Liebe Mandantin, lieber Mandant,
auch im vergangenen Monat hat sich rund um Steuern, Recht und Betriebswirtschaft einiges getan. Über die aus unserer Sicht wichtigsten Neuregelungen und Entscheidungen halten wir Sie mit Ihren Mandanteninformationen gerne auf dem Laufenden. Zögern Sie nicht, uns auf einzelne Punkte anzusprechen, wir beraten Sie gerne!
Mit steuerlichen Grüßen
Inhaltsverzeichnis
Arbeitsrecht
1. Rentner dürfen bei Wiedereinstellung gegenüber jüngeren Bewerbern benachteiligt werden
Die Wiedereinstellung eines Bewerbers, dessen Arbeitsverhältnis aufgrund einer tarifvertraglichen Altersgrenze beendet wurde, kann wegen seines Alters abgelehnt werden, falls ein jüngerer qualifizierter Bewerber zur Verfügung steht. Dies entspricht dem mit der Altersgrenze verfolgten Ziel der ausgewogenen Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen.
Hintergrund
Die Parteien stritten über einen Anspruch eines Lehrers auf Zahlung einer Entschädigung wegen Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens. Der 1952 geborene Kläger war nach langjähriger Tätigkeit bei dem beklagten Land wegen Erreichens der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung seit Anfang des Jahres 2018 im Altersruhestand. Seitdem war er wiederholt im Rahmen befristeter Arbeitsverhältnisse als Lehrer für das beklagte Land tätig.
Als er sich 2021 wieder auf eine Stelle als Vertretungslehrer bewarb, wurde die Schulleitung von der zuständigen Behörde darauf hingewiesen, dass bei einer beabsichtigten Einstellung eines Bewerbers, der die Regelaltersgrenze überschritten hat, zu bestätigen sei, „dass sich sonst niemand mit einer Lehramtsbefähigung beworben habe oder … sehr detailliert und nachvollziehbar dargelegt und begründet [werden müsse], warum ggf. vorhandene Mitbewerber/-innen trotz einer vorhandenen Lehramtsbefähigung für die Übernahme der Vertretungsstelle weniger bzw. nicht ausreichend qualifiziert sind“. Hintergrund war ein entsprechender Erlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung Nordrhein-Westfalen. Die Schulleitung beantragte daraufhin die Besetzung der Vertretungsstelle mit einem jüngeren Mitbewerber, der diese sodann auch erhielt.
Entscheidung
Zwar sei der Kläger wegen seines Alters unmittelbar benachteiligt worden. Die unterschiedliche Behandlung des Klägers wegen seines Alters war aber zulässig. Sie ist entsprechend der Norm objektiv und angemessen sowie durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt.
Legitime Ziele sind demnach nur solche, die mit der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung im Zusammenhang stehen, und damit nur rechtmäßige Ziele aus dem Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik. Sie stehen als „sozialpolitische Ziele“ im Allgemeininteresse. Bezüglich der Beendigung von Arbeitsverhältnissen ist anerkannt, dass Altersgrenzen individualvertraglich oder kollektivrechtlich wirksam vereinbart werden können. Das legitime Ziel liegt insoweit in der besseren Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen mittels einer Förderung des Zugangs jüngerer Menschen zur Beschäftigung. Diesen solle es ermöglicht werden, Arbeitserfahrung zu sammeln und in höhere Vergütungsgruppen aufzusteigen.
Das legitime Ziel der ausgewogenen Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen kann auch die Verweigerung der Wiedereinstellung eines aufgrund einer Altersgrenze bereits ausgeschiedenen Beschäftigten rechtfertigen. Die Zielsetzung ist identisch. Die einschlägige Regelung des geltenden Tarifvertrags entspricht insoweit dieser Zielsetzung.
Außerdem würde die kurze Kündigungsfrist des geltenden Tarifvertrags verdeutlichen, dass die Tarifvertragsparteien keine dauerhafte Weiterbeschäftigung bereits ausgeschiedener Beschäftigter vor Augen hatten, sondern nur eine vorübergehende Weiterbeschäftigung bei besonderem Bedarf. Der Tarifvertrag eröffnet demnach die Wiedereinstellung bereits ausgeschiedener Beschäftigter bei einem solchen Bedarf und fehlenden – hinreichend qualifizierten – jüngeren Bewerbern. Sind jedoch jüngere Bewerber vorhanden, so dürfen diese bevorzugt werden. Eine Auswahlentscheidung nach den Kriterien der Bestenauslese ist insoweit nicht vorzunehmen.
GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer
1. Beteiligung an GmbH: Verluste auch bei Einnahmen-Überschussrechnung abziehbar
Der Verlust der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, die zum notwendigen Betriebsvermögen gehört, kann auch im Rahmen einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung gewinnmindernd berücksichtigt werden. Für den Zeitpunkt und den Umfang des Betriebsausgabenabzugs ist maßgeblich, wann und in welcher Höhe die für den Erwerb der Beteiligung aufgewendeten Mittel endgültig verlorengegangen sind.
Hintergrund
Der Kläger war zu 50 % an der 1988 gegründeten X GmbH (GmbH) beteiligt. Darüber hinaus erbrachte er im Rahmen eines gewerblichen Einzelunternehmens Beratungsleistungen und vermietete Wirtschaftsgüter, u. a. an die GmbH.
Seinen Gewinn aus dem gewerblichen Einzelunternehmen hatte der Kläger zunächst durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt.
In den Bilanzen zum 31.12.2003, zum 31.12.2004 und zum 31.12.2005 hatte er sowohl die GmbH-Beteiligung als auch diverse Darlehensforderungen gegen die GmbH aktiviert.
Für das Jahr 2006 legte der Kläger keine Bilanz vor, sondern lediglich eine vorläufige Gewinn- und Verlustrechnung. Für die Jahre 2009 bis 2013 reichte er Einnahmen-Überschuss-Rechnungen beim Finanzamt ein.
Bereits im Jahr 2007 hatte die GmbH ihren Geschäftsbetrieb eingestellt. Im Jahr 2008 war über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Insolvenzverwalter hatte im Juli 2008 berichtet, die GmbH sei spätestens seit dem 31.12.2000 überschuldet gewesen. Stille Reserven hätten nicht existiert. Eine Fortführung des Unternehmens sei ausgeschlossen.
Mit seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2012 erklärte der Kläger einen Verlust aus der Auflösung der GmbH. Das Finanzamt erkannte diesen Verlust nicht an.
Das FG wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, ein Verlust könne nicht berücksichtigt werden, weil die GmbH-Beteiligung nicht zum Privatvermögen des Klägers gehört habe. Sie sei vielmehr in den Veranlagungszeiträumen 2003 bis 2006 notwendiges Betriebsvermögen des Einzelunternehmens des Klägers gewesen und auch nach Einstellung des Geschäftsbetriebs der GmbH und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen weiterhin Betriebsvermögen geblieben. Denn der Kläger habe die Beteiligung bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraums 2013 nicht entnommen.
Entscheidung
Der BFH entscheidet, dass die Revision des Klägers begründet ist. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
Die GmbH-Beteiligung einschließlich der streitigen Darlehensforderungen haben jedenfalls bis zum Streitjahr 2013 zum Betriebsvermögen des Einzelunternehmens des Klägers gehört.
Die Betriebsvermögenseigenschaft wird grundsätzlich erst dadurch beendet, dass der Steuerpflichtige die Beteiligung aus dem Betriebsvermögen entnimmt. Eine Entnahme setzt regelmäßig eine unmissverständliche, von einem Entnahmewillen getragene Entnahmehandlung voraus.
Die Änderung der Gewinnermittlungsart wirkt sich auf die Zusammensetzung des Betriebsvermögens nicht aus und führt insbesondere nicht zur Entnahme der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter oder zu einer Aufdeckung der stillen Reserven.
Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat das FG nachvollziehbar und für den Senat bindend entschieden, dass die streitige Beteiligung bis zur Einstellung des Geschäftsbetriebs der GmbH im Jahr 2007 zum notwendigen Betriebsvermögen des Einzelunternehmens gehörte. Das FG hat schließlich ebenfalls bindend entschieden, dass die GmbH-Beteiligung bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraums 2013 nicht entnommen worden sei.
Die Anschaffungskosten für Anteile an Kapitalgesellschaften, für Wertpapiere und vergleichbare nicht verbriefte Forderungen und Rechte sind erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder bei Entnahme im Zeitpunkt der Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.
Die Betriebsausgabe ist daher in dem Zeitpunkt anzusetzen, in dem die für das Wirtschaftsgut aufgewendeten Mittel endgültig verlorengegangen sind.
Wann der Verlust in diesem Sinne endgültig ist, ist eine Frage der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls.
Dem Steuerpflichtigen kommt hinsichtlich des Zeitpunkts der Verlustberücksichtigung kein Wahlrecht zu.
Wenn der Verlust des betreffenden Wirtschaftsguts betrieblich veranlasst ist, ist eine Betriebsausgabe in Höhe des aufgezeichneten Buchwerts zu berücksichtigen.
Auf die Rechtsprechungsgrundsätze zur Berücksichtigung eines Beteiligungsverlustes nach § 17 Abs. 4 EStG kann hier nicht zurückgegriffen werden.
Die Ermittlung des Gewinns oder Verlustes erfordert in diesen Zusammenhang eine Stichtagsbewertung auf den Zeitpunkt seiner Entstehung. Maßgebend ist dabei der Zeitpunkt, zu dem bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung der Gewinn oder Verlust realisiert wäre. Ein Verlust kann daher bereits in dem Jahr erfasst werden, in dem mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist. Das Zufluss-Abfluss-Prinzip gilt dort prinzipiell nicht.
Diese Grundsätze können hier aber keine Anwendung finden, da die Beteiligung nicht zum Privatvermögen des Klägers gehörte.
Der Verlust eines Wirtschaftsguts stellt im Fall eines Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt, eine „reguläre“ Betriebsausgabe dar. Diese ist im Rahmen der laufenden Gewinnermittlung zu erfassen. Eine hiervon abweichende, punktuelle – stichtagsbezogene – Gewinnermittlung mit einem Rückbezug aller nachträglich eintretenden Umstände auf den Veräußerungs- bzw. Verlustzeitpunkt, bei der der Anteilseigner den Verlust in einem einzigen zutreffenden Veranlagungszeitraum geltend machen muss, ist der Einnahmen-Überschuss-Rechnung fremd.
Der Verlust ist im Urteilfall daher zwingend in dem Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen, in dem die Mittel, die für das Wirtschaftsgut aufgewendet worden sind, endgültig verlorengegangen sind.
Hat es der Steuerpflichtige versäumt, den Verlust zu diesem Zeitpunkt geltend zu machen, kommt eine Berücksichtigung in einem späteren Veranlagungszeitraum nicht in Betracht. Insoweit unterscheidet sich die Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung von der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich, bei der die Bilanzberichtigung gewinnwirksame Nachholungen ermöglicht. Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass die Mittel, die der Kläger – bis zum Jahr 2008 – für die GmbH-Beteiligung und die Darlehensforderungen aufgewendet hat, im Jahr 2008 endgültig verlorengegangen sind und daher nicht in den Streitjahren 2013 oder (hilfsweise) 2012 berücksichtigt werden können.
2. GbR-Eintragung ins Gesellschaftsregister: Gesellschaftszweck muss nicht angegeben werden
Die Eintragung einer GbR ins Gesellschaftsregister als „eGbR“ erfordert nicht die Angabe des Gesellschaftszwecks. Eine solche darf das Registergericht ohne besonderen Anlass nicht verlangen.
Hintergrund
Das Registergericht verweigerte der GbR die Eintragung ins Gesellschaftsregister, weil die notarielle Anmeldung keine Angaben zum Gesellschaftszweck enthielt. Im Übrigen entsprach die Anmeldung unstreitig den gesetzlichen Anforderungen. Das Registergericht erließ im Anmeldeverfahren eine Zwischenverfügung und gab den Beteiligten Gelegenheit, den Unternehmensgegenstand binnen 4 Wochen mitzuteilen. Die Zwischenverfügung enthielt den Hinweis, dass die Anmeldung andernfalls kostenpflichtig zurückgewiesen werde.
Das Registergericht half der gegen die gerichtliche Zwischenverfügung eingelegten Beschwerde der GbR nicht ab. Nach Auffassung des AG ist die Angabe des Unternehmensgegenstands erforderlich, um beurteilen zu können, ob die Gesellschaft einen rechtlich zulässigen Zweck verfolgt und/oder spezialgesetzliche Verbote dem mit der Gesellschaft verfolgten Zweck entgegenstehen.
Entscheidung
Dies sah das OLG anders und entschied, dass das Registergericht die Eintragung einer GbR ins Gesellschaftsregister i. d. R. nicht von der Angabe des Gesellschaftsgegenstands abhängig machen darf.
Neben dem Namen, dem Sitz, der Anschrift, diversen Angaben zu den einzelnen Gesellschaftern, zur Vertretungsbefugnis und der Versicherung, dass die Gesellschaft nicht bereits eingetragen ist, nennt das Gesetz keine weiteren Eintragungsvoraussetzungen, insbesondere nicht die Angabe des Gesellschaftszwecks.
Nach der Gesellschaftsregisterverordnung soll zwar in der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung der Gegenstand der Gesellschaft angegeben werden. Da es sich nach dem Text der Verordnung lediglich um eine Sollvorschrift handle, sei die Angabe des Gesellschaftszwecks aber schon nach dem Wortlaut der Verordnung nicht zwingend.
Die Eintragung sei im Übrigen weiterhin freiwillig, d. h. sie sei für die GbR nicht konstitutiv. Die GbR besitze als Außengesellschaft auch ohne Eintragung Rechtsfähigkeit. Die Eintragung biete für die GbR den Vorteil der Subjektpublizität, d. h. durch den sicheren Nachweis der Gesellschafter und der Vertretungsverhältnisse werde eine höhere Transparenz für die Geschäftspartner geschaffen. Die Eintragung des Gesellschaftszwecks sei hierfür nicht zwingend.
Schließlich zwingt auch der Amtsermittlungsgrundsatz das Registergericht nicht dazu, eigene Ermittlungen dazu anzustellen, ob die Gesellschaft rechtlich zulässige Zwecke verfolgt. Die Aufnahme eigener Ermittlungen stehe im pflichtgemäßen Ermessen des Registergerichts. In Ausübung dieses pflichtgemäßen Ermessens dürfte das Registergericht nur dann weitere Ermittlungen anstellen und ggf. die Angabe eines Gesellschaftszwecks verlangen, wenn ein konkreter Anlass für inhaltliche Bedenken gegen die Eintragung bestünden. Ohne einen solchen Anlass stehe dem Registergericht eine Ermittlungsbefugnis nicht zu. Im Ergebnis ist eine anlasslose Prüfung des Gesellschaftszwecks durch das Registergericht auf etwaige Gesetzesverstöße nicht zulässig. Das Registergericht durfte die Angabe des Gesellschaftszwecks daher nicht verlangen und muss die GbR bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen daher ins Gesellschaftsregister eintragen.
3. GmbH veräußert Geschäftszweig: Was passiert mit den Gewerbeverlusten?
Ein Gewerbeverlust, der ursprünglich im Betrieb einer Personengesellschaft entstanden und durch Anwachsung auf eine Kapitalgesellschaft übergegangen ist, entfällt nicht dadurch, dass die Kapitalgesellschaft den verlustverursachenden Geschäftsbereich im Wege eines Asset Deals weiterveräußert.
Hintergrund
Bei der Klägerin handelt es sich um eine GmbH. Sie hatte als Gesamtrechtsnachfolgerin einer GmbH & Co. KG im Jahr 2011 deren Gewerbeverlust übernommen. Die Klägerin führte den übernommenen Betrieb der A GmbH & Co. KG zunächst weiter. Im Jahr 2013 veräußerte die Klägerin ihr operatives Geschäft im Rahmen eines Asset Deals an eine andere GmbH. Im Anschluss hieran wurde der Unternehmensgegenstand und die Firma der Klägerin geändert. Sie firmierte nun als C-GmbH, deren Unternehmensgegenstand das Halten und Verwalten von Beteiligungen aller Art ist.
Das Finanzamt kam im Rahmen einer Betriebsprüfung zu dem Ergebnis, dass aufgrund des Asset Deals sowie des damit einhergehenden Wegfalls der Unternehmensidentität die auf die Klägerin übergegangenen und noch nicht genutzten gewerbesteuerlichen Verluste der früheren A GmbH & Co. KG weggefallen seien.
Entscheidung
Im geltenden Recht besteht keine Grundlage für das vom Finanzamt bejahte Entfallen des Gewerbeverlusts. Eine solche ist nicht im GewStG enthalten, ebenso wenig ist eine Regelung außerhalb des GewStG einschlägig.
Das FG hat im Urteilsfall deshalb zu Recht entschieden, dass der von der KG herrührende Gewerbeverlust bei der Klägerin trotz der im Streitjahr erfolgten Veräußerung des verlustverursachenden früheren Geschäftsbetriebs der KG als vortragsfähiger Fehlbetrag erhalten blieb.
Die Veräußerung des von der KG übernommenen Geschäftsbetriebs änderte nichts daran, dass die bei der Klägerin verbliebene andere Unternehmenstätigkeit weiterhin in vollem Umfang als einheitlicher und zugleich identischer Gewerbebetrieb galt.
Insbesondere galt der Gewerbebetrieb der Klägerin nicht als eingestellt, da er im Zuge des Asset Deals nicht „im Ganzen“ auf einen anderen Unternehmer überging.
Auch nach den entsprechend anwendbaren Vorschriften des KStG ist er nicht entfallen.
Für die Geltendmachung eines Gewerbeverlusts bedarf es sowohl der Unternehmeridentität als auch der Unternehmensidentität. Im Urteilsfall liegt kein Umstand vor, der im Streitjahr 2013 gegen den Fortbestand der Unternehmeridentität sprechen könnte. Im Streit steht hier ausschließlich die Unternehmensidentität der Klägerin.
Das Erfordernis der Unternehmensidentität wird aus dem Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer abgeleitet, der es nicht zulasse, dass Verluste eines Gewerbebetriebs bei einem anderen Gewerbebetrieb berücksichtigt werden.
Die Unternehmensidentität liegt vor, wenn der im Verlustabzugsjahr bestehende Gewerbebetrieb mit jenem identisch ist, der im Verlustentstehungsjahr bestand.
Bei einer Kapitalgesellschaft wird die Unternehmensidentität insoweit als unproblematisch angesehen, als ihre Tätigkeit stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt. Eine Änderung ihrer wirtschaftlichen Betätigung berührt die Unternehmensidentität einer Kapitalgesellschaft nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des BFH nicht, solange derselbe einheitliche Gewerbebetrieb weiterhin existiert. Das Kriterium der Unternehmensidentität hat danach für den Fortbestand des vortragsfähigen Gewerbeverlusts bei einer Kapitalgesellschaft – zumindest grundsätzlich – keine Bedeutung.
Von dem Grundsatz der Unerheblichkeit der Unternehmensidentität bei einer Kapitalgesellschaft ist auch im Anschluss an eine Anwachsung keine Ausnahme zu machen.
Die Frage der Unternehmensidentität hat bei einer Kapitalgesellschaft nicht deswegen ausnahmsweise eine andere oder besondere Bedeutung, weil der von ihr übernommene Gewerbeverlust im Ursprung von einer Personengesellschaft herrührt. Es bedürfte vielmehr einer rechtlichen Grundlage, die für den Fall, dass eine Kapitalgesellschaft im Wege der Anwachsung einen für eine Personengesellschaft festgestellten Gewerbeverlust übernommen hat, die Verlustnutzung von der identitätswahrenden Fortführung des verlustverursachenden Betriebs der Personengesellschaft abhängig macht. An einer solchen Vorschrift fehlt es im geltenden Recht; dies gilt insbesondere auch für das Entfallen des nach der Anwachsung ununterscheidbar festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlusts der Kapitalgesellschaft.
Kapitalanlage und Versicherung
1. Versicherungsbedingungen: Ausschlussklauseln müssen verständlich sein
Versicherungen verwenden in ihren Bedingungen häufig Ausschlussklauseln, in denen sie festlegen, wann sie nicht zahlen. Um wirksam zu sein, müssen diese Klauseln für die Versicherten verständlich sein.
Hintergrund
Ein Mann, der unter Diabetes Typ 2 litt, flog nach Florida. Dort wurde er einige Tage stationär behandelt, Kostenpunkt: gut 34.000 EUR. Der Mann hatte eine Auslandskrankenschutzversicherung, die für die Kosten im ersten Schritt aufkam, sowie eine Auslandskrankenversicherung als Zusatzleistung über seine Kreditkarte.
Die Versicherung, die die Kosten übernommen hatte, wollte von der Kreditkartenversicherung die Hälfte der Kosten erstattet bekommen. Doch die weigerte sich zu zahlen. Sie begründete dies mit der Ausschlussklausel in den Versicherungsbedingungen. Die besagte u. a.: „Keine Leistungspflicht besteht bei einem bereits vorher bekannten medizinischen Zustand, der der versicherten Person bekannt war, als sie die Kreditkarte beantragte, bzw. bei der Buchung der Reise, je nachdem, was am kürzesten zurückliegt …“.
Die Behandlung sei durch die bereits bei der Reisebuchung bestehenden Erkrankungen – Diabetes und rezidivierende Harnwegsinfekte – notwendig geworden. Es bestehe deshalb keine Leistungspflicht, so die Kreditkartenversicherung.
Entscheidung
Der BGH hat entschieden, dass die von der Kreditkartenversicherung verwendete Klausel gegen das Transparenzverbot verstößt und daher unwirksam ist. Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen.
Die Klauseln müssen in ihren Formulierungen für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich sein.
Bei einer Ausschlussklausel müssen dem Versicherungsnehmer die damit verbundenen Nachteile und Belastungen, soweit nach den Umständen möglich, so verdeutlicht werden, dass er den danach noch bestehenden Umfang der Versicherung erkennen kann.
Die von der Kreditkartenversicherung verwendete Ausschlussklausel entspreche nicht diesen Anforderungen. Der durchschnittlich Versicherte könne der Klausel nicht hinreichend klar entnehmen, wann die Leistungspflicht der Versicherung ausgeschlossen sein soll.
Welcher „medizinische Zustand“ zu einem Leistungsausschluss führt, werde in der Klausel nicht verständlich definiert, sondern nur durch eine nicht abschließende Reihe von Beispielen illustriert.
Aber auch unabhängig von der Bestimmung des „medizinischen Zustands“ könne der Versicherte nicht erkennen, in welchem Umfang das Bestehen eines solchen Zustands den Versicherungsschutz ausschließe.
Lohn und Gehalt
1. Im Ausland tätiger Priester: Dienstbezüge sind steuerpflichtig
Die Kasse einer inländischen, öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft ist eine öffentliche Kasse. Deshalb unterliegen Bezüge eines Pfarrers, der in Brasilien tätig ist, der inländischen Steuerpflicht und sind in Deutschland lohnsteuerpflichtig.
Hintergrund
Der Kläger ist bei einem Bistum als Priester inkardiniert und im Auftrag des Bistums in Brasilien als Gemeindepfarrer tätig. Er hat keinen Wohnsitz in Deutschland.
Das Bistum behielt in den Jahren 2011 bis 2016 (Streitzeitraum) vom Gehalt des Klägers Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse I ein und führte die einbehaltenen Beträge an das Betriebsstättenfinanzamt ab. Der Kläger legte gegen die Lohnsteuer-Anmeldungen des Streitzeitraums jeweils Einspruch ein, die das Finanzamt teilweise als unzulässig verworfen bzw. teilweise als unbegründet zurückgewiesen hat. Die Lohnsteuer-Anmeldungen wurden bestandskräftig.
Der Kläger begehrte vom Finanzamt in der Folge die Erstattung der vom Bistum im Streitzeitraum von seinem Arbeitslohn einbehaltenen und abgeführten Abgaben. Das Finanzamt erließ daraufhin einen Abrechnungsbescheid, mit dem es den Erstattungsanspruch auf 0 EUR feststellte.
Die Klage wies das FG als unbegründet zurück.
Entscheidung
Der BFH entscheidet, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der abgeführten Lohnsteuern und Nebenabgaben hat.
Ist eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, so hat derjenige, für dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, gegenüber dem Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsgrund für die Zahlung später wegfällt. Ob dies der Fall ist, richtet sich regelmäßig nach den zugrunde liegenden Steuerbescheiden. Denn Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sind die Steuerbescheide; die Steueranmeldungen stehen dabei den Steuerbescheiden gleich.
Nach diesen Maßstäben hat der Kläger keinen Anspruch gegen das Finanzamt auf Erstattung der für den Streitzeitraum entrichteten Abgaben. Denn die entsprechenden Steuern wurden aufgrund der Lohnsteuer-Anmeldungen des Bistums und damit mit Rechtsgrund gezahlt. Die Steuerfestsetzungen sind auch nicht nachträglich entfallen. Denn die Lohnsteuer-Anmeldungen wurden weder geändert noch aufgehoben.
Der Kläger war mit seinen im Streitzeitraum bezogenen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit beschränkt steuerpflichtig, da er Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse bezogen hat. Das Bistum war folglich verpflichtet, Lohnsteuer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen.
Die entsprechenden Lohnzahlungen wurden vom Bistum auch mit Rücksicht auf ein gegenwärtiges Dienstverhältnis gewährt. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die (öffentlichen) Mittel wirtschaftlich für die dienstvertragliche Vergütung gezahlt werden. Der Kläger war beim Bistum als inkardinierter Priester in dessen Auftrag als Gemeindepfarrer in Brasilien tätig und erhielt für diese Tätigkeit vom Bistum Arbeitslohn, den das Bistum auch selbst wirtschaftlich getragen hat.
Die Kasse des Bistums, die den Arbeitslohn des Klägers gezahlt hat, ist zudem eine inländische öffentliche Kasse. Das Bistum ist als Untergliederung der römisch-katholischen Kirche eine inländische Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Kassen des Bistums sind damit auch öffentliche Kassen. Dass die kirchlichen Kassen und damit auch die des Bistums nicht der (staatlichen), sondern u. U. keiner vergleichbaren oder lediglich einer kircheninternen Finanzkontrolle unterliegen, ist unerheblich.
Private Immobilienbesitzer
1. Ausschluss einer Kündigung wegen Eigenbedarfs gilt auch für Käufer der Wohnung
Der Erwerber einer Eigentumswohnung tritt in die bisherigen Rechte und Pflichten eines von dem Voreigentümer mit dem Mieter der Wohnung geschlossenen Vertrages ein. Dies gilt auch für einen zwischen Mieter und Voreigentümer vereinbarten Ausschluss einer Kündigung wegen Eigenbedarfs.
Hintergrund
Die Mieter und der Wohnungseigentümer hatten vertraglich einen Ausschluss der Kündigung wegen Eigenbedarfs durch den Vermieter vereinbart. Der Kündigungsausschluss war nicht bereits im ursprünglichen Mietvertrag, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt in einer gesonderten Vereinbarung als Ergänzung des Mietvertrags fixiert worden.
Eine spätere Käuferin der Wohnung, die die Wohnung zu eigenen Zwecken nutzen wollte, erklärte den Mietern die Kündigung wegen Eigenbedarfs. Da die Mieter die Kündigung nicht akzeptierten, erhob die neue Vermieterin Räumungsklage. Sie bezog sich auf den Standpunkt, die Vereinbarung zum Ausschluss einer Kündigung wegen Eigenbedarfs sei ein unzulässiger Vertrag zulasten Dritter, da sie als Rechtsnachfolgerin des bisherigen Vermieters hierdurch in ungerechtfertigter Weise in ihren Rechten beeinträchtigt würde.
Darüber hinaus bezweifelte sie die Rechtsgültigkeit der Mietvertragsergänzung wegen der zwischen der Unterschrift des damaligen Vermieters und der Unterschrift der Mieter liegenden Zeitspanne von 6 Wochen.
Entscheidung
Das LG sah in der Mietvertragsergänzung keine unzulässige Vereinbarung zulasten Dritter. Mit der Mietvertragsergänzung seien lediglich Rechte und Pflichten der am damaligen Mietverhältnis beteiligten Mietparteien fixiert worden. Über die beteiligten Parteien hinaus habe der vereinbarte Ausschluss der Eigenbedarfskündigung zunächst keine Wirkung gehabt. Es sei Sache eines späteren Käufers, sich vor dem Kauf über die Konditionen eines bestehenden Mietverhältnisses zu informieren. Er könne ggf. vom beabsichtigten Erwerb der Wohnung Abstand nehmen.
Der zeitliche Abstand von 6 Wochen zwischen den Unterschriften von Mieter und Vermieter unter die Vertragsergänzung ändert nach der Entscheidung des LG an der Wirksamkeit der Vereinbarung nichts. Zwar müsse ein Vertragsangebot unter Anwesenden sofort angenommen werden, unter Abwesenden in angemessener Zeit. Die Klägerin verkenne jedoch, dass die Unterschriften unter die Vertragsergänzung möglicherweise lediglich der Erfüllung des Schriftformerfordernisses gedient hätten und – was in solchen Fällen nicht unüblich sei – die zugrundeliegende Vereinbarung anderweitig zustande gekommen sei.
Im Ergebnis folgen nach der Entscheidung des LG im Fall eines bestehenden Mietverhältnisses die Rechte und Pflichten eines Wohnungserwerbers unabhängig von dem geschlossenen Kaufvertrag unmittelbar aus der gesetzlichen Vorschrift des § 566 BGB. Der hieraus folgende Eintritt des Erwerbers in einen bestehenden Mietvertrag habe nicht zur Voraussetzung, dass der Erwerber sämtliche Bestimmungen eines bestehenden Mietvertrags kennt. Die Klärung der dort vereinbarten Konditionen sei allein Sache zwischen ihm und dem Veräußerer.
Im Ergebnis hat damit der vereinbarte Ausschluss einer Eigenbedarfskündigung auch zwischen dem Mieter und dem neuen Erwerber weiterhin Bestand. Das LG wies die Räumungsklage der neuen Eigentümerin ab.
2. Bei Schenkung von Miteigentum an Gebäuden: Finanzierungsdarlehen mit übertragen
Verschenkt der Steuerpflichtige einen Miteigentumsanteil an einem Vermietungsobjekt, sollte er auch das Finanzierungsdarlehen anteilig mit übertragen. Sonst kann er künftig die Schuldzinsen nur noch anteilig entsprechend seinem verbliebenen Miteigentumsanteil abziehen.
Hintergrund
Der Steuerpflichtige übertrug mit notariellem Vertrag vom 14.6.2019 als Alleineigentümer eines Grundstücks, für das er beim Erwerb mehrere Darlehen bei der Stadtsparkasse aufgenommen hat, einen ideellen 2/5-Miteigentumsanteil im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seinen Sohn.
In dem notariellen Vertrag wurde festgehalten, dass die im Grundbuch eingetragenen Belastungen bezüglich der Darlehen für den ursprünglichen Erwerb von dem Sohn entsprechend seinem Miteigentumsanteil zur dinglichen Haftung übernommen werden; zu einer schuldrechtlichen Schuldübernahme bzw. einem Schuldenbeitritt zur Darlehensschuld gegenüber der Stadtsparkasse ist es nicht gekommen.
Das Finanzamt berücksichtigte für 2020 nur 3/5 der vom Steuerpflichtigen geltend gemachten Darlehenszinsen für die Darlehen bei der Stadtsparkasse als Sonderwerbungskosten.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG können die vom Steuerpflichtigen an die Stadtsparkasse gezahlten Darlehenszinsen nur noch i. H. v. 3/5 bei ihm als Sonderwerbungskosten berücksichtigt werden. Wenn der Grundstückseigentümer ein Grundstück unter Zurückbehaltung der Darlehensverpflichtung schenkweise auf seine Kinder überträgt, so verlieren die Schulden ihre Objektbezogenheit und gehen in den privaten, nicht mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Bereich über.
Darlehenszinsen sind als Werbungskosten bei Vermietungseinkünften abzugsfähig, wenn sie für ein Darlehen geleistet worden sind, das tatsächlich zum Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwendet worden ist.
Dient ein fremdfinanziertes Gebäude nicht nur dem Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern anteilig auch der nicht steuerbaren Selbstnutzung oder anderen nicht steuerlich relevanten Zwecken, werden die zur Finanzierung des gesamten Gebäudes aufgenommenen Darlehensmittel lediglich teilweise zur Einkünfteerzielung verwandt, mit der Folge, dass die für den Kredit entrichteten Zinsen nur anteilig als Werbungskosten abziehbar sind.
3. Wohnungseigentum: Verwaltervertrag hat keine Schutzwirkung für Eigentümer mehr
Verletzt der Verwalter Pflichten aus dem Verwaltervertrag, können einzelne Wohnungseigentümer nur von der Gemeinschaft Ersatz verlangen. Der Verwaltervertrag entfaltet seit der WEG-Reform keine drittschützende Wirkung zugunsten der einzelnen Eigentümer mehr.
Hintergrund
Ein Wohnungseigentümer verlangt von der Verwalterin Schadensersatz wegen verspäteter Auszahlung einer Versicherungsleistung.
Nach einem Wasserschaden an Gemeinschafts- und Sondereigentum hatte die Gebäudeversicherung an die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) im November 2022 eine Entschädigung gezahlt. Der klagende Wohnungseigentümer, ein Rechtsanwalt, forderte die Verwalterin zunächst vergeblich auf, den für sein Sondereigentum geleisteten Teilbetrag an ihn auszuzahlen. Erst nachdem der Eigentümer erklärt hatte, sich als Anwalt selbst zu vertreten, zahlte die Verwalterin den Betrag aus. Der Eigentümer nimmt die Verwalterin nun auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch.
Entscheidung
Dem Wohnungseigentümer stehen wegen einer möglicherweise verspäteten Auszahlung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Ersatzansprüche gegen die Verwalterin zu. Er kann nur die Gemeinschaft in Anspruch nehmen.
Ein vertraglicher Anspruch unter dem Gesichtspunkt des Verzuges besteht nicht, denn zwischen dem Eigentümer und der Verwalterin bestand kein Schuldverhältnis. Vertragsparteien des Verwaltervertrags sind die Gemeinschaft und die Verwalterin, nicht jedoch der Eigentümer.
Auch aus der Stellung der Verwalterin folgt keine Leistungspflicht gegenüber dem Eigentümer. Seit der WEG-Reform obliegt die Verwaltung (auch) im Innenverhältnis ausschließlich der GdWE, die die ihr zugewiesenen Aufgaben durch ihre Organe erfüllt. Internes Organ für die Ausführung ist der Verwalter.
Ein Schadensersatzanspruch ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Der Verwaltervertrag entfaltet – anders als vor der WEG-Reform – keine drittschützende Wirkung zugunsten einzelner Wohnungseigentümer.
Die einzelnen Eigentümer sind nicht schutzbedürftig, denn ihre Interessen sind bereits durch einen eigenen, dem vertraglichen Haftungsanspruch gleichwertigen Anspruch gegen die GdWE abgedeckt. Es besteht daher keine Schutzlücke, die durch die Einbeziehung der Eigentümer in den Schutzbereich des zwischen der GdWE und der Verwalterin bestehenden Vertrages geschlossen werden müsste.
Seit der WEG-Reform ist die GdWE Schuldnerin des Anspruchs der einzelnen Wohnungseigentümer auf ordnungsmäßige Verwaltung. Dementsprechend haben die einzelnen Wohnungseigentümer eigene (Primär- wie Sekundär-)Ansprüche aus einem sie mit der GdWE verbindenden gesetzlichen Schuldverhältnis.
Verletzt die GdWE schuldhaft die ihr obliegenden Verwaltungspflichten, begründet dies einen eigenen Schadensersatzanspruch des einzelnen Wohnungseigentümers gegen die GdWE. Das Verhalten des Verwalters und ihrer Erfüllungsgehilfen muss sich die GdWE zurechnen lassen.
Sonstige Steuern
1. Bauruine: Grundstück gilt bei der Bewertung im Rahmen der Grundsteuer als unbebaut
Ein Grundstück kann im Rahmen der Grundsteuer nicht als bebaut gelten, wenn das Gebäude so große Baumängel hat, dass diese nur durch völlige Entkernung beseitigt werden können.
Hintergrund
Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines Gewerbegrundstücks. Das Finanzamt hat den Grundsteuerwert auf 836.000 EUR festgestellt. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung dieses Bescheids i. H. v. 636.000 EUR, da die Grundsteuerbewertung durch die fehlende Berücksichtigung des Erhaltungszustands des Grundbesitzes als verfassungswidrig anzusehen sei. Die Antragstellerin hat das Objekt am 10.8.2016 zu einem Kaufpreis von 350.000 EUR aus einer Insolvenzmasse heraus erworben.
Es hat sich herausgestellt, dass erhebliche Feuchtigkeitsschäden, marode Wasserleitungen sowie eine nicht mehr einsetzbare Elektrik vorlagen, sodass das Objekt völlig entkernt werden muss. Das Objekt sei daher unter Zugrundelegung seines Zustands im Rohbau zu bewerten.
Entscheidung
Der Antrag ist teilweise begründet. Das Gericht hat ernstliche Zweifel, dass das Grundstück zum Feststellungszeitpunkt den Begriff des bebauten Grundstücks erfüllt, da infolge des Verfalls des Gebäudes auf Dauer kein benutzbarer Raum mehr vorhanden war.
Für eine weitergehende Aussetzung des angefochtenen Feststellungsbescheids wegen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften zur Bewertung des Grundbesitzes für die Grundsteuer ab 1.1.2022 fehlt es allerdings an einem besonderen Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen zur Feststellung des Grundsteuerwerts können nur bei Bestehen eines – gegenüber dem öffentlichen Interesse vorrangigen – besonderen berechtigten Interesses des Antragstellers die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes rechtfertigen, was hier nicht gegeben ist.
2. Erbschaft: Können Steuervergünstigungen auf den Miterben übertragen werden?
Die Übertragung der Steuerbegünstigung für Betriebsvermögen, für vermieteten Wohnraum und für das selbstgenutzte Familienheim unter Miterben setzt voraus, dass die Übertragung der Vermögenswerte im Rahmen der Teilung des Nachlasses erfolgt. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn die Teilung des Nachlasses mehr als 6 Monate nach dem Erbfall erfolgt.
Hintergrund
Die Eltern des Klägers starben im Dezember 2015. Der Kläger und sein Bruder beerbten sowohl die Mutter als auch den Vater (Erblasser) je zur Hälfte. Zum Nachlass der Mutter gehörten u. a. Grundstücke, zum Nachlass des Erblassers gehörten Grundstücke, eine 20 %ige Kommanditbeteiligung an einer gewerblich tätigen GmbH & Co. KG (KG) sowie eine 20 %ige Beteiligung an der Komplementärgesellschaft der KG (GmbH). Die übrigen Beteiligungen von 80 % an der KG und der GmbH hielt im Zeitpunkt des Erbfalls der Kläger. Mit Feststellungsbescheid vom 12.7.2017 wurde der Wert des KG-Anteils des Erblassers auf 312.256 EUR festgestellt.
Das Finanzamt setzte mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid vom 2.3.2018 die Erbschaftsteuer aufgrund des Erwerbs nach dem Erblasser gegen den Kläger fest. Es berücksichtigte dabei für den KG-Anteil die Steuerbefreiung für Betriebsvermögen. Für einzelne Grundstücke wurde die Steuerbefreiung für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke teilweise gewährt. Für die vom Kläger nach dem Erbfall bewohnte Wohnung wurde zudem die Steuerbefreiung für das selbstgenutzte Familienheim gewährt. Der Bescheid wurde formell bestandskräftig.
Im Jahr 2018 übertrugen der Kläger und sein Bruder untereinander zum Zwecke der Erbauseinandersetzung mehrere Grundstücke. Zudem übertrug der Bruder den mit dem Erbfall auf ihn entfallenden Anteil von 10 % an der KG unentgeltlich auf den Kläger. Für die Übertragung der GmbH-Beteiligung leistete der Kläger eine Abfindung an seinen Bruder. Ergebnis der Erbauseinandersetzung war, dass der Bruder ein Grundstück und der Kläger die Gesellschaftsbeteiligungen und die anderen Grundstücke jeweils zum Alleineigentum erhielten.
Der Kläger beantragte daraufhin die Änderung des Erbschafsteuerbescheids, da aufgrund der Erbauseinandersetzung die erbschaftsteuerrechtlichen Begünstigungen neu zuzuordnen und bei seiner Erbschaftsteuerfestsetzung zu berücksichtigen seien.
Das Finanzamt lehnte die Änderung mit der Begründung ab, eine Erbauseinandersetzung könne steuerlich nur berücksichtigt werden, wenn sie zeitnah nach dem Erbfall erfolge. Als zeitnah werde dabei ein Zeitraum von 6 Monaten angesehen. Der Erbfall sei aber bereits 2015 eingetreten, die Auseinandersetzung erst 2018 erfolgt.
Gegen die Ablehnung der Änderungen legte der Kläger Einspruch ein, den das Finanzamt als unbegründet zurückwies. Das FG gab der hiergegen erhobenen Klage statt.
Entscheidung
Der BFH hat entschieden, dass dem Kläger die Steuerbegünstigung für das Betriebsvermögen, für vermieteten Wohnraum und für das eigengenutzte Familienheim aufgrund des sog. Begünstigungstransfers in dem beantragten Umfang zu gewähren ist.
Der sog. Begünstigungstransfer setzt voraus, dass die Übertragung des Betriebsvermögens auf den Miterben „im Rahmen der Teilung des Nachlasses“ erfolgt. Die Begünstigung wirkt nur insoweit, als im Gegenzug nicht begünstigtes Vermögen hingegeben wird.
Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung, nach der die Auseinandersetzungsvereinbarung innerhalb von 6 Monaten nach dem Erbfall erfolgen muss, ist eine zeitliche Beschränkung für die Teilung des Nachlasses im Gesetz nicht vorgesehen. Ausreichend ist, dass ein innerer Zusammenhang zum Erbfall besteht.
Ob die Übertragung im Rahmen der Teilung des Nachlasses erfolgt, ist im Wege der Auslegung des ihr zugrunde liegenden Erbteilungsvertrags unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei bildet der zeitliche Abstand zwischen dem Anfall des Nachlasses und der Übertragung der Vermögensgegenstände nur ein Indiz dafür, ob die Übertragung noch im Rahmen der Teilung des Nachlasses erfolgt. Je nach dem Umfang des Nachlasses und den Schwierigkeiten bei der Bewertung einzelner Vermögensgegenstände kann im Einzelfall auch bei einem über 6 Monate hinausgehenden Zeitraum zwischen Erbfall und Übertragung des Vermögens noch von einer Übertragung im Rahmen der Teilung des Nachlasses ausgegangen werden.
Das FG ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Begünstigungstransfer nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil die Erbauseinandersetzung erst etwas mehr als 2 Jahre nach dem Tod des Erblassers erfolgte. Dies führt dazu, dass
- die Übertragung des zunächst vom Bruder des Klägers im Wege der Erbfolge erlangten anteiligen KG-Anteils „im Rahmen der Teilung des Nachlasses“ erfolgte und für den übernommenen Anteil die Begünstigung des Betriebsvermögens zu gewähren ist, denn die klare Zuordnung des Betriebsvermögens war von Anfang an gewollt gewesen. Die Dauer der Erbauseinandersetzung sei damit zu erklären, dass nach dem plötzlichen Tod beider Elternteile eine Vielzahl von steuerrechtlichen und bewertungsrechtlichen Fragen aufgekommen sei, die zunächst hätten beantwortet werden müssen;
- die Steuerbegünstigung für Wohnraum ebenfalls im Wege der Erbauseinandersetzung übertragen worden ist. Das ErbStG verlangt auch hier, dass die Übertragung im Rahmen der Teilung des Nachlasses erfolgt und benennt dafür keinen konkreten Zeitraum;
- die Steuerbegünstigung für das selbstgenutzte Familienheim in dem beantragten Umfang zu gewähren ist. Nutzt der erwerbende Dritte (Miterbe) die vormals vom Erblasser genutzte Wohnung innerhalb angemessener Zeit für eigene Wohnzwecke, ist der Begünstigungstransfer unabhängig davon zu gewähren, ob die anderen Miterben, die ihren Miteigentumsanteil zum Zwecke des Begünstigungstransfers auf den das Familienheim allein nutzenden Miterben übertragen, selbst einen Selbstnutzungswillen haben und unverzüglich in das Familienheim einziehen. Zudem ist eine zeitliche Nähe zum Erbfall für die Teilung des Nachlasses nicht vorgeschrieben. Deshalb kann bei einer Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften eine Begünstigung auch zu gewähren sein, wenn die Auseinandersetzungsvereinbarung nicht innerhalb von 6 Monaten nach dem Erbfall geschlossen wird. Ob die Übertragung im Rahmen der Teilung des Nachlasses erfolgt, ist auch im Rahmen dieser Vorschrift durch eine Gesamtwürdigung aller Tatsachen zu prüfen.
3. Erbschaft: Wie wird der Wert eines Einfamilienhauses ermittelt?
Ein Einfamilienhaus kann nur dann im Sachwertverfahren bewertet werden, wenn kein Vergleichswert vorliegt.
Hintergrund
Die Antragsteller sind je zur Hälfte Rechtsnachfolger des am 22.7.2022 verstorbenen P. Zum Nachlass gehörte ein Einfamilienhaus. Die Erbschaft- und Schenkungssteuerstelle des Finanzamts C fragte beim Antragsgegner die Feststellung eines Grundbesitzwerts auf den 22.7.2022 an. Die Antragsteller reichten eine Bedarfswerterklärung zur Bewertung dieses Grundstücks ein.
Der Wert ergab sich aus einem vorläufigen Sachwert unter Anwendung einer Wertzahl i. H. v. 0,90. Der Antragsgegner erließ am 27.11.2023 einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts für Zwecke der Erbschaftsteuer. Hierin stellte er den Wert der wirtschaftlichen Einheit auf X EUR fest.
Zur Begründung verwies er auf eine dem Bescheid beigefügte Anlage. In dieser Anlage befand sich ein Auszug aus dem unter der Webseite www.boris.nrw.de aufzufindenden Immobilienpreiskalkulator.
Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller Einspruch ein, über den der Antragsgegner noch nicht entschieden hat. Sie beantragten ferner die Aussetzung der Vollziehung, die der Antragsgegner ablehnte. Die Antragsteller haben bei Gericht die Aussetzung der Vollziehung beantragt.
Zur Begründung machten sie u. a. geltend, dass das Haus – wie in der eingereichten Bedarfswerterklärung – im Sachwertverfahren zu bewerten sei. Die Bewertung mithilfe des Immobilienpreiskalkulators sei nicht zulässig. Dieser Wert werde ausdrücklich als Schätzwert ausgewiesen. Auch der Marktbericht des Gutachterausschusses der Stadt G erwähne diesen Immobilienpreiskalkulator nicht. Vielmehr verweise er auf Umrechnungskoeffizienten zum Vergleichswertfaktor.
Entscheidung
Die von den Antragstellern angestrebte Bewertung im Sachwertverfahren kommt nach dem Beschluss des FG nicht in Betracht. Ein- und Zweifamilienhäuser sind grundsätzlich im Vergleichswertverfahren zu bewerten. Im Sachwertverfahren seien Grundstücke nur zu bewerten, wenn kein Vergleichswert vorliegt. Danach sei die Bewertung im Sachwertverfahren bereits ausgeschlossen, da ein Vergleichswert vorliegt.
Der im Vergleichsfaktorverfahren festgestellte Vergleichswert sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.
Bei Anwendung des Vergleichswertverfahrens sind Kaufpreise von Grundstücken heranzuziehen, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen (Vergleichsgrundstücke). Grundlage sind vorrangig die von den Gutachterausschüssen mitgeteilten Vergleichspreise.
Im Rahmen des sog. Vergleichspreisverfahrens können anstelle von Preisen für Vergleichsgrundstücke von den Gutachterausschüssen für geeignete Bezugseinheiten, insbesondere Flächeneinheiten des Gebäudes, ermittelte und mitgeteilte Vergleichsfaktoren herangezogen werden.
Das FG hält das Vergleichspreisverfahren und das Vergleichsfaktorverfahren für gleichrangig nebeneinanderstehende Verfahren.
Für die Anwendung des Vergleichsfaktorverfahrens ermittelt der Gutachterausschuss für Grundstückswerte geeignete Vergleichsfaktoren und teilt diese dem Finanzamt mit. Die maßgebenden Vergleichswertfaktoren ergeben sich aus den jeweiligen Grundstücksmarktberichten der örtlichen Gutachterausschüsse. Häufig wird der örtliche Gutachterausschuss nicht nur Vergleichsfaktoren veröffentlichen, sondern ebenfalls angeben, unter welchen Voraussetzungen die Vergleichsfaktoren angewandt werden können.
Die Anwendung der Vergleichsfaktoren setzt voraus, dass die wertbeeinflussenden Merkmale der Vergleichsgrundstücke bzw. der Grundstücke, für die Vergleichsfaktoren bebauter Grundstücke abgeleitet worden sind, mit dem Zustand des zu bewertenden Grundstücks übereinstimmen. Liegen hier Abweichungen vor, sind diese durch Zu- oder Abschläge (Umrechnungskoeffizienten) zu berücksichtigen. Dabei sind die Vorgaben des örtlichen Gutachterausschusses für Grundstückswerte maßgebend.
Typische Abweichungen können z. B. bei der maßgebenden Wohnungsgröße vorliegen. In diesen Fällen wird der örtliche Gutachterausschuss häufig auch Indexreihen oder Umrechnungskoeffizienten zur Verfügung stellen, damit die Vergleichsfaktoren für möglichst viele Fallkonstellationen angewandt werden können. Diesen Anforderungen wird der mithilfe des Immobilienpreiskalkulators ermittelte Vergleichswert gerecht.
Steuerrecht Privatvermögen
1. Aussetzung der Vollziehung: Ist die Höhe der Zinsen verfassungsgemäß?
Der Zinssatz bei Festsetzung von Aussetzungszinsen von 0,5 % monatlich (6 % p. a.) ist nach Auffassung des BFH seit 2019 verfassungswidrig.
Hintergrund
Der Kläger wandte sich mit dem Einspruch und Klage gegen seine Veranlagung zur Einkommensteuer 2012.
Auf Antrag des Klägers setzte das Finanzamt die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 2012 i. H. v. 22.600 EUR (Einkommensteuer) und 1.350 EUR (Solidaritätszuschlag) ab deren Fälligkeit aus.
Die Klage war erfolglos.
Anschließend setzte das Finanzamt Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 2012 und zum Solidaritätszuschlag 2012 für die Zeit vom 22.9.2014 bis zum 15.4.2021 fest, und zwar mit dem gesetzlichen Zinssatz von 0,5 % für 78 volle Monate i. H. v. 8.814 EUR (Einkommensteuer) und 526 EUR (Solidaritätszuschlag).
Auf den Zeitraum vom 1.1.2019 bis zum 15.4.2021 entfielen Zinsen von 3.051 EUR (Einkommensteuer) und 182,25 EUR (Solidaritätszuschlag).
Dagegen legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein. Der Einspruch ruhte zunächst wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die Höhe des gesetzlichen Zinssatzes. Nach dem Beschluss des BVerfG zur Unvereinbarkeit des Zinssatzes bei der Vollverzinsung wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück.
Mit der dagegen erhobenen Klage machte der Kläger geltend, die AdV-Zinsen seien der Höhe nach seit dem 1.1.2019 verfassungswidrig und dürften nicht mehr erhoben werden.
Das FG bestätigte die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung. Die Höhe der Aussetzungszinsen verstoße – anders als die Höhe der Nachzahlungs- und Erstattungszinsen – nicht gegen das Verfassungsrecht.
Entscheidung
Der BFH hat das Revisionsverfahren ausgesetzt und eine Entscheidung des BVerfG eingeholt.
Zumindest der VIII. Senat des BFH ist davon überzeugt, dass die Höhe der ADV-Zinsen seit dem 1.1.2019 bis zum 15.4.2021 gegen das Grundgesetz verstoße.
Die Belastung mit AdV-Zinsen i. H. v. 0,5 % monatlich führe zumindest während einer anhaltenden strukturellen Niedrigzinsphase zu mehr als nur einer Liquiditätsvorteilsabschöpfung.
Der Zinssatz bei ADV-Zinsen sei zumindest ab 2019 unverhältnismäßig hoch.
Eine Ungleichbehandlung zur Höhe der Nachzahlungs- und Erstattungszinsen liegt zudem vor. Steuerpflichtige, deren Steuerzahlungen zunächst ausgesetzt werden, werden im Vergleich zu Steuerpflichtigen, deren Steuer erst nachträglich festgesetzt wird und bei denen Nachzahlungszinsen entstehen, ungleich behandelt. Die seit 2019 geltende Zinssatzspreizung ist nach Auffassung des VIII. Senats des BFH verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. Die Ungleichbehandlung könne auch nicht mit der Begründung verneint werden, die Steuerpflichtigen hätten es (mehr oder weniger) selbst in der Hand, ob AdV-Zinsen entstehen. Durch die Antragsstellung nehme man zwar bewusst das Risiko von AdV-Zinsen in Kauf. Gleichwohl dürften diese Zinsen der Höhe nach nicht mehr als nur einen Liquiditätsvorteil abschöpfen und es dürfte im Vergleich zur Verzinsungshöhe für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nicht zu einer Ungleichbehandlung kommen. Dies sei aber seit 2019 der Fall.
2. Gibt es Kindergeld auch für im Wohnmobil lebende Kinder?
Für Kinder, die keinen Wohnsitz haben und mit ihrer Mutter in einem Wohnmobil durch Deutschland, Dänemark, Belgien, Frankreich, Italien und Österreich reisen, besteht Anspruch auf Kindergeld, wenn der Vater seinen Wohnsitz in Deutschland hat.
Hintergrund
Die Kindesmutter bezog bis Mai 2022 das Kindergeld für die 3 Kinder und gab Ende Mai 2022 gegenüber der Familienkasse an, dass sie sich und die 3 Kinder aus Deutschland abgemeldet und keine neue Adresse habe.
Der Wohnsitz des Vaters (Kläger) bleibe weiterhin im Inland und das Kindergeld solle auf das Konto des Klägers überwiesen werden. Die Familienkasse lehnte die Festsetzung des Kindergeldes ab Juni 2022 gegenüber dem Kläger ab, da die Kinder nicht mehr berücksichtigt werden könnten, weil sie weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland oder in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den EWR Anwendung findet, hätten.
Nach Auffassung des Klägers sei es dagegen ausreichend, dass sich die Kinder gewöhnlich in dem Gebiet aufhalten, das sich aus den Grenzen der Mitgliedstaaten der EU, des EWR bzw. der Schweiz ergäbe.
Entscheidung
Das FG hat der Klage stattgegeben, da der gewöhnliche Aufenthalt nicht an einem konkreten Ort oder in einem bestimmten Gebiet liegen müsse. Vielmehr reiche es aus, wenn der Aufenthalt für eine gewisse Dauer im Territorium der EU, des EWR bzw. der Schweiz bestehe, und die Kinder sich nicht in Drittstaaten aufhielten.
Da der Kläger im Streitzeitraum im Inland erwerbstätig gewesen sei und die Kindesmutter in keinem einzelnen EU-Staat dauerhaft verweilt habe, sei die Prüfung des Kindergeldanspruchs nach den EU-rechtlichen Koordinierungsvorschriften nicht vorzunehmen gewesen. Das FG ist der Meinung, dass die Familienkasse den Begriff „gewöhnlich“ nicht so ausgelegt hat, wie es das Gesetz eigentlich beabsichtigt hatte.
3. Kindergeld weg wegen Ausbildung zum Rettungshelfer während Freiwilligendienst?
Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums gibt es für ein volljähriges Kind nur dann weiterhin Kindergeld, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine erstmalige Berufsausbildung erfordert hier jedoch keine zeitliche Mindestkomponente der absolvierten Ausbildungsmaßnahme. Ausbildungsmaßnahmen, die im Rahmen eines Freiwilligendienstes erfolgen, können deshalb erstmalige Berufsausbildungen darstellen.
Hintergrund
Der Sohn des Klägers absolvierte von Februar bis August 2019 einen Bundesfreiwilligendienst (BFD) und nahm in dieser Zeit an einem Ausbildungslehrgang für Rettungshelfer mit Erfolg teil. In der Folgezeit bewarb sich der Sohn vergeblich um einen Ausbildungsplatz zum Notfallsanitäter.
Die Familienkasse hob die Festsetzung des Kindergeldes für den Sohn des Klägers ab März 2023 auf, da nach Aktenlage die Suche des Sohnes nach einem Ausbildungsplatz im Monat Februar 2023 beendet worden sei und der Sohn im Streitzeitraum verschiedene Vollzeittätigkeiten ausgeübt habe.
Nach erfolglosem Einspruch trägt der Kläger mit seiner Klage vor, dass sein Sohn durch den Abschluss der Ausbildung zum Rettungshelfer keine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen habe. Der Sohn strebe weiterhin die Ausbildung zum Notfallsanitäter an.
Entscheidung
Das FG hat die Klage als unbegründet zurückgewiesen. Zwischen den Beteiligten war unstreitig, dass der Sohn des Klägers mangels Ausbildungsplatzes im Streitzeitraum eine Berufsausbildung zum Notfallsanitäter nicht beginnen und daher grundsätzlich beim Kindergeld berücksichtigt werden konnte. Eine schädliche Erwerbstätigkeit habe aufgrund der Vollzeittätigkeit des Sohnes im Streitzeitraum vorgelegen, was zwischen den Beteiligten ebenfalls unstreitig sei.
Zentraler Streitpunkt sei die Frage, ob der Sohn bereits eine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen habe. Soweit in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung auch eine zeitliche Komponente bei der Einordnung einer Ausbildungsmaßnahme als erstmalige Berufsausbildung berücksichtigt werden soll, folgt das FG dem nicht, da dem Gesetzeswortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG eine derartige Komponente zur Einordnung einer erstmaligen Berufsausbildung nicht zu entnehmen sei. Da die Ausbildung zum Rettungshelfer in einem öffentlich-rechtlich geregelten Ausbildungsgang erfolgte und durch die Ausbildung Fähigkeiten und Kenntnisse erlangt wurden, die den Sohn des Klägers zur Aufnahme eines Berufs befähigten, seien die Voraussetzungen für eine erstmalige Berufsausbildung als erfüllt anzusehen.
Steuerrecht Unternehmer
1. Entsorgung von Problemmüll: Liegt eine Dienstleistung oder eine Lieferung vor?
Übernimmt ein Unternehmer gefährlichen Abfall zum ausschließlichen Zweck der gesetzlich angeordneten Entsorgung nach einem vorgeschriebenen Verwertungsverfahren zur Rückgewinnung/Regenerierung von Abfällen, liegt lediglich eine vom Unternehmer erbrachte Entsorgungsdienstleistung vor. Die Annahme eines tauschähnlichen Umsatzes kommt mangels Lieferung des gefährlichen Abfalls an den Unternehmer nicht in Betracht.
Hintergrund
Die Klägerin, eine GmbH, war als Entsorgungsfachbetrieb zertifiziert.
Die Kunden der Klägerin setzten in ihren Betrieben Chemikalien ein, die nach dem betrieblichen Einsatz gefährliche Abfälle darstellten und deren ordnungsgemäße Entsorgung nachzuweisen war.
Die Klägerin nahm den Kunden die verunreinigten Chemikalien zum Zwecke der Entsorgung ab. Sie bewahrte die verunreinigten Chemikalien zunächst in speziellen, nach den gesetzlichen Vorschriften ausgestatteten Lagern auf. In diesen Lagern wurden die einzelnen verunreinigten Chemikalien ihrer Art nach getrennt gesammelt und der Aufbereitung im Rahmen eines chemischen Prozesses zugeführt. Dabei löste die Klägerin die Verunreinigungen aus den Chemikalien in ihren Aufbereitungsanlagen heraus und entsorgte diese.
Die gereinigten Chemikalien veräußerte die Klägerin als „Regenerat“, falls sie in marktgängiger Qualität aufbereitet werden konnten. Es war jedoch nicht ausgeschlossen, dass im Rahmen des Reinigungsprozesses kein ausreichend reines Regenerat gewonnen werden konnte. In diesem Fall musste die Klägerin die weiterhin verunreinigten Chemikalien auf eigene Kosten thermisch entsorgen lassen.
Den Preis für die Entsorgung der gefährlichen Abfälle bestimmte die Klägerin anhand des Grades der Verunreinigung, der in ihrem Betrieb erst nach dem Erhalt der verunreinigten Chemikalien durch eine Analyse festgestellt wurde. Der Entsorgungspreis variierte außerdem nach der Verwendungsart der Chemikalien im jeweiligen Betrieb des Kunden, die ebenfalls auf den Umfang der Verunreinigung schließen ließ.
Nach Auffassung des Finanzamts stellte die Entsorgung der verunreinigten Chemikalien einen tauschähnlichen Umsatz dar. Die Klägerin erhalte für ihre Entsorgungsleistung neben dem vereinbarten Entsorgungspreis als Gegenleistung eine Lieferung. Liefergegenstand seien die verunreinigten Chemikalien, die die Klägerin von ihren Kunden erhalte. Daher erhöhe der Wert der verunreinigten Chemikalien die Bemessungsgrundlage für die von der Klägerin erbrachte Entsorgungsleistung.
Die gegen den Umsatzsteuerbescheid 2018 erhobene Klage wies das FG ab. Nach dessen Auffassung erhöhe der Wert der verunreinigten Chemikalien zum Zeitpunkt der Übernahme im Rahmen tauschähnlicher Umsätze mit Baraufgabe die Bemessungsgrundlage für die Entsorgungsleistungen der Klägerin. Im Streitfall erbringe die Klägerin im Bereich der Abfallentsorgung gegenüber ihren Kunden entgeltliche sonstige Leistungen.
Entscheidung
Der BFH hebt das Urteil auf und gibt der Klage statt.
Übernimmt ein Unternehmer gefährlichen Abfall zum ausschließlichen Zweck der gesetzlich angeordneten Entsorgung nach einem vorgeschriebenen Verwertungsverfahren zur Rückgewinnung/Regenerierung von Abfällen, liegt nach Auffassung des BFH lediglich eine vom Unternehmer erbrachte Entsorgungsdienstleistung vor.
Die Annahme eines tauschähnlichen Umsatzes kommt mangels Lieferung des gefährlichen Abfalls an den Unternehmer nicht in Betracht. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Unternehmer einen möglichen Verkaufspreis von Stoffen, die er durch die spätere Verwertung des gefährlichen Abfalls gewinnen und wieder verkaufen kann, kalkulatorisch als Preisnachlass zugunsten der Kunden berücksichtigt.
Es handelt sich auch dann um einen tauschähnlichen Umsatz, wenn dieser mit einer Barzahlung verbunden ist (tauschähnlicher Umsatz mit Baraufgabe).
Der tauschähnliche Umsatz mit Baraufgabe setzt voraus, dass sonstige Leistungen, wie sie von der Klägerin erbracht wurden, nicht nur durch eine Geldzahlung, sondern zusätzlich durch eine Lieferung oder sonstige Leistung vergütet werden. Hieran fehlt es im Urteilsfall. Die Kunden der Klägerin haben unstreitig keine sonstigen Leistungen an die Klägerin erbracht. Ebenso fehlt es an einer von den Kunden an die Klägerin ausgeführten Lieferung, die als Entgelt für die Entsorgungsleistung der Klägerin in Betracht kommen könnte.
Das FG ist vorliegend rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die verunreinigten Chemikalien allein deshalb geliefert worden seien, weil sie werthaltige Abfälle darstellten und ihr Wert nach dem Inhalt der Vereinbarungen zwischen den Beteiligten die Höhe des Entgelts der Entsorgung bestimmt hätte. Vielmehr kommt der Übergabe der gefährlichen Abfälle an die Klägerin zur Entsorgung im Urteilsfall keine eigenständige Bedeutung zu. Eine Lieferung hat mit der Übergabe der gefährlichen Abfälle nach dem zwischen der Klägerin und ihren Kunden zugrunde liegenden Rechtsverhältnis gerade nicht erfolgen sollen.
Das FG hat insbesondere verkannt, dass die Übergabe der verunreinigten Chemikalien nur zum Zweck der Entsorgung nach dem Verwertungsverfahren erfolgte. Das der Leistungserbringung zugrunde liegende Rechtsverhältnis zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ist ausschließlich auf die Erbringung einer Entsorgungsleistung, nicht aber auch auf eine Lieferung an die Klägerin gerichtet.
Die Übergabe der gefährlichen Abfälle ausschließlich zum Zweck der gesetzlich angeordneten Entsorgung stellt im Urteilsfall lediglich eine untergeordnete Handlung zum Erhalt der Entsorgungsleistung dar, da sie notwendig ist, um die Entsorgungsleistung durchführen zu können. Eine eigenständige Lieferung ist in der Übergabe des gefährlichen Abfalls nach Maßgabe des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses nicht zu sehen.
Die Klägerin als zertifizierter Entsorgungsfachbetrieb schuldet einen Leistungserfolg im Sinne eines Werkvertrags und erhält die gefährlichen Abfälle gerade nicht zur freien Verfügung. Denn solange die Entsorgung nicht ordnungsgemäß durchgeführt ist, bleiben die Kunden zur ordnungsgemäßen Entsorgung der gefährlichen Abfälle verpflichtet. Ausschließlich von dieser Verpflichtung haben sich die Kunden befreien und ausschließlich zur Erreichung dieses Zweckes haben sie die gefährlichen Abfälle der Klägerin übergeben. Ohne die Übergabe der gefährlichen Abfälle hätte die Klägerin den geschuldeten Leistungserfolg nicht herbeiführen können, sodass der Übergabe nach dem Willen der Beteiligten keine eigenständige Bedeutung zugekommen ist.
Die Annahme des FG, die Klägerin habe den verunreinigten Chemikalien einen „gewissen Wert“ beigemessen, weil sie daraus – nach einer Bearbeitung – verkaufsfähige, gereinigte Chemikalien hergestellt und die verunreinigten Chemikalienreste als Rohstoff für die weitere Verarbeitung benötigt habe, rechtfertige es nicht, eine Lieferung der gefährlichen Abfälle anzunehmen. Der für eine steuerbare Lieferung erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt kann nur durch ein auf eine Lieferung gerichtetes Rechtsverhältnis begründet werden, das im Streitfall gerade nicht vorliegt. Die Klägerin hat den möglichen Verkaufspreis der gereinigten Chemikalien lediglich im Rahmen ihrer eigenen Kalkulation als Preisnachlass zugunsten der Kunden berücksichtigt.
2. Gewerbliche Infektion: Mieteinnahmen können auch bei Verlusten aus einer Beteiligung gewerblich sein
Eine Gesellschaft erzielt gewerbliche Einkünfte, wenn eine gewerblich geprägte Personengesellschaft vorliegt. Der BFH musste sich mit der Frage befassen, ob eine gewerbliche Infektion selbst bei Erzielung von Beteiligungsverlusten eintritt, wenn diese Verluste sich im Verlustentstehungsjahr nicht auswirken.
Hintergrund
Die Klägerin ist eine GbR, die Einkünfte aus der Vermietung eines Mehrfamilienhauses mit Ladenlokal erzielt.
Die Klägerin ist ferner seit dem 1.12.2003 mit 50.000 EUR (entspricht seit 2015 einer Quote von 4,24 %) an einer GmbH & Co KG beteiligt, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt.
Die in dem Gewinnfeststellungsbescheid der KG 2017 ausgewiesenen Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden der Klägerin i. H. v. rd. – 5.500 EUR zugerechnet.
Ausweislich des mit dem Gewinnfeststellungsbescheid 2017 verbundenen Verlustverrechnungsbescheid handelt es sich hierbei um einen künftig verrechenbaren Verlust. In 2017 wurden bei der GbR Einkünfte von 0 EUR erfasst.
Aufgrund der von der KG bezogenen Beteiligungseinkünfte qualifizierte das Finanzamt die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung seit 2006 in Einkünfte aus Gewerbebetrieb um. Auch die positiven Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus 2017 i. H. v. rd. 61.000 EUR wurden umqualifiziert.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit dem Argument, dass bei der Umqualifizierung eine Bagatellgrenze anzuwenden sei und es ohnehin fraglich wäre, ob eine Gewinnerzielungsabsicht auf die Beteiligung bestehe.
Das FG bestätigte die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung.
Entscheidung
Der BFH hat die von der GbR erzielten Einkünfte vollumfänglich den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugeordnet.
Eine mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft ist u. a. dann in vollem Umfang gewerblich, wenn gewerbliche Einkünfte bezogen werden. Hierunter fallen die erzielten Beteiligungseinkünfte aus einer Mitunternehmerschaft. Ob die Beteiligungseinkünfte mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden, muss im Rahmen der Feststellung dieser Mitunternehmerschaft beurteilt werden und nicht in einem Folgebescheid.
Liegen dem Grunde nach gewerbliche Beteiligungseinkünfte vor, kommt es auf deren Höhe nicht an. Unerheblich ist es nach Auffassung des BFH, ob diese positiv oder negativ sind oder gar 0 EUR betragen. Auch die bei der Seitwärtsinfektion zur Anwendung kommende Bagatellgrenze gilt bei der Aufwärtsinfektion nicht; dies sei verfassungsgemäß.
Der BFH betont, dass die Aufwärtsinfektion selbst dann ausgelöst wird, wenn negative Einkünfte im Verlustentstehungsjahr den verrechenbaren Verlusten zugerechnet werden.
3. 6 % Zinsen bei Überentnahmen: Ist dieser Zinssatz verfassungsgemäß?
Der feste Zinssatz von 6 %, der für die Berechnung von Zinsen auf Überentnahmen verwendet wird, die man nicht abziehen kann, ist verfassungsrechtlich in Ordnung.
Hintergrund
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Zinssatzes für nicht abziehbare Schuldzinsen bei Überentnahmen. In dem Einspruchs- und Klageverfahren wandte sich die Klägerin mit verfassungsrechtlichen Einwänden gegen die Höhe der Hinzurechnungen. Sie begehrte, den Hinzurechnungen einen Prozentsatz von 2,9 % statt des gesetzlich vorgesehenen Satzes von 6 % zugrunde zu legen. In den Streitjahren, während der anhaltenden Niedrigzinsphase, habe der typisierte Zinssatz keinen Bezug mehr zum langfristigen Marktzinsniveau; der angemessene Rahmen einer wirtschaftlichen Realität sei erheblich überschritten.
Entscheidung
Das FG hat die Klage als unbegründet zurückgewiesen, da die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin nicht berechtigt seien. Die nicht zum Betriebsausgabenabzug zugelassenen Zinsaufwendungen werden in pauschalierter Art und Weise festgestellt. Die Regelung, dass die nichtabziehbaren Schuldzinsen typisiert mit 6 % der Überentnahmen des Wirtschaftsjahres zu ermitteln seien, diene einem Vereinfachungszweck, welcher die in der Abkehr vom Individualmaßstab liegende Gleichbehandlung von Ungleichem rechtfertige.
Insbesondere erspare sie dem Steuerpflichtigen wie der Verwaltung eine genaue umfangmäßige und zeitanteilige Zuordnung der angefallenen Zinslasten, die sich letztlich nur bei einer liquiditätsbezogenen Betrachtungsweise leisten lasse.
Das BVerfG hat im Übrigen über die Verfassungsbeschwerden betreffend der Vollverzinsung entschieden, dass Typisierung bedeutet, bestimmte in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen.
4. Steuerbescheid: Finanzamt muss den Zugang nachweisen
Das Finanzamt muss den Zugang eines Verwaltungsakts auch dann nachweisen, wenn der Zugang durch einen Gesamtrechtsnachfolger bestritten wird.
Hintergrund
Die Klägerin ist eine Stiftung, die Gesamtrechtsnachfolgerin eines verstorbenen Steuerpflichtigen ist. Gegen diesen erließ das Finanzamt für das Jahr 2016 unter dem Datum 23.10.2017 einen Einkommensteuerbescheid. Die Einlieferung zur Post ließ sich hierbei nachvollziehen. Im Jahr 2020 im Rahmen der Haushaltsauflösung des in der Zwischenzeit verstorbenen Steuerpflichtigen stellte die Klägerin fest, dass der Einkommensteuerbescheid 2016 in den Unterlagen des Steuerpflichtigen fehlte.
Mit Schreiben vom 17.3.2020 übermittelte das Finanzamt dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine Abschrift des Einkommensteuerbescheids 2016. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein und verwies auf den fehlenden Zugang des Bescheids 2016 im Jahr 2017.
Im Verlauf des Einspruchsverfahrens legte die Klägerin Unterlagen vor, aus denen ersichtlich war, dass die Einkommensteuerfestsetzung 2016 aufgrund eines Übertragungsfehlers fehlerhaft und deshalb zu ändern war. Das Finanzamt verwarf den Einspruch als unzulässig. Es verwies darauf, dass die Indizien dafürsprachen, dass der Einspruch ordnungsgemäß bekanntgegeben worden ist. Demgemäß sei die Einspruchsfrist abgelaufen. Die Klägerin wandte sich an das zuständige FG.
Entscheidung
Das FG gab der Klage statt. Nach Ansicht des Gerichts ist der Einkommensteuerbescheid 2016 vom 23.10.2017 nicht bekanntgegeben. Den erforderlichen Nachweis des tatsächlichen Zugangs hat das Finanzamt nicht erbracht. Nach der Rechtsprechung des BFH muss der Adressat eines schriftlichen Verwaltungsakts den Zugang nur bestreiten, aber nicht substantiiert vortragen, warum die Sendung ihn nicht erreicht hat.
Vielmehr obliegt es dem Finanzamt, den Beweis des Zugangs zu führen. Hierbei kann der Beweis anhand von Indizien erfolgen. Diese Art der Beweislastverteilung gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Zugang durch einen Erben des Steuerpflichtigen bestritten wird.
5. Unentgeltliche Übergabe des Betriebs in der Familie: Können nachträglich noch Kosten abgesetzt werden?
Nachträgliche Betriebsausgaben sind durch den Betriebsübergeber auch bei unentgeltlicher Betriebsübergabe absetzbar. Dies gilt zumindest dann, wenn der Betriebsübergeber später eine eigene Schuld bedient, zu deren Kostenübernahme sich der Betriebsübernehmer nur „intern“ verpflichtet hat und er diese Kosten infolge eigener Insolvenz nicht mehr tragen kann.
Hintergrund
Die Kläger wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Vom 1.5.2000 bis zum 30.9.2004 betrieb die Klägerin einen von ihrem Vater (V) übernommenen Maler- und Lackiererbetrieb.
Die Klägerin übertrug dieses Unternehmen am 1.10.2004 mit sämtlichen Aktiva und Passiva an V zurück.
Nach den Vereinbarungen erfolgte die Übertragung unentgeltlich.
V übernahm „mit dem Betriebsübergang sämtliche Rechte und Pflichten betreff des Betriebes, ggf. auch nur im Innenverhältnis“. Auch die Arbeitsverhältnisse gingen auf den neuen Betriebsinhaber über. Das Kapital betrug am 30.9.2004 EUR 2.695,34 EUR.
Wegen im Zeitraum ihrer Betriebsinhaberschaft nicht abgeführter Beiträge zur Urlaubskasse wurde die Klägerin in mehreren arbeitsgerichtlichen Urteilen zur Beitragszahlung verurteilt, und zwar zu rd. 46.000 EUR für den Zeitraum Mai 2000 bis Dezember 2001 und nochmals rd. 46.000 EUR für den Zeitraum Januar bis Dezember 2002. Die Berufung wurde am 28.2.2005 zurückgewiesen. Die Urlaubskasse stimmte einer Schuldübernahme durch den Rechtsnachfolger V nicht zu.
Diese Sachverhalte fanden weder in der zum 31.12.2003 aufgestellten Bilanz vom 15.8.2005 noch in der zum 30.9.2004 aufgestellten Bilanz vom 10.2.2006 Berücksichtigung.
In der Folgezeit leistete V die offene Schuld an die Urlaubskasse durch Ratenzahlung.
In 2016 wurde bei V das Insolvenzverfahren eröffnet.
Die Klägerin (Betriebsübergeberin) zahlte vor diesem Hintergrund in 2014 rd. 6.000 EUR, in 2015 und 2016 jeweils 12.000 EUR an die Urlaubskasse und begehrte hierfür den Ansatz von gewinnmindernden nachträglichen Betriebsausgaben.
Das FG verwehrte den begehrten nachträglichen Betriebsausgabenabzug. Eine Berichtigung des falschen Bilanzansatzes habe in der Bilanz des Betriebsübernehmers zu erfolgen. Dem Betriebsübergeber besteht der betriebliche Zusammenhang der vormaligen Betriebsschuld nicht mehr, sodass auch ein nachträglicher Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen sei.
Entscheidung
Der BFH schloss sich der restriktiven Auffassung der Vorinstanz nicht an und ließ einen Kostenabzug der nachträglich geltend gemachten Betriebsausgaben zu.
Das Einzelunternehmen ging zum 1.10.2004 unentgeltlich auf V über. Die Vermutung der „Unentgeltlichkeit“ bei Übertragungen zwischen einander nahestehenden Personen gelte selbst dann, wenn das Eigenkapital bei Übertragung negativ sei und der Übernehmer sämtliche Betriebsschulden übernimmt. Außerdem spreche für die Unentgeltlichkeit auch die dem Betriebsübernehmer bei Vertragsabschluss bekannte Verbindlichkeit gegenüber der Urlaubskasse.
Für die Zahlungsverpflichtung gegenüber der Urlaubskasse bildete die Klägerin keine Verbindlichkeitsrückstellung bzw. Verbindlichkeit. Dieser Bilanzierungsfehler ist im Jahr der fehlerhaften Bilanzierung zu berichtigen. Scheidet in diesem Jahr die Richtigstellung aus, erfolgt die erfolgswirksame Korrektur in der ersten noch offenen Schussbilanz (formeller Bilanzzusammenhang). Die Korrekturverpflichtung geht bei Betriebsübergabe auf den Rechtsnachfolger über. Im Entscheidungsfall war der Betriebsübernehmer zur Bilanzkorrektur verpflichtet: Es handelte sich zwar nicht um eine eigene Schuld gegenüber der Urlaubskasse; aufgrund der Betriebsübergabevereinbarung hat er die Verpflichtung der Klägerin zumindest im Innenverhältnis zu übernehmen. Zu passivieren war daher eine Freistellungsverpflichtung gegenüber der Betriebsübergeberin.
Die originär von der Klägerin geschuldeten Beitragsverbindlichkeiten gegenüber der Urlaubskasse bleiben bei ihr – trotz Betriebsübertragung – (schlummerndes) Betriebsvermögen. Der Verbindlichkeit steht ein Anspruch auf interne Übernahme durch den Betriebsübernehmer gegenüber. Infolge des (schlummernden) Betriebsvermögens wirken sich eigene Zahlungen auf die Beitragsschuld – selbst wenn sie erst ein Jahrzehnt später erbracht werden – als nachträgliche Betriebsausgaben aus.