläger folgte diesem amtsärztlichen Rat und flog Ende 2018 nach Thailand. Die Kosten für die Anreise, den Aufenthalt und eine Haushaltshilfe vor Ort machte er in seiner Einkommensteuererklärung 2018 als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt erkannte die Kosten jedoch nicht an.
Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass die Kosten für die Überwinterung in Thailand nicht als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG absetzbar waren. Das Finanzgericht ordnete die Reise als eine sog. Klimakur ein, da für den Heilerfolg allein der Klimawechsel entscheidend war.
Aufwendungen für Klimakuren sind nur dann als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, wenn vor Beginn der Heilmaßnahme ein amtsärztliches Gutachten (oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung) vorgelegt wird, aus dem der medizinisch angezeigte Kurort und die voraussichtliche Kurdauer hervorgeht (sog. qualifizierter Nachweis).
Zwar stammte das vorliegende Attest von einem Amtsarzt, war vor Reiseantritt erstellt worden und hatte auch die voraussichtliche Kurdauer („in den Wintermonaten“) hinreichend genau bezeichnet. Allerdings fehlte es an einer hinreichend bestimmten Angabe des medizinisch angezeigten Kurorts. Mit der Bezeichnung „im tropischen Klima“ war der Kurort nach Ansicht des Gerichts zu unkonkret bezeichnet worden. Zwar muss keine ganz konkrete Ortschaft und keine Heileinrichtung im Attest genannt werden, eine pauschale Benennung einer Erdregion reicht aber nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch nicht.
Steuerrecht Unternehmer
1. Aufwendungen für Sponsoring: Was gilt bezüglich der gewerbesteuerlichen Hinzu-rechnung?
Werden Aufwendungen für die Überlassung von Werbeflächen (z. B. Bande, Trikots, Vereinslogo) gezahlt, unterliegen diese der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung. Das letzte Wort in dieser Sache hat aber der Bundesfinanzhof.
Hintergrund
Ein Gewerbetreibender ist Sponsor einer Sportmannschaft der X-GmbH. Er kann vereinbarungsgemäß bei Spielen der Mannschaft das Vereinslogo für Werbezwecke nutzen und auch die Werbezeichen für seinen Betrieb auf den Trikots der Spieler und Trainer, sowie an der Bande des Sportfelds und am Hallenboden anbringen. Die zunächst statische Bandenwerbung wurde durch eine LED-Bande mit rotierenden Werbesequenzen ersetzt. Nach einer Betriebsprüfung rechnete das Finanzamt die betragsmäßig abgegrenzten bzw. aufgeteilten Beträge bei der Ermittlung des Gewerbebetriebs gem. § 8 Nr. 1d GewStG und § 8 Nr. 1f GewStG hinzu. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.
Entscheidung
Das Finanzgericht folgt der Rechtsauffassung des Finanzamts und hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Eine Hinzurechnung erfordert, dass Miet- und Pachtzinsen i. S. d. §§ 535 ff. BGB vorliegen. Dementsprechend muss der Nutzungsvertrag seinem wesentlichen rechtlichen Gehalt nach ein Miet- oder Pachtverhältnis begründen. Das Finanzgericht sieht in dem Sponsoringvertrag die wesentlichen Elemente eines Mietvertrags als gegeben an und verneint eine Werbeleistung. Das Montieren der bereitgestellten Firmenlogos an die Bande durch die X-GmbH ist eine nur untergeordnete Nebenleistung. Und auch nach Umstellung auf eine LED-Bande steht die Nutzung des körperlichen Gegenstandes als Projektionsfläche im Vordergrund.
Alle genutzten Werbeflächen sind bewegliche Wirtschaftsgüter. Ebenso wird vom Finanzgericht das erforderliche sog. fiktive Anlagevermögen bejaht; Werbeträger sind in aller Regel dem Bereich des Anlagevermögens zuzuordnen. Und auch zu den Aufwendungen für die Überlassung des Vereinslogos für Werbezwecke bestätigt das Finanzgericht die vom Finanzamt vorgenommene Hinzurechnung. Die Nutzung des Vereinslogos ist eine zeitlich befristete Überlassung von Rechten; das Vereinslogo ist ein urheberrechtlich geschütztes Werk.
2. Klageeinreichung durch Steuerberater einer Partnerschaftsgesellschaft: Ist die Klage zulässig?
Eine Personengesellschaft, bestehend aus Steuerberatern und Rechtsanwälten, muss die Klage nicht unter Verwendung des besonderen Anwaltspostfachs einreichen, wenn nur ein Partner tätig wird, der ausschließlich Steuerberater ist.
Hintergrund
Eine Klage gegen einen Schätzungsbescheid wurde in Papierform durch die Prozessbevollmächtigte eingereicht. Hierbei handelt es sich um eine Partnerschaftsgesellschaft, die aus 4 Gesellschaftern besteht, von denen 3 ausschließlich Steuerberater sind und ein Gesellschafter auch Rechtsanwalt. Die Klage wurde durch einen Gesellschafter unterschrieben, der ausschließlich Steuerberater ist.
Das beklagte Finanzamt vertrat u. a. die Auffassung, die Klage sei unzulässig, da die Prozessbevollmächtigte die Klage nicht unter Verwendung des besonderen Anwaltspostfachs (beA) eingereicht habe.
Entscheidung
Das Finanzgericht sah die Klage als zulässig an. § 52d Satz 1 FGO steht dem nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung ist geregelt, dass ein Rechtsanwalt bestimmte Erklärungen grundsätzlich dem Gericht nur mittels Verwendung des besonderen Anwaltspostfachs bei Gericht einreichen darf. Allerdings hat die Klägerin nicht durch einen Rechtsanwalt gehandelt.
Auch § 52d Satz 2 FGO findet keine Anwendung. Hiernach sind zwar auch unter bestimmten Umständen andere Personen zur Verwendung des besonderen Anwaltspostfachs verpflichtet, dies setzt aber voraus, dass für diese Personen ein sicherer Übertragungsweg besteht. Da kein Rechtsanwalt für die Klägerin gehandelt hat, besteht ein solcher sicherer Übertragungsweg nicht. Erst ab 2023 ist ein besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach vorgesehen.
3. Sind betriebsnahe Kindergärten gemeinnützig?
Eine Körperschaft, die Kinderbetreuungseinrichtungen betreibt, fördert nicht die Allgemeinheit, wenn sie bei der Belegung der Plätze bestimmte Unternehmen, mit denen sie Betreiberverträge abgeschlossen hat, in der Weise berücksichtigt, dass sich der geförderte Personenkreis nicht mehr als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt.
Hintergrund
Die X-GmbH vereinbarte mit mehreren Unternehmen die Schaffung von Betreuungsplätzen für Mitarbeiterkinder. Dabei sollte die Belegungspräferenz der Vertragsunternehmen berücksichtigt werden. Nicht bei den Unternehmen Beschäftigte konnten nur dann einen Betreuungsplatz bekommen, wenn die Vertragsunternehmen aus ihrer Belegschaft keinen Bedarf hatten. Die Unternehmen zahlten für jeden Betreuungsplatz ein pauschales Entgelt. Im Streitzeitraum wurden die Betreuungsplätze nur in geringem Umfang auch mit Kindern von Nichtmitarbeitern belegt.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, die GmbH diene nicht gemeinnützigen Zwecken, da ihre Einrichtungen vorrangig den Beschäftigten ihrer Vertragsunternehmen vorbehalten seien. Dem schloss sich das Finanzgericht an und wies die Klage ab.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof wies die Revision zurück. Die GmbH fördert nicht die Allgemeinheut und verfolgt auch keine mildtätigen Zwecke.
Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit (auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet) selbstlos zu fördern. Eine Förderung der Allgemeinheit ist nicht gegeben, wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zugutekommt, fest abgeschlossen ist (z. B. Zugehörigkeit zu einer Familie oder zur Belegschaft eines Unternehmens) oder infolge seiner Abgrenzung, insbesondere nach räumlichen oder beruflichen Merkmalen, dauernd nur klein sein kann. Ein solcher Fall liegt vor, wenn die Interessen der Begünstigten klar von den Interessen der Allgemeinheit abgegrenzt sind.
Die GmbH hatte sich vertraglich verpflichtet, fast sämtliche ihrer Betreuungsplätze den Vertragsunternehmen anzubieten. Wegen der Belegungspräferenz der Vertragsunternehmen kamen die Betreuungsplätze vorrangig den Beschäftigten dieser Unternehmen und damit nicht der Allgemeinheit zugute. Die nur wenigen anderweitig belegten Plätze (4 von 102 Plätzen) führen nicht dazu, dass sich der von der GmbH geförderte Personenkreis als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt.
Auf das Kriterium der Ausschließlichkeit kommt es im Streitfall zur Beurteilung der Gemeinnützigkeit nicht an, da es bereits am Grundtatbestand der Gemeinnützigkeit fehlt.
Ergänzend berief sich die GmbH darauf, ihre Tätigkeit erfülle die Förderung der Jugendhilfe sowie der Erziehung und sei schon deshalb als Förderung der Allgemeinheit anzusehen. Dem steht jedoch entgegen, dass dies nur gilt, wenn der grundsätzlich begünstigte Zweck mit einer die Allgemeinheit fördernden Tätigkeit verfolgt wird.
Nach § 59 AO wird die Steuervergünstigung nur gewährt, wenn sich aus der Satzung ergibt, welcher Zweck verfolgt wird, dass dieser Zweck den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO entspricht und dass er ausschließlich und unmittelbar verfolgt wird. Dazu müssen die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bestimmt sein, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuervergünstigung gegeben sind (sog. formelle Satzungsmäßigkeit). Die Satzung muss zweifelsfrei erkennen lassen, dass und welche ausschließlich steuerbegünstigten Zwecke der Steuerpflichtige verfolgt. Dies erfordert insbesondere eine Abgrenzung nach den bestehenden Zwecken, die die Körperschaft verfolgen will.
Diese satzungsmäßigen Anforderungen sind hinsichtlich mildtätiger Zwecke nicht erfüllt. Denn Zweck der GmbH ist nach ihrem Gesellschaftsvertrag „die gemeinnützige Förderung der Jugendhilfe sowie der Bildung und Erziehung“ und „die Förderung der Altenhilfe“. Zudem verfolgt die GmbH danach „ausschließlich und unmittelbar nur gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts ’steuerbegünstigte Zwecke‘ der AO“. Aufgrund dieser eindeutig auf gemeinnützige Zwecke beschränkten Eigenbeschreibung der Zwecke, die die GmbH zu verfolgen beabsichtigt, ist es nicht möglich, die Satzung dahingehend auszulegen, dass die GmbH auch die Verfolgung mildtätiger Zwecke anstrebt.
4. Verbindliche Auskunft: Welche Gebühr wird bei Rücknahme des Antrags erhoben?
Bei Rücknahme eines Antrags auf verbindliche Auskunft gibt es keine Ermessensreduzierung auf Null dahingehend, dass die Gebührenermäßigung sich nach der Bemessung einer Zeitgebühr ausrichtet.
Hintergrund
Die X-KG hat ihren Sitz im Inland. Da mehrere ihrer Gesellschafter die Begründung eines Zweitwohnsitzes im Ausland planten, beantragte die KG beim Finanzamt die Erteilung einer verbindlichen Auskunft insbesondere zur steuerlichen Entstrickung ihrer Beteiligungen.
Aufgrund des Antrags kam es zu umfangreichen rechtlichen Prüfungen durch das Finanzamt, das Landesamt für Steuern und das Landesfinanzministerium. Dabei wurden auch alternative Sachverhaltsgestaltungen diskutiert. Die Finanzverwaltung blieb jedoch dabei, dass der Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft abzulehnen sei.
Die KG nahm darauf ihren Antrag auf Erteilung der verbindlichen Auskunft zurück, da die Gesellschafter inzwischen von der Verlagerung ihres Wohnsitzes in das Ausland Abstand genommen hatten.
Das Finanzamt setzte für die Bearbeitung des Auskunftsersuchens eine Gebühr von 98.762 EUR fest. Dabei ging das Finanzamt von einem Gegenstandswert von 30 Mio. EUR (Höchstbetrag) aus, der grundsätzlich eine Gebühr von 109.736 EUR begründet hätte. Wegen der Rücknahme des Antrags sei es jedoch – ausgehend von dem bisherigen Bearbeitungsaufwand von 156 Stunden bei weiter erforderlichen 10 bis 15 Stunden – sachgerecht, die Gebühr um 10 % auf 98.762 EUR zu ermäßigen.
Die hiergegen von der KG erhobene Klage, die Gebühr auf 15.600 EUR herabzusetzen, hatte Erfolg. Das Finanzgericht meinte, durch die Rücknahme des Antrags sei der Gebührenzweck der Vorteilsabschöpfung entfallen, sodass es nur noch auf den Gebührenzweck der Kostendeckung ankomme. Dies führe zu einer Ermessensreduzierung auf Null in der Weise, dass lediglich die Zeitgebühr i. H. v. 15.600 EUR abzurechnen sei (156 Stunden x 100 EUR pro Stunde).
Entscheidung
Die Revision des Finanzamts ist begründet. Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und wies die Klage ab. Der angefochtene Bescheid, in dem das Finanzamt die Gebühr auf 98.762 EUR festgesetzt hat, ist frei von Ermessensfehlern.
AEAO zu § 89, Nr. 4.5.2 schreibt (lediglich) vor, den bis zur Rücknahme des Antrags angefallenen Bearbeitungsaufwand „angemessen“ zu berücksichtigen und die Gebühr „anteilig“ zu ermäßigen. Weitere Vorgaben zur konkreten Berechnung der Ermäßigung enthält die Regelung nicht. Ihr kann somit keine generelle Begrenzung auf die Zeitgebühr entnommen werden. Vielmehr trifft die Regelung auch bei einer proportionalen Reduzierung der Wertgebühr im Verhältnis des bisherigen zu dem noch ausstehenden Bearbeitungsaufwand zu. Im Übrigen bezieht sich die Ermäßigung nach § 89 Abs. 7 Satz 2 AO auf „die Gebühr“. Damit kann als Ausgangspunkt nur die Gebühr gemeint sein, die sich zuvor aus § 89 Abs. 4 bis 6 AO ergeben hat. Ein grundsätzlicher Wechsel von der Wert- zur Zeitgebühr (oder umgekehrt) ist dagegen nicht vorgesehen.
Die vom Gesetzgeber verfolgten Gebührenzwecke führen ebenfalls nicht zu der vom Finanzgericht angenommenen Ermessensreduzierung auf Null. Der Gebührenpflicht liegen die 2 Gebührenzwecke der Kostendeckung für die Bearbeitung des Antrags und der Abschöpfung des vom Antragsteller erlangten Vorteils zugrunde.
Das Finanzamt hat für die Gebührenermäßigung zutreffend auf die Wertgebühr nach § 89 Abs. 4 AO abgestellt. Die Voraussetzungen für die Erhebung einer Zeitgebühr nach § 89 Abs. 6 AO waren nicht erfüllt. Die vom Finanzamt vorgenommene Kürzung nach dem Verhältnis des bisherigen zu dem noch ausstehenden Bearbeitungsaufwand ist mit den Vorgaben der ermessenslenkenden AEAO zu § 89 Nr. 4.5.2 und den Gebührenzwecken vereinbar. Dem bisher angefallenen Bearbeitungsaufwand von 156 Stunden stand ein noch zu erwartender Bearbeitungsaufwand von 10 bis 15 Stunden gegenübersteht. Das führt zu der vom Finanzamt angenommenen Reduzierung der Wertgebühr um 10 %.
Vereine
1. Abnahme der Jägerprüfung als Zweckbetrieb?
Ein gemeinnütziger Verein, zu dessen satzungsmäßigen Zwecken auch der Naturschutz und die Landschaftspflege gehören, begründet mit der Organisation und Durchführung der Jägerprüfung einen allgemeinen Zweckbetrieb.
Hintergrund
Der gemeinnützige Verein fördert u. a. den Naturschutz und die Landschaftspflege, den Tierschutz sowie die Aus- und Weiterbildung, wie auch Maßnahmen zur Unfallverhütung und die Wahrung des Brauchtums. Diese Zwecke sollen u. a. erreicht werden durch die Hege, Sicherung und Verbesserung der natürlichen Lebensgrundlagen der heimischen Tier- und Pflanzenwelt sowie die Aus- und Weiterbildung der Mitglieder, insbesondere auf den Gebieten des Naturschutzes, der Hege, der Jagdpraxis, der Wildhygiene sowie des traditionellen Brauchtums.
Im Jahr 2008 übertrug das zuständige Landesministerium dem Verein für 2009 bis 2013 die Organisation und Durchführung der Jägerprüfung im Wege der Beleihung. Für die Organisation und Durchführung der Jägerprüfungen erhob der Verein Gebühren nach dem Gebührengesetz des Bundeslandes sowie der Gebührenordnung des Ministeriums. Außerdem erhielt der Verein für die Maßnahmen „Beleihung Jägerprüfung – Vorbereitung“ und „Überarbeitung der Fragen für die schriftliche Jägerprüfung“ Zuwendungen vom Ministerium. Sowohl die Gebühren als auch die Zuwendungen ordnete der Kläger seinem steuerfreien Zweckbetrieb zu, während er z. B. das Abhalten von Kursen in der Jagdschule als wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb behandelte.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, auch die Übernahme und Durchführung der Jägerprüfung gehöre zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Vereins. Es liege kein Zweckbetrieb nach § 65 AO vor, weil die Abnahme der Prüfung nicht der unmittelbaren Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke diene. Außerdem stehe die Beleihung der Annahme eines Zweckbetriebs entgegen, da der Verein aufgrund öffentlichen Rechts und nicht aufgrund der Vereinssatzung tätig geworden sei.
Die Klage hatte Erfolg. Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb „Abnahme der Jägerprüfung“ erfülle die Voraussetzungen eines steuerbegünstigten Zweckbetriebs, sodass die Gewinne hieraus nicht dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzurechnen seien.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof wies die Revision des Finanzamts als unbegründet zurück. Die Organisation und Durchführung der Jägerprüfung gehört zum steuerfreien Zweckbetrieb des Vereins.
Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist eine selbstständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich. Ebenso muss keine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr vorliegen.
Diese Voraussetzungen sind bei dem Verein erfüllt. Die über mehrere Jahre erfolgte Organisation und Abnahme der Jägerprüfung stellt eine selbstständige und nachhaltige Tätigkeit dar, die über eine reine Vermögensverwaltung hinausgeht.
Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb muss unmittelbar der Verwirklichung des steuerbegünstigten Zwecks dienen. Der Verein diente in seiner Gesamtrichtung dazu, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke zu verwirklichen. Denn zur Pflege und Sicherung der Lebensräume der wildlebenden Arten sind Jäger notwendig und ohne die Organisation und Abnahme der Jägerprüfung würde es in absehbarer Zeit keine Jäger mehr geben.
Der Zweckbetriebseigenschaft steht nicht entgegen, dass der Kläger die Organisation und Durchführung der Jägerprüfung aufgrund einer Beleihung übernimmt. Denn die Qualifikation als Zweckbetrieb setzt nicht voraus, dass dieser allein aufgrund der Satzung betrieben wird. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass eine gemeinnützige Körperschaft zugleich mit ihrem Satzungszweck auch öffentlich-rechtlich tätig wird und ihre Verpflichtungen gegenüber der beleihenden Körperschaft erfüllt.
Für die Frage, ob die steuerbegünstigten Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können, kommt es darauf an, ob der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb das unentbehrliche und einzige Mittel zur Erreichung des steuerbegünstigten Zwecks ist. Das ist hier deshalb gegeben, weil die Prüfung künftiger Jäger zur Erreichung des Vereinszwecks unentbehrlich ist. Denn es gibt keine andere Möglichkeit zur ordnungsgemäßen Erhaltung der Wildbestände als die vorherige Ablegung der Jägerprüfung.