Inhaltsverzeichnis
Arbeitsrecht
1. Tarifliche Freistellung ist nicht mit Urlaub vergleichbar
Wird einem Mitarbeiter eine tarifliche Freistellung bewilligt und wird er in dieser Zeit krank, kann er nicht verlangen, erneut freigestellt zu werden. Denn für eine Freistellung gelten andere Regeln als für Urlaubstage.
Hintergrund
Der Kläger ist als gewerblicher Mitarbeiter im Schichtsystem tätig. Auf sein Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie Anwendung. Dieser sieht vor, dass Mitarbeitende als Ausgleich für Schichtarbeit entweder das tarifliche Zusatzgeld beanspruchen oder dieses in Freistellungstage umwandeln können. Im vorliegenden Fall entschied sich der Kläger, eine solche bezahlte Freistellung in Anspruch zu nehmen. Er beantragte für 3 Werktage die zusätzlichen tariflichen Freistellungstage, was der Arbeitgeber auch genehmigte. In dieser Zeit erkrankte der Kläger arbeitsunfähig.
Der Kläger forderte vom Arbeitgeber daraufhin eine Nachgewährung der Freistellungstage, notfalls die Zahlung des tariflichen Zusatzgeldes. Er war der Ansicht, dass sein Anspruch auf Freistellungstage aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit noch nicht verbraucht war. Der Arbeitgeber war dagegen davon überzeugt, dass er mit der Freistellungsgewährung den Anspruch des Mitarbeiters erfüllt hatte. Denn es handelte sich um Freistellungstage und nicht um Urlaubstage.
Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht urteilte zugunsten des Arbeitgebers. Der Kläger hatte weder einen Zahlungs- noch einen erneuten Freistellungsanspruch als Ersatz für die krankheitsbedingt „verlorenen“ Tage. Vielmehr hatte der Arbeitgeber den Anspruch auf tarifliche Freistellung mit der Gewährung der 3 freien Werktage voll und ganz erfüllt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird ein Anspruch auf Arbeitszeitausgleich bereits durch die Freistellung von der Arbeitspflicht erfüllt. Etwas anderes könne sich auch nicht aus der Bestimmung des § 9 BUrlG ergeben. Denn der im Manteltarifvertrag geregelte Freistellungsanspruch ist nicht mit einer Urlaubsgewährung vergleichbar.
§ 9 BUrlG ist weder unmittelbar noch analog anwendbar. Unmittelbar gilt die Vorschrift nur für den gesetzlich garantierten Erholungsurlaub. Eine dem § 9 BUrlG entsprechende Vorschrift zur Arbeitsunfähigkeit wurde im Tarifvertrag aber gerade nicht getroffen.
Damit trägt der Arbeitnehmer das Risiko der Arbeitsunfähigkeit während Freistellung und nicht der Arbeitgeber. Etwas anderes ergibt auch die Auslegung des Tarifvertrags nicht. Insbesondere konnte daraus nicht gefolgert werden, dass der Arbeitgeber nach Festlegung der Freistellungstage im Falle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit das Risiko der Nutzungsmöglichkeit tragen soll.
GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer
1. Was passiert mit dem Verlust bei Ausfall einer privaten Kapitalforderung?
Fällt eine Kapitalforderung in der privaten Vermögenssphäre endgültig aus, führt dies zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust. Damit dieser berücksichtigt werden kann, muss endgültig feststehen, dass der Schuldner keine Zahlungen mehr leisten wird.
Hintergrund
A war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der A-GmbH. A und seine Ehefrau B gewährten der GmbH von 2010 bis 2013 verschiedene Darlehen. Bei A handelte es sich damit um Gesellschafterdarlehen, bei B um Privatdarlehen. Ende 2014 wurde die GmbH aufgelöst und nach Beendigung der Liquidation im Jahr 2016 gelöscht.
Die GmbH zahlte die in den Jahren 2010 und 2011 gewährten Darlehen in den Jahren 2013 und 2014 vollständig zurück. Das Darlehen aus dem Jahr 2012 wurde 2014 zum Teil getilgt. Auf die im Jahr 2013 gewährten Darlehen unterblieb die Rückzahlung.
Bezüglich des nach der teilweisen Tilgung des Darlehens aus 2012 verbliebenen Restbetrags ging das Finanzamt davon aus, dass dieses Darlehen vor Eintritt der Krise gewährt wurde. Der Ausfall war daher bei der Ermittlung des Auflösungsverlusts des A nicht zu berücksichtigen. Die Eheleute machten mit der Klage geltend, dass der Ausfall als Verlust bei ihren Einkünften aus Kapitalvermögen absetzbar ist. Das Finanzgericht gab der Klage statt.
Entscheidung
Die Revision des Finanzamts hatte hinsichtlich der Ehefrau B keinen Erfolg. Der Bundesfinanzhof entschied, dass der Ausfall der ihr zur Hälfte zustehenden privaten Darlehensforderung hälftig bei ihren Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen ist. Hinsichtlich des Gesellschafters und Ehemanns A war die Klage mangels steuerlicher Auswirkung unzulässig.
Der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung in der privaten Vermögenssphäre führt nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust. Aus der Gleichstellung der Rückzahlung mit der Veräußerung in § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG folgt, dass auch eine endgültig ausbleibende Rückzahlung zu einem Verlust führt. Denn wirtschaftlich macht es keinen Unterschied, ob der Steuerpflichtige die Forderung kurz vor dem Ausfall zu Null veräußert oder ob er sie behält. In beiden Fällen tritt eine Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ein, die die gleiche Berücksichtigung finden muss.
Von einem Forderungsausfall ist jedoch erst dann auszugehen, wenn endgültig feststeht, dass keine Rückzahlungen mehr erfolgen werden. Bei der insolvenzfreien Auflösung einer Kapitalgesellschaft wird dies regelmäßig erst bei Abschluss der Liquidation der Fall sein. Ausnahmsweise kann der Verlust schon früher entstanden sein, wenn bei objektiver Betrachtung nicht mehr mit Rückzahlungen auf die Forderung zu rechnen ist.
Im vorliegenden Fall war bereits Ende 2014 nicht mehr mit Tilgungen zu rechnen. Das ergibt sich auch aus der Bestätigung des Liquidators der GmbH. Darin sind ausreichende objektive Anhaltspunkte für eine Uneinbringlichkeit der Forderung zu sehen.
Die im Jahr 2014 bei A nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte würden den Gesamtbetrag der Einkünfte im Rücktragsjahr nicht bis auf 0 EUR mindern mit der Folge, dass keine vortragsfähigen negativen Einkünfte mehr verblieben. Der Einkommensteuer-Bescheid 2014 entfaltet danach für A keine die Klagebefugnis begründende negative Bindungswirkung.
Kapitalanlage & Versicherung
1. Erstattung von Kapitalertragsteuer: Ist die deutsche Regelung
europarechtswidrig?
Ob der erforderliche Nachweis für eine Anrechnung bzw. Erstattung von Kapitalertragsteuer durch eine Bescheinigung einer ausländischen Steuerbehörde eine unzulässige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit darstellt, muss nun der Europäische Gerichtshof klären.
Hintergrund
Die Klägerin ist eine in Großbritannien ansässige Kapitalgesellschaft. Sie war mit 5,26 % an der Z GmbH beteiligt. Zu den erhaltenen Gewinnausschüttungen der Z GmbH wurde Kapitalertragsteuer i. H. v. 20 % einbehalten und abgeführt. Die Klägerin beantragte die Erstattung dieser Kapitalertragsteuer. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab, soweit dieser einer Erstattung gem. § 32 Abs. 5 KStG für die verbliebene Quellensteuer mit 15 % betraf, da die Klägerin die gesetzlich gebotenen Nachweise nach § 32 Abs. 5 Satz 1-5 KStG nicht erbracht hatte.
Entscheidung
Für die Erstattung von Kapitalertragsteuer muss eine Bescheinigung einer ausländischen Steuerverwaltung vorliegen, aus welcher sich ergibt, dass die deutsche Kapitalertragsteuer nicht angerechnet, nicht abgezogen oder nicht vorgetragen werden kann und dass dies auch tatsächlich nicht erfolgt ist. Dies könnte die Kapitalverkehrsfreiheit unzulässig einschränken.
Das Finanzgericht setzt deshalb das Klageverfahren aus und holt eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs ein. Dabei geht es um die Frage, ob Art. 63 AEUV einer nationalen Steuervorschrift entgegensteht, nach der die im Ausland ansässige Gesellschaft für Erstattung auf Streubesitzdividenden einbehaltener Kapitalertragsteuer als Nachweis eine Bescheinigung der ausländischen Steuerverwaltung vorlegen muss, aus welcher hervorgeht, dass die Kapitalertragsteuer nicht angerechnet oder abgezogen worden ist bzw. dies auch nicht erfolgen kann.
Sollte diese Anforderung rechtmäßig sein, stellt sich als nächstes die Frage, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Prinzip des „Effet utile“ der Nachweispflicht entgegensteht, wenn es dem ausländischen Empfänger von Streubesitzanteilen faktisch unmöglich ist, eine solche Bescheinigung beizubringen.
2. Sind Zinsen aus einer Kapitallebensversicherung bei Umschuldung steuerpflichtig?
Wird ein Forwarddarlehen durch die Abtretung der Ansprüche aus einer Kapitallebensversicherung besichert, dient es im Rahmen einer Umschuldung nicht unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts. Das gilt zumindest dann, wenn es höher als die Restschuld des umzuschuldenden Darlehens ist und der übersteigende Betrag zur Finanzierung der Bereitstellungszinsen und anderer umschuldungsbedingter Aufwendungen verwendet wird.
Hintergrund
A erwarb im Jahr 1998 mit seiner damaligen Ehefrau B ein Einfamilienhaus zur Vermietung. Die Anschaffung finanzierten sie mit Bankdarlehen. Im Jahr 2006 übernahm A den Miteigentumsanteil und die Darlehensschuld der B und schloss mit der Bank ein Forwarddarlehen (Vorausdarlehen) ab, um beide Anschaffungsdarlehen abzulösen.
A hatte eine Kapitallebensversicherung abgeschlossen. Im Jahr 2010 trat er die Ansprüche aus der Lebensversicherung an die Bank zur Tilgung und Besicherung des Forwarddarlehens ab und tilgte die Darlehen. Dafür fielen Gebühren an. Zudem buchte die Bank Bereitstellungszinsen ab.
Das Finanzamt stellte die Steuerpflicht der Zinsen aus der Lebensversicherung fest.
A wandte ein, dass die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung der Zinsen aus der Versicherung erfüllt sind. Er habe das Forwarddarlehen zur Ablösung der Anschaffungsdarlehen verwendet. Die Bereitstellungszinsen habe er als bankübliche einmalige Finanzierungskosten steuerunschädlich mitfinanzieren dürfen. Sie seien daher nicht auf die Bagatellgrenze von 2.556 EUR anzurechnen. Der Restbetrag des Forwarddarlehens sei zwar i. H. v. 1.525 EUR steuerschädlich verwendet worden, überschreite aber nicht die Bagatellgrenze.
Das Finanzgericht wies die dagegen gerichtete Klage ab. Die tatsächliche Verwendung des Forwarddarlehens zur Tilgung der Bereitstellungszinsen und übrigen Aufwendungen im Rahmen der Umschuldung war steuerschädlich. Denn das Darlehen war insoweit nicht ausschließlich und unmittelbar zur Finanzierung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten verwendet worden.
Entscheidung
Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, sind grundsätzlich steuerpflichtig.
Das gilt als Ausnahme hiervon jedoch u.a. nicht, wenn es sich um Zinsen aus bestimmten Versicherungen handelt. Die Steuerbefreiung gilt wiederum u.a. nur, wenn die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug der Versicherungsbeiträge erfüllt sind.
Versicherungsbeiträge können nicht als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn die Ansprüche der Tilgung oder Sicherung eines Darlehens dienen, dessen Finanzierungskosten Werbungskosten sind.
Von diesem Abzugsverbot enthält u.a. die gesetzliche Regelung eine Rückausnahme. Der Sonderausgabenabzug ist gestattet, wenn das besicherte Darlehen selbst unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten dient und die zur Tilgung oder Sicherung verwendeten Ansprüche nicht die mit dem Darlehen finanzierten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten übersteigen. Dabei gilt eine Bagatellgrenze von 2.556 EUR.
Demnach kommt im vorliegenden Fall keine Steuerbefreiung für die Zinsen aus der Lebensversicherung in Betracht. Denn A steht der Sonderausgabenabzug für die Versicherungsbeiträge wegen der Abtretung der Ansprüche zur Tilgung und Besicherung des Forwarddarlehens nicht zu. Dem Sonderausgabenabzug steht entgegen, dass die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag der Tilgung und Besicherung des Forwarddarlehens dienen, dessen Finanzierungskosten jedenfalls in Höhe der Bereitstellungszinsen Werbungskosten des A bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind.
Die Voraussetzungen der Rückausnahme vom Abzugsverbot sind demnach nicht erfüllt. Da A mit dem Forwarddarlehen neben den Restschulden aus den ursprünglichen Anschaffungsdarlehen die Bereitstellungszinsen und weitere Aufwendungen im Zusammenhang mit der Umschuldung finanziert hat, dient das mit der Lebensversicherung besicherte Forwarddarlehen nicht unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des vermieteten Einfamilienhauses. Ferner überstieg das Forwarddarlehens die Restschuld der Anschaffungsdarlehen. Dass die Bereitstellungszinsen wegen der Umschuldung anfielen, genügt für den engen Zusammenhang nicht. Die Bereitstellungszinsen (und die weiteren umschuldungsbedingten Aufwendungen) übersteigen schließlich die Bagatellgrenze von 2.556 EUR.
3. Unfallgeschädigte müssen sich nicht mit Teilreparatur zufriedengeben
Ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung besteht grundsätzlich auch dann, wenn die Reparatur des Fahrzeugs eines Unfallgeschädigten aufgrund fehlender Ersatzteile mehrere Monate dauert. Der Geschädigte darf sich bei der Reparatur auf die Werkstatt verlassen.
Hintergrund
Das Auto der Klägerin kollidierte mit einem anderen Fahrzeug, dessen Fahrer bei Rot über die Ampel gefahren war. Das Fahrzeug stand der Klägerin erst 190 Tage nach dem Unfall wieder zur Verfügung.
Die Reparatur hatte so lange gedauert, weil ein Airbag-Modul für die Beifahrerseite des Fahrzeugs lange Zeit nicht geliefert worden war. Als das Modul dann schließlich bei der beauftragten Werkstatt eintraf, stellte sich heraus, dass auch der Kabelbaum der Beifahrertür defekt war, weshalb dieser noch nachbestellt und eingebaut werden musste.
Die Versicherung wollte für den Nutzungsausfall nicht aufkommen. Insbesondere habe die Klägerin die Schadenbeseitigung in erheblichem Umfang schuldhaft verzögert. Ein fehlendes Airbag-Modul habe einer Reparatur und einer anschließenden Nutzung des Fahrzeugs nicht im Wege gestanden, ein Beifahrerairbag müsse nicht zwingend einsatzbereit sein.
Entscheidung
Das Oberlandesgericht gab der Klägerin zum überwiegenden Teil Recht. Verzögerungen bei der Reparatur eines unfallgeschädigten Fahrzeugs, die nicht vom Geschädigten zu vertreten sind, gehen zu Lasten des Schädigers. Insofern konnte von der Geschädigten eine Nutzungsausfallentschädigung auch für einen längeren Zeitraum beansprucht werden.
Hat die Werkstatt, wie im vorliegenden Fall, die Verzögerung der Reparatur mit Lieferschwierigkeiten bei Ersatzteilen begründet, trifft den Geschädigten auch keine dahingehende Schadenminderungspflicht, selbst bei anderen Werkstätten oder bei dem Fahrzeughersteller nach der Verfügbarkeit der Ersatzteile zu forschen. Ein Geschädigter darf sich grundsätzlich darauf verlassen, dass die von ihm beauftragte Werkstatt sich unter Ausschöpfung aller verfügbaren Möglichkeiten um eine zeitnahe Beschaffung der Ersatzteile bemühen wird.
Die Werkstatt ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten, deren Verschulden er sich zurechnen lassen muss. Eine Anspruchsminderung kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn dem Geschädigten selbst eine Verletzung der Schadenminderungspflicht vorzuwerfen ist. Auch muss sich ein Geschädigter grundsätzlich nicht mit einer Teilreparatur seines Fahrzeugs zufriedengeben.
4. Widerruf eines Darlehensvertrags: Ist die Nutzungsentschädigung steuerpflichtig?
Ein Vergleichsbetrag, der als Nutzungsentschädigung aufgrund der Auflösung eines fehlerhaften Darlehensvertrags gezahlt wird, gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen.
Hintergrund
Zur Finanzierung eines Hausgrundstücks nahm der Kläger im Jahr 2003 bei der X-Bank einen Kredit i. H. v. 245.000 EUR auf. Aufgrund einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung wurde der Darlehensvertrag durch Zahlung der Restvaluta i. H. v. 126.718,54 EUR rückwirkend auf den 31.10.2014 beendet. Der am 27.1.2017 geschlossene Vergleich sah u. a. vor, dass die X-Bank dem Kläger einen Vergleichsbetrag i. H. v. 11.500 EUR zahlen musste.
Die X-Bank unterwarf diesen Betrag bei der Auszahlung dem Kapitalertragsteuerabzug. In seiner Einkommensteuererklärung 2017 beantragte der Kläger die Rückerstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer, da keine Einkunftserzielungsabsicht seinerseits vorlag. Auch war er der Ansicht, dass nur dann ein Kapitalertrag vorliegen kann, wenn die gezahlten Darlehenszinsen niedriger sind als der von der Bank gezahlte Ersatz. Da dies nicht der Fall war, lag kein Kapitalertrag vor.
Das Finanzamt vertrat dagegen die Meinung, dass in dem Nutzungsersatz, den der Kläger erhalten hat, immer dann ein Kapitalertrag zu sehen ist, wenn das Darlehen wegen mangelnder Widerrufsbelehrung rückabgewickelt wird und hieraus dem Darlehensnehmer ein Ausgleichsanspruch entsteht.
Entscheidung
Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht der Richter wurde die Nutzungsentschädigung zu Recht in voller Höhe als Einkünfte aus Kapitalvermögen behandelt und der Abgeltungssteuer unterworfen.
Unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fallen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeglicher Art. Erforderlich ist eine Überlassung von privatem Geldvermögen an Dritte. Ist dies geschehen, gehören alle Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für die Kapitalnutzung sind, zu den Einkünften aus Kapitalvermögen.
Es ist höchstrichterlich geklärt, dass bei der Beendigung eines Darlehensvertrags wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer die Herausgabe bereits erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen schuldet.
Lohn und Gehalt
1. Zuzahlungen für den Dienstwagen: Wie wirken sich Einmalzahlungen aus?
Zahlt der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber für die Nutzung eines betrieblichen Kfz zu privaten Fahrten ein Nutzungsentgelt, mindert dies den geldwerten Vorteil aus der Nutzungsüberlassung. Einmalzahlungen sind dabei auf den Zeitraum, für den sie geleistet werden, gleichmäßig zu verteilen und monatlich vorteilsmindernd zu berücksichtigen.
Hintergrund
Der Rentner R war bei einer GmbH geringfügig beschäftigt. Geschäftsführer war sein Sohn. Der monatliche Arbeitslohn bestand aus einem Gehalt von 75 EUR und dem Vorteil von 574 EUR aus der privaten Nutzung eines Dienstwagens, der nach der 1 %-Regelung ermittelt wurde.
Von dem Betrag von 574 EUR zog die GmbH monatlich 200 EUR ab, da R für die Anschaffung des Pkw im Jahr 2010 einmalig 20.000 EUR für den Nutzungszeitraum von 8 Jahren, also 96 Monate zu 200 EUR, gezahlt hatte. Dementsprechend ging die GmbH von einem Brutto-Monatsverdienst von 449 EUR (= 75 EUR + 374 EUR) aus, sodass die Pauschalierungsgrenze von 450 EUR nicht überschritten war.
Das Finanzamt vertrat dagegen die Auffassung, dass die Zuzahlung nicht anteilig auf den Nutzungszeitraum verteilt werden kann. Die Zuzahlung sei im Zahlungsjahr auf den privaten Nutzungswert bis auf 0 EUR anzurechnen (574 EUR x 12 = 6.876 EUR). Der verbleibende Betrag ist danach entsprechend in den Folgejahren anzurechnen. Damit war die Minderung des privaten Nutzungsanteils bereits in den Jahren 2010 bis 2012 ausgeschöpft. Ab 2013 war deshalb der geldwerte Vorteil mit jährlich 6.876 EUR anzusetzen. Für das Jahr 2015 ergab sich daraus ein Arbeitslohn von 75 EUR x 12 = 900 EUR + 6.876 EUR = 7.776 EUR. Mit dem Monatsbetrag von 648 EUR war die Pauschalierungsgrenze überschritten. Das Finanzamt veranlagte den R für das Jahr 2015 entsprechend.
Die Klage vor dem Finanzgericht war erfolgreich. Dieses erkannte die vereinbarte Verteilung der Zuzahlung auf die voraussichtliche Nutzungsdauer des Kfz an.
Entscheidung
Auch vor dem Bundesfinanzhof scheiterte das Finanzamt. Dieser entschied nämlich wie das Finanzgericht, dass die Pauschalierungsgrenze nicht überschritten war. Der pauschal besteuerte Arbeitslohn bleibt damit bei der Veranlagung des R außer Ansatz.
Zahlt der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber für die Nutzung eines betrieblichen Kfz zu privaten Fahrten und zu Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte ein Nutzungsentgelt, mindert dies den geldwerten Vorteil aus der Nutzungsüberlassung. Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer einzelne Kosten des Pkw trägt oder einen Teil der Anschaffungskosten übernimmt.
Einmalzahlungen, die der Arbeitnehmer für die Privatnutzung vereinbarungsgemäß zeitraumbezogen leistet, sind bei der Bemessung des geldwerten Vorteils auf den Zeitraum, für den sie geleistet werden, gleichmäßig zu verteilen und monatlich vorteilsmindernd zu berücksichtigen. Das gilt auch bei entsprechenden Zuzahlungen des Arbeitnehmers zu den Anschaffungskosten eines ihm auch zur Privatnutzung überlassenen betrieblichen Kfz.
Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Zahlungsweise und die sachliche (für Kraftstoff, Versicherung, Wartung usw.) oder die zeitliche Aufteilung sind anzuerkennen, wenn sie ernstlich gewollt sind und den wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht widersprechen.
Von diesen Grundsätzen ausgehend ist die zwischen R und der GmbH vertraglich vereinbarte Verteilung der Zuzahlung zu den Anschaffungskosten der Besteuerung zugrunde zu legen. Die gleichmäßige Aufteilung der Einmalzahlung auf den vereinbarten Zeitraum von 96 Monaten stellt eine nach den wirtschaftlichen Gegebenheiten mögliche Gestaltung dar. Durch sie wird die Zuzahlung gleichmäßig auf die von den Vertragsparteien zugrunde gelegte voraussichtliche Dauer der Kfz-Überlassung verteilt. Die zeitliche Aufteilung erscheint weder willkürlich noch widerspricht sie den wirtschaftlichen Verhältnissen.
Die zwischen R und der GmbH getroffene Gestaltung ist auch nicht rechtsmissbräuchlich. Die gleichmäßige Verteilung der Zuzahlung auf 96 Monate führt dazu, dass der Arbeitslohn des R pauschal besteuert werden kann. Die Pauschalierungsgrenze ist eingehalten. Die von R und der GmbH gewählte Möglichkeit wird vom Gesetzgeber ausdrücklich eingeräumt. Die Ausübung eines gesetzlich zugelassenen Wahlrechts stellt keine unangemessene Gestaltung dar.
Private Immobilienbesitzer
1. Photovoltaik und Blockheizkraftwerk: Neue Vereinfachungsregelung für kleine Anlagen
Kleine Photovoltaikanlagen profitieren von einer neuen steuerlichen Vereinfachung. Mit einem Antrag können die Betreiber nämlich auf die Besteuerung verzichten.
Hintergrund
Wer eine Photovoltaikanlage oder ein Blockheizkraftwerk betreibt, erzielt damit Einkünfte aus Gewerbebetrieb und muss jährlich eine Gewinnermittlung abgeben. Ein großer Aufwand für die korrekte Besteuerung steht dabei oftmals sehr geringen zu versteuernden Beträgen gegenüber. Auch kommt es immer wieder zum Streit mit dem Finanzamt über die Frage, ob eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt.
Vereinfachungsregelung
Die Finanzverwaltung hat deshalb eine Verzichtsmöglichkeit geschaffen, um den Bürokratieaufwand etwas zu verringern. Die Betreiber kleiner Photovoltaikanlagen und vergleichbarer Blockheizkraftwerke können einen schriftlichen Antrag stellen, wonach die Anlage ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird. In diesem Fall wird von der Finanzverwaltung ohne weitere Prüfung unterstellt, dass eine steuerlich unbeachtliche sog. Liebhaberei vorliegt.
Diese Vereinfachungsregelung gilt für
• Photovoltaikanlagen mit einer installierten Leistung von bis zu 10 kW.
• Blockheizkraftwerke mit einer installierten Leistung von bis zu 2,5 kW.
Die Anlagen müssen auf einem zu eigenen Wohnzwecken genutzten oder unentgeltlich überlassenen Einfamilienhaus oder Zweifamilienhaus installiert sein. Zudem gilt die Regelung nur für Anlagen, die nach dem 31.12.2003 in Betrieb genommen wurden. Ist ein Teil des Gebäudes vermietet, scheidet ein Liebhaberei-Antrag aus. Die Nutzung eines Raums als häusliches Arbeitszimmer ist unschädlich.
Folgen der Vereinfachungsregelung
Mit dem schriftlichen Antrag der steuerpflichtigen Person wird aus Vereinfachungsgründen und ohne weitere Prüfung unterstellt, dass die Anlage nicht mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird. Damit wird der Gewerbebetrieb einer solchen kleinen Photovoltaikanlage bzw. eines Blockheizkraftwerks nicht mehr bei der Einkommensteuer erfasst.
Dies gilt nicht nur für das aktuelle Jahr, sondern auch für alle nachfolgenden Jahre und auch für alle noch offenen Jahre der Vergangenheit.
Die umsatzsteuerlichen Pflichten für eine Photovoltaikanlage bzw. ein Blockheizkraftwerk und die Steuerpflicht der Umsätze bleiben trotz einer Antragsstellung unverändert bestehen.
Sonstige Steuern
1. Grunderwerbsteuer: Sind Erschließungsbeiträge einzubeziehen?
Sind Erschließungsbeiträge als sonstige Leistungen in die Bemessungsgrundlage bei der Grunderwerbsteuer einzubeziehen? Ja, meint das Finanzgericht Münster. Das letzte Wort hat aber der Bundesfinanzhof.
Hintergrund
Die Kläger und ihr Sohn, J. B., erwarben von der Z-Immobiliengesellschaft mbH eine im Grundbuch von X-Stadt eingetragene Grundstücksfläche zu Miteigentum. In dem in der notariellen Urkunde genannten Kaufpreis ist die sog. Erschließung enthalten.
Zusätzlich zum Grundstückskaufpreis erstattet der Käufer der Verkäuferin die von dieser im Verhältnis zu den jeweiligen Leistungserbringern zu tragenden Kosten für die Herstellung eines Hausanschlussschachtes für Schmutz- und Regenwasser (Mischsystem) auf dem verkauften Grundstück mit einem pauschalen Betrag. Zur Erschließung vereinbarten die Parteien, dass Z die gesamten Erschließungsmaßnahmen für die sog. Ersterschließung durchzuführen hat. Diese Maßnahmen umfassen insbesondere die Herstellung der öffentlichen Abwasseranlagen sowie die erstmalige Herstellung der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze, einschließlich Fahrbahnen, inklusive Stellplatzflächen, Geh-/Radwegen, Straßenentwässerung, Straßenbeleuchtung und Straßenbegleitgrün. Die in diesem Zusammenhang anfallenden Erschließungskosten werden von der Verkäuferin getragen und sind im Kaufpreis enthalten. Eine gesonderte Abrechnung dieser Erschließungskosten erfolgt nicht. Zusätzlich wird die Z den Hausanschlussschacht für das Grundstück der Kläger erstellen.
Das Finanzamt setzte gegenüber den Klägern und ihrem Sohn jeweils Grunderwerbsteuer fest. Gegen die Grunderwerbsteuerbescheide legten die Kläger Einspruch ein. Zur Begründung führten sie jeweils aus, dass das Finanzamt eine zu hohe Bemessungsgrundlage angesetzt habe. Die Kosten für den Hausanschlussschacht sowie die Kosten für die noch nicht geleistete Erschließung seien aber abzuziehen, sodass für die Grunderwerbsteuer ein geringerer Kaufpreis anzusetzen sei.
Entscheidung
Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg. Zu Recht hat das Finanzamt den (kalkulatorisch) auf die Erschließungskosten entfallenden Kaufpreisanteil in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezogen.
Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ist die Gegenleistung. Bei einem Grundstückskauf gilt als Gegenleistung u. a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung, die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben.
Für den Umfang der Gegenleistung ist entscheidend, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht wurde. Ob Erschließungskosten als Gegenleistung zu erfassen sind, ist danach zu beurteilen, ob das Grundstück unerschlossen oder erschlossen bzw. mit der Verpflichtung des Veräußerers, es erschlossen zu verschaffen, Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist.
Ist ein Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags bereits tatsächlich erschlossen, kann Gegenstand eines solchen Vertrages nur das erschlossene Grundstück sein; der zur Abgeltung der Erschließung neben dem eigentlichen Grundstückskaufpreis gesondert ausgewiesene Betrag gehört in diesem Fall zur Gegenleistung.
Ist das Grundstück hingegen im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags noch nicht erschlossen, verpflichtet sich jedoch der Veräußerer, das Grundstück dem Erwerber in erschlossenem Zustand zu verschaffen, so ist das Grundstück in diesem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs. Der auf die Erschließung entfallende Teil des Kaufpreises ist dann Entgelt für den Grundstückserwerb.
Im vorliegenden Fall ergibt die Auslegung des Kaufvertrags, dass sich die Verkäuferin verpflichtet hat, den Klägern das Grundstück im erschlossenen Zustand zu verschaffen.
2. Grundsteuer und Vorkaufsrecht: Wer ist wann wirtschaftlicher Eigentümer?
Abweichend vom Kaufvertrag können Grundstückseigentümer und Vorkaufsberechtigter den Übergang von Nutzen und Lasten auf einen späteren Zeitpunkt festlegen – mit Auswirkungen z. B. auf die Zurechnung des Grundstücks im Rahmen der Grundsteuer.
Hintergrund
Die Grundstückseigentümerin A schloss im Januar 2006 mit einer KG einen notariell beurkundeten Kaufvertrag über ein aus mehreren Einheiten bestehendes Grundstück. Der Übergang von Nutzen und Lasten sollte vertraglich zum Januar 2006 erfolgen. Das Finanzamt führte daher im Rahmen der Festsetzung zur Grundsteuer zunächst Zurechnungsfortschreibungen auf die KG auf den 1.1.2007 durch.
Der X stand ein Vorkaufsrecht zu, das sie im April 2006 ausübte. Im Juli 2006 wurde zugunsten der X eine Vormerkung eingetragen. X erwarb im September 2010 das Grundstück aufgrund eines ergänzenden Vertrags mit A zur Abwicklung des Vorkaufsrechts. Für den Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten wurde – abweichend vom ursprünglich zwischen der A und der KG geschlossenen Vertrag – der September 2010 vereinbart.
Das Finanzamt ließ mit Einheitswert-Bescheiden vom November und Dezember 2010 die wirtschaftlichen Einheiten der X zu und erließ entsprechende Grundsteuer-Messbescheide. Seiner Ansicht nach war X als Vorkaufsberechtigte in alle vertraglichen Verpflichtungen zwischen der A und der KG eingetreten. Das galt auch für die Vereinbarung des Übergangs von Besitz, Nutzen und Lasten zum Januar 2006.
X war dagegen der Meinung, dass sie erst im September 2010 wirtschaftliche Eigentümerin geworden war.
Das Finanzgericht wies die Klage ab, da X aufgrund der rechtskräftigen Ausübung des Vorkaufsrechts rückwirkend das Verwertungsrecht durch Nutzung oder Veräußerung des Grundbesitzes zustand.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof folgt dem Urteil des Finanzgerichts nicht. Er entschied, dass der Grundbesitz der X nicht bereits zum 1.1.2007 zuzurechnen war.
Der Erwerber eines Grundstücks erlangt wirtschaftliches Eigentum regelmäßig ab dem Zeitpunkt, ab dem er nach dem Willen der Vertragspartner wirtschaftlich über das Grundstück verfügen kann. Abzustellen ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse. Der Besitz des Erwerbers bzw. dessen Recht, die Nutzungen zu ziehen – vor allem im Vorstadium eines geplanten zivilrechtlichen Eigentumserwerbs – sind jedoch unerlässlich.
Mit der Ausübung eines Vorkaufsrechts kommt der Kauf zwischen dem Berechtigten (X) und dem Verpflichteten (A) unter den Bestimmungen zustande, die der Verpflichtete mit dem Dritten (KG) vereinbart hat. Allerdings können Grundstückseigentümer (A) und Vorkaufsberechtigter (X) vereinbaren, dass für das Kaufverhältnis zwischen diesen beiden Personen andere Bestimmungen als für den ursprünglich mit dem Dritten geschlossenen Vertrag gelten sollen. Insbesondere können (wenn Besitz, Nutzen und Lasten bereits vor der Ausübung des Vorkaufsrechts auf den Dritten übergegangen sind) der Eigentümer und der Vorkaufsberechtigte den Übergang abweichend von dem ursprünglichen Kaufvertrag auf einen späteren Zeitpunkt festlegen.
Hiervon ausgehend ist X nicht bereits im Januar 2006 oder zum Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts im April 2006 wirtschaftliche Eigentümerin geworden. Denn mit der Ausübung des Vorkaufsrechts im April 2006 kam zwischen A und X ein neuer Kaufvertrag zu den Bedingungen des Vertrags zwischen der A und der KG zustande. Allerdings regelten die Vertragsparteien in dem Vertrag vom September 2010 ausdrücklich in Abweichung vom ursprünglichen Vertrag, dass der Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten auf die X erst später im September 2010 erfolgen sollte. Daher wurde X erst zu diesem Zeitpunkt wirtschaftliche Eigentümerin.
Die Vormerkung allein verschaffte der X nicht die Stellung einer wirtschaftlichen Eigentümerin.
Steuerrecht Privatvermögen
1. Wie sind Bonuszahlungen einer privaten Krankenkasse steuerlich zu berücksichtigen?
Leistet eine private Krankenkasse Bonuszahlungen, sind diese als Beitragserstattungen zu erfassen und die abzugsfähigen Sonderausgaben entsprechend zu mindern. Das gilt zumindest dann, wenn der Bonus unabhängig davon gezahlt wird, ob dem Versicherungsnehmer finanzieller Gesundheitsaufwand entstanden ist oder nicht.
Hintergrund
Die Kläger sind verheiratet und privat kranken- und pflegeversichert. Die beiden minderjährigen Kinder sind über den Ehemann M versichert. Von ihrer Krankenversicherung erhielten die Ehefrau F für sich und M für die Kinder in Jahren 2014 bis 2016 Boni von jeweils 360 EUR jährlich, somit insgesamt 1.080 EUR.
Die Krankenversicherung verrechnete die Boni wie vertraglich vereinbart mit den Gesundheitsaufwendungen, für die eine Erstattung beantragt wurde. In den Jahren 2014 und 2016 geschah dies jeweils in voller Höhe (1.080 EUR) und im Jahr 2015 i. H. v. 922 EUR.
Die Versicherung meldete die Boni gegenüber der Finanzverwaltung für jedes Jahr i. H. v. 984 EUR als Beitragserstattung (= 360 EUR x 3 x 91,36 % Anteil Basiskrankenversicherungsschutz). Das Finanzamt minderte dementsprechend den Sonderausgabenabzug für Krankenversicherungsbeiträge.
Die Klage gegen die Minderung wurde vom Finanzgericht abgewiesen. Denn die Boni standen nach Ansicht der Finanzrichter in unmittelbarem Zusammenhang mit den Beiträgen zur Erlangung des Basiskrankenversicherungsschutzes, die hierdurch gemindert wurden.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof folgte dem Urteil des Finanzgerichts und entschied ebenfalls, dass die Boni Beitragserstattungen darstellen, die den Sonderausgabenabzug mindern.
Die privaten Kranken- und Pflegeversicherungen sind verpflichtet, die im Beitragsjahr sowohl geleisteten als auch erstatteten Beiträge per Datensatz der Finanzverwaltung zu übermitteln, wenn der Steuerpflichtige in die Datenübermittlung eingewilligt hat. Dieses Verfahren begründet jedoch keine materiell-rechtliche Bindungswirkung für die Steuerfestsetzung. Vielmehr haben die Finanzämter selbst zu prüfen, wie die übermittelten Werte rechtlich einzuordnen sind.
Beiträge „zu“ einer Krankenversicherung sind nur solche Zahlungen, die zumindest im Zusammenhang mit der Erlangung des Versicherungsschutzes stehen. Dies ist z. B. für einen vom Steuerpflichtigen vereinbarten und getragenen Selbstbehalt nicht der Fall, da die Krankenversicherung insoweit nicht das Risiko übernimmt, für künftige Schadensfälle einzutreten.
Der Steuerpflichtige muss durch den Sonderausgabenabzug tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet sein. Werden Beiträge erstattet, mindert die Erstattung jedoch im Jahr des Zuflusses den Sonderausgabenabzug. Voraussetzung ist allerdings, dass die Zahlung des Versicherungsunternehmens nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt als Beitragserstattung und nicht als eine hiervon losgelöste Leistung zu werten ist. Durch die Prämie ändert sich die Gegenleistung, die vom Mitglied zu erbringen ist, um den vereinbarten Krankenversicherungsschutz zu erhalten. Im Ergebnis wird der Beitrag des Mitglieds und damit dessen wirtschaftliche Belastung reduziert.
Dagegen ist eine Bonuszahlung für gesundheitsbewusstes Verhalten nicht als Beitragserstattung zu qualifizieren, soweit dadurch konkret Aufwand des Steuerpflichtigen für gesundheitsbezogene Maßnahmen ausgeglichen wird. Derartige Boni stehen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Beiträgen zur Erlangung des Basiskrankenversicherungsschutzes, sondern sind als Erstattung der vom Versicherten getragenen Aufwendungen und damit als eine nicht den Sonderausgabenabzug beeinflussende Leistung anzusehen. Diese Boni mindern daher nicht die Höhe der Krankenversicherungsbeiträge, sondern lediglich den zusätzlichen Gesundheitsaufwand des Steuerpflichtigen.
Davon ausgehend wies der Bundesfinanzhof die Revision zurück. Die erhaltenen Boni der Kläger sind nicht vergleichbar mit den Boni, die als Anreiz für ein gesundheitsbewusstes Verhalten gezahlt werden. Denn die vorliegende Bonusregelung zielt im Gegenteil darauf ab, zu einem kostenbewussten Verhalten anzuregen. Für einen vereinbarten Selbstbehalt hat der Bundesfinanzhof bereits entschieden, dass die hieraus entstehenden Aufwendungen nicht als abziehbare Beiträge i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG zu werten sind. Nichts anderes gilt, wenn – wie im vorliegenden Fall – ein garantierter Bonus Grund dafür ist, dass der Versicherungsnehmer Gesundheitsaufwendungen bis zur Bonushöhe wirtschaftlich selbst zu tragen hat.
Steuerrecht Unternehmer
1. Materielle und immaterielle Wirtschaftsgüter: Unterschiede nicht gleichheitswidrig
Bei der Herstellung materieller und immaterieller Wirtschaftsgüter kommt es zu einer unterschiedlichen gewerbesteuerrechtlichen Behandlung der Miet-/Pachtzinsen. Dies verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Hintergrund
Die X-GmbH stellt Kino- und TV-Filme her. Die Filme werden in rund 30 Tagen als Einzelprojekte gedreht. Die benötigten Räumlichkeiten und Gegenstände (Technik, Requisiten usw.) mietet X an und gibt sie nach der Produktion an den Vermieter zurück.
Das Finanzamt ging davon aus, dass der Gewerbeertrag um die Mietzahlungen zu erhöhen war. X wandte ein, dass es sich wegen der kurzfristigen Anmietung nicht um fiktives Anlagevermögen, sondern um Umlaufvermögen handelte.
Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof entschied, dass die Unterschiede bei der Herstellung materieller und immaterieller Wirtschaftsgüter nicht gleichheitswidrig sind. Gegen die Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Das gilt auch bei der Herstellung immaterieller Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Damit scheiterte auch die Revision des X.
Die Gewerbesteuer ist eine in erster Linie auf den Ertrag des Gewerbebetriebs gerichtete Objektsteuer. Sie ist als solche verfassungsgemäß. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen insbesondere nicht gegen die Hinzurechnung von Mieten für bewegliche Wirtschaftsgüter oder Immobilien.
Miet- und Pachtaufwendungen können die Herstellungskosten eines materiellen Wirtschaftsguts erhöhen und sind dann zu aktivieren mit der Folge, dass die Aufwendungen den Gewinn nicht gemindert haben und die Hinzurechnung unterbleibt. Anders ist es bei selbst hergestellten immateriellen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Da für diese wegen des Aktivierungsverbots kein Aktivposten angesetzt werden kann, mindern die dafür angefallenen Miet- und Pachtaufwendungen den Gewinn, sodass sie entsprechend hinzugerechnet werden.
Die Aktivierung führt bei der Herstellung eines materiellen Wirtschaftsguts zu einem höheren Gewerbeertrag und insoweit zu einer Benachteiligung gegenüber der Herstellung eines immateriellen Wirtschaftsguts. Die Herstellung materieller Wirtschaftsgüter ist indes vorteilhafter, wenn das Wirtschaftsgut vor dem Bilanzstichtag aus dem Betriebsvermögen ausscheidet. Denn dann unterbleibt sowohl die Neutralisierung der in die Herstellungskosten einzubeziehenden Miet- und Pachtaufwendungen aufgrund der Aktivierung als auch die Hinzurechnung. Bei der Herstellung immaterieller Wirtschaftsgüter mindert sich der Gewinn entsprechend um die Miet- und Pachtaufwendungen, diese werden dann jedoch hinzugerechnet. Diese Benachteiligung der X kommt somit nur in Betracht, soweit die von ihr hergestellten Filme zu ihrem Anlagevermögen gehören und vor dem Bilanzstichtag aus ihrem Betriebsvermögen ausscheiden.
Der Bundesfinanzhof verneint für diesen Fall eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung. Denn es genügt, wenn sich die Hinzurechnungsvorschriften folgerichtig in das Konzept einer ertragsorientierten Objektsteuer einfügen lassen. Für den vorliegenden Fall handelt es sich um eine nicht gleichheitswidrig belastende konsequente Folge des grundsätzlich vorteilhaften Aktivierungsverbots.
2. Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG): Ein Überblick
Der Gesetzgeber will die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Familienunternehmen in der Rechtsform einer KG oder OHG verbessern. Dies soll durch die Einführung einer Optionsmöglichkeit zur Körperschaftsteuer erreicht werden. Doch es gibt auch noch weitere Änderungen im Bereich der Besteuerung von Gesellschaften.
Kern der geplanten Änderungen
Nach dem Gesetz sollen alle Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften erstmals für den VZ 2022 beantragen können, künftig wie eine Körperschaft besteuert zu werden. Unverändert wird die zivilrechtliche Haftung der Gesellschafter für die geschuldete Körperschaft- und Gewerbesteuer bleiben. Zusätzlich ist auch ein Rückweg vorgesehen – die Rückoption zur Besteuerung als Personengesellschaft.
Option zur Körperschaftsteuer
Für die Option zur Körperschaftsteuer für Personengesellschaften ist ein Antrag erforderlich. Wird diese Möglichkeit gewählt, findet ein sog. Wechsel des Besteuerungsregimes statt. Für alle Ertragsteuern (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer) und auch verfahrensrechtlich erfolgt eine vollständige Gleichstellung mit einer Kapitalgesellschaft. Auswirkungen gibt es auch bei der Grunderwerbsteuer.
Keine Auswirkungen ergeben sich für die Erbschaftsteuer.
Der Optionsantrag ist unwiderruflich. Die Option muss noch vor Beginn des Wirtschaftsjahres gestellt werden, ab welchem eine Besteuerung nach dem Körperschaftsteuergesetz erfolgen soll. Der Antrag ist beim für die Besteuerung der Personengesellschaft örtlich zuständigen Finanzamt zu stellen.
Der Antrag wirkt sich zugleich auf die Besteuerung der Gesellschafter aus. Damit ist ein mehrheitlicher Gesellschafterbeschluss erforderlich, der allerdings mindestens 75 % der abgegebenen Stimmen bedarf.
Erstmals kann ein Antrag auf Option zur Körperschaftsbesteuerung für den VZ 2022 gestellt werden. Der Antrag ist nicht zustimmungsbedürftig, sodass die Finanzverwaltung keine Möglichkeit hat, eine Option abzulehnen.
Der Antrag muss nach einem amtlich vorgeschriebenen Datensatz durch Datenfernübertragung übermittelt werden. Auch muss der Antrag spätestens einen Monat vor Beginn des Wirtschaftsjahres beim für die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte zuständigen Finanzamt eingegangen sein. In formeller Hinsicht kann der Antrag nun wirksam bereits im Jahr 2021 gestellt werden.
Ein Antrag auf Option zur Körperschaftsbesteuerung kann von allen Gesellschaften gestellt werden, die auch für einen tatsächlichen Formwechsel in Frage kommen würden. Das gilt damit für die OHG, die KG einschließlich einer GmbH & Co. KG sowie für die PartG. Vom Optionsrecht ausgeschlossen werden damit Einzelunternehmen, GbR aber auch Investmentfonds im Sinne des
InvStG.
In sachlicher Hinsicht umfasst die Option die Besteuerung nach dem Einkommen. Für eine optierende Gesellschaft werden folglich alle Regelungen im KStG, EStG, UmwStG, InvStG, AStG sowie im Zerlegungsgesetz Anwendung finden, soweit diese für Körperschaften gelten.
Soweit Normen nur für ausdrücklich bezeichnete Kapitalgesellschaften gelten, finden diese für eine optierende Gesellschaft keine Anwendung. Auch Tatbestandsmerkmale, die nur von einer echten Kapitalgesellschaft erfüllt werden können, gelten für eine optierende Gesellschaft nicht.
In rechtlicher Hinsicht gilt der Übergang zur Körperschaftsbesteuerung als Formwechsel. Deshalb sind für den optionsbedingten Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft die Regelungen in §§ 20 ff. UmwStG analog anzuwenden. Es liegt damit grundsätzlich ein Veräußerungsvorgang vor; die übernehmende Gesellschaft gewährt für das eingebrachte Betriebsvermögen neue Gesellschaftsanteile als Gegenleistung.
Auf Ebene der Gesellschafter ist zu beachten, dass die bisherigen Mitunternehmer durch die Option steuerlich zu Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft werden. Dies mit allen weiteren steuerlichen Folgen.
Mit der Option wird auch eine Möglichkeit zur Rückoption geschaffen. Auch eine Rückoption ist nur vor Beginn eines Wirtschaftsjahres möglich; eine Rückwirkung ist ausgeschlossen. Der Antrag ist bei dem für die Besteuerung als Körperschaft örtlich zuständigen Finanzamt zu stellen.
Für eine Rückoption ist keine zeitliche Mindestverweildauer als optierte Gesellschaft vorgesehen, sodass bereits nach einem Jahr ein Wechsel zurück möglich ist.
Die Rechtsfolgen sind, dass die Gesellschaft ab dem folgenden Wirtschaftsjahr steuerlich wieder als Personengesellschaft besteuert wird; dies gilt entsprechend auch für ihre Gesellschafter. Bisher thesaurierte Gewinne gelten mit der Rückoption als ausgeschüttet und sind von den Gesellschaftern zu versteuern.
Die Rückoption gilt – wie zuvor die Option – als Formwechsel, verbunden mit allen Gestaltungs- und Wertansatzmöglichkeiten.
Eine Rückoption wird automatisch (ohne Antrag) ausgelöst, sobald die Voraussetzungen entfallen. Das ist z. B. der Fall, wenn aus einer OHG oder KG eine GbR wird.
Währungskursschwankungen
Mit im Gesetz enthalten ist ein auch steuerlich anerkannter Betriebsausgabenabzug für Verluste aus Währungskursschwankungen im Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen bzw. bei Inanspruchnahmen von Sicherheiten für Darlehensforderungen. Die bisher vorzunehmende Hinzurechnung bei der Einkommensermittlung wird erstmals für nach dem 31.12.2021 eintretende Währungskurs bedingte Gewinnminderungen nicht mehr gelten.
Mehr- und Minderabführungen
Bei einer körperschaftsteuerlichen Organschaft werden die steuerlichen Ausgleichsposten für Mehr- und Minderabführungen durch ein einfacheres System ersetzt – die sog. Einlagelösung.
Solche aktiven oder passiven Ausgleichsposten sind immer dann erforderlich, wenn der an den Organträger auf der Grundlage des Ergebnisabführungsvertrags abgeführte handelsbilanzielle Gewinn vom Steuerbilanzgewinn der Organgesellschaft abweicht und die Ursache der Abweichung in der organschaftlichen Zeit begründet ist.
Künftig führen organschaftliche Minderabführungen zu einer Einlage durch den Organträger in die Organgesellschaft. Sind Mehrabführungen der Organgesellschaft an den Organträger gegeben, stellen diese eine Einlagenrückgewähr dar – die sog. Einlagelösung.
Auf Ebene des Organträgers erhöht bzw. mindert sich in der Steuerbilanz der Beteiligungsansatz für die Organgesellschaft. Dies erfolgt jedoch – anders als bei den organschaftlichen Ausgleichsposten – nicht im Verhältnis der Beteiligungsquote, sondern jeweils in voller Höhe. Zeitlich werden die organschaftlichen Minder- bzw. Mehrabführungen zum Ende des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft berücksichtigt.
Auf Ebene der Organgesellschaft sind damit korrespondierende Änderungen im Zusammenhang mit dem steuerlichen Einlagekonto verbunden. Für organschaftliche Mehrabführungen wird ein Direktzugriff auf das steuerliche Einlagekonto eingeführt, sodass organschaftliche Mehrabführungen zu keinen Beteiligungserträgen führen. Ferner ist vorgesehen, dass organschaftliche Mehrabführungen das steuerliche Einlagekonto vorrangig vor anderen Leistungen mindern.
Die Änderungen sollen erstmals auf Mehr- bzw. Minderabführungen nach dem 31.12.2021 anzuwenden sein.
Bisherige Ausgleichsposten
Um keine zwei Systeme parallel zu führen, ist vorgesehen, dass bisher beim Organträger noch bestehende Ausgleichsposten aus früheren Jahren in dem Wirtschaftsjahr aufzulösen sind, das nach dem 31.12.2021 endet. Folglich erhöhen aktive Ausgleichsposten den steuerbilanziellen Beteiligungsbuchwert für die Organgesellschaft, passive Ausgleichsposten mindern diesen Wertansatz in der Steuerbilanz.
Im Fall, dass ein passiver Ausgleichsposten die Summe aus aktivem Ausgleichsposten und dem Buchwert der Beteiligung übersteigt, ergibt sich in Höhe des übersteigenden Betrags ein Beteiligungsertrag. Dieser Beteiligungsertrag ist zu versteuern – je nach Rechtsform des Organträgers entweder nach dem Teileinkünfteverfahren bzw. nach § 8b KStG. Anstelle der Versteuerung soll es ein Wahlrecht geben, wonach der Beteiligungsertrag in eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage eingestellt und über 10 Jahre verteilt werden kann. Für den jährlichen Auflösungsbetrag erfolgt dann ebenfalls eine Versteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren bzw. nach § 8b KStG.
Das Wahlrecht zur Bildung einer Gewinnrücklage im Zusammenhang mit der Ersetzung der Ausgleichspostenmethode wird durch die organschaftliche Einlagelösung erweitert: Ein Wahlrecht besteht nicht nur dem Grunde, sondern nun auch der Höhe nach.
Kommt es im 10-jährigen Zeitraum zu einer Veräußerung der Beteiligung an der Organgesellschaft, wird die verbleibende Rücklage in vollem Umfang gewinnerhöhend aufgelöst. Einer Veräußerung der Organgesellschaft gleichgestellt wird u. a. die Umwandlung der Organgesellschaft in eine Personengesellschaft oder auf eine natürliche Person, die verdeckte Einlage der Beteiligung oder die Auflösung der Organgesellschaft.
3. Säumniszuschläge: Ist deren Höhe verfassungsgemäß?
An der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge bestehen keine Zweifel, meint das Finanzgericht Münster. Das gilt auch im Hinblick auf die schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Zweifel bezüglich der Höhe des Zinssatzes bei den Nachzahlungszinsen nach § 233a AO.
Hintergrund
Die Antragstellerin beantragte den Erlass von Säumniszuschlägen. Das Finanzamt erließ diese jedoch nur zur Hälfte aus sachlichen Billigkeitsgründen wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Antragstellerin. Darüber hinaus lehnte es den Antrag ab. Die Antragstellerin bezahlte die ausstehenden Säumniszuschläge vollständig.
In der Folge beantragte die Antragstellerin den Erlass eines Abrechnungsbescheids. Sie trug vor, dass sich die Säumniszuschläge nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Hälfte aus einem Druckmittel und zur Hälfte aus einen Zinsanteil zusammensetzten. Den Zinsanteil hält der Bundesfinanzhof aus sachlichen Billigkeitsgründen regelmäßig nicht für erlasswürdig. Denn dieser entspricht der steuerlichen Verzinsung bei späterer Fälligkeit der Steuer. Die Antragstellerin ist der Ansicht, wenn die Zinshöhe mit 6 % verfassungswidrig hoch sei, müsse dies auch für den Zinsanteil in den Säumniszuschlägen gelten.
Gegen den Abrechnungsbescheid, der die kraft Gesetzes entstandenen Säumniszuschläge und die hierauf entrichteten Zahlungen auswies, legte die Antragstellerin Einspruch ein, der jedoch erfolglos blieb. Den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung lehnte das Finanzamt ebenfalls ab. Die Antragstellerin hat daraufhin Klage erhoben und Aufhebung der Vollziehung beim Finanzgericht beantragt.
Entscheidung
Das Finanzgericht gab der Antragstellerin Recht und entschied, dass nach summarischer Prüfung ernstliche Zweifel daran bestehen, dass das Finanzamt Säumniszuschläge nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO angesetzt hat.
Die Vorschrift des § 240 AO ist nach Auffassung des Finanzgerichts an sich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. An der grundsätzlichen Verfassungsgemäßheit der Vorschrift ändert sich auch dadurch nichts, dass inzwischen gegen die Höhe des Zinssatzes bei sog. Nachzahlungszinsen schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel bestehen.
Es gibt jedoch sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken, wenn die Säumniszuschläge wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit des Steuerpflichtigen teilweise zu erlassen sind. Die nicht erlassenen Säumniszuschläge dürften in diesen Fällen im Wesentlichen dem gleichen Zweck wie die Verzinsung dienen. Ob sich die Zweifel an der Vereinbarkeit der nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festzusetzenden Zinsen auch auf § 240 AO übertragen ließen, wurde in der Rechtsprechung bisher uneinheitlich und noch nicht höchstrichterlich entschieden. In Anbetracht der unterschiedlichen Entscheidungen bestehen im vorliegenden Fall ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der im Abrechnungsbescheid ausgewiesenen Säumniszuschläge, da bei der Antragstellerin eine Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit vorlag.
4. Sind Hundezüchter Unternehmer?
Verhält sich ein Hundezüchter beim Verkauf von Hunden aus seiner Zucht wie ein Händler, ist er unternehmerisch tätig. Das gilt auch dann, wenn die Hundezucht ein langjähriges persönlich wichtiges Hobby war.
Hintergrund
Die Klägerin züchtete seit 2011 in ihrem Privathaus Hunde der Rasse C. Sie ist Mitglied des Verbandes Deutscher Hundezüchter, der für die von der Klägerin gezüchtete Rasse eigene Zuchtziele und streng einzuhaltende Vorgaben festlegt. Am 12.1.2017 meldete sie das vorher bei der Gemeinde angemeldete Gewerbe mangels hinreichender Gewinnerzielungsmöglichkeit wieder ab.
Die Umsätze aus dem Verkauf von Hunden betrugen in den Jahren 2011 bis 2016 zwischen 15.000 EUR und 23.000 EUR. Das Finanzamt behandelte diese Umsätze als unternehmerisch. Wegen der Umsatzhöhen der Vorjahre kam für die Jahre 2013, 2015 und 2016 die Kleinunternehmerregelung nicht in Betracht. Gegen die Einordnung als umsatzsteuerliche Unternehmerin wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage.
Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Umsatzsteuerlicher Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen. Das gilt auch dann, wenn die Absicht, Gewinne zu erzielen, fehlt. Deshalb besteht umsatzsteuerlich keine Bindung an eine evtl. vorliegende ertragsteuerliche „Liebhaberei“. Die nachhaltige gewerbliche oder berufliche (wirtschaftliche) Tätigkeit ist von der bloßen privaten Vermögensverwaltung abzugrenzen. Eine unternehmerische Tätigkeit liegt vor, wenn der Betreffende aktive Schritte zum Vertrieb / zur Vermarktung von Gegenständen wie ein Händler unternimmt. Maßgeblich sind u. a. die Dauer und die Intensität des Tätigwerdens, die Höhe der Entgelte, die Beteiligung am Markt, die Zahl der ausgeführten Umsätze und der Kunden, das planmäßige Tätigwerden, die Vielfalt des Warenangebots und das Unterhalten eines Geschäftslokals oder mehrerer Verkäuferkonten. Die Klägerin hat ähnlich wie ein Händler unternehmerisch agiert. Die Klägerin hat sich mit ihrer Hundezucht am allgemeinen Markt beteiligt, indem sie die Hunde teilweise auch gegen Entgelt an Dritte verkaufte.
Die Verkäufe ihrer Hunde waren nicht nur Ausfluss ihres privaten Hobbys. Vielmehr hat die Klägerin allgemein bewährte Vertriebsmaßnahmen z. B. über das Internet ergriffen und dort ihre persönliche Eignung und die Qualität ihrer Hundezucht explizit dargestellt. Schon bei der Planung der Würfe bestand die Absicht, die Welpen zu verkaufen. Hierzu kündigte die Klägerin die bei ihr anstehenden Würfe auf ihrer Internetseite an und machte damit schon zu diesem frühen Zeitpunkt auf in nächster Zeit zum Verkauf stehende Welpen aufmerksam. Schließlich verkaufte sie die Tiere gegen Preise, die für Zuchttiere regelmäßig gezahlt werden. Nach dem im Mehrwertsteuersystem geltenden Neutralitätsprinzip sind Anbieter gleichartiger Waren gleichermaßen mit Umsatzsteuer zu belasten. Vorliegend besteht ein zumindest potenzieller Wettbewerb mit anderen Züchtern.
5. Stipendienzahlungen können Sonderbetriebseinnahmen sein
Wird einem Mitunternehmer ein Stipendium gewährt, ist dieses als Sonderbetriebseinnahme zu erfassen. Das gilt insbesondere dann, wenn die durch das Stipendium geförderte Tätigkeit des Mitunternehmers im Rahmen der Mitunternehmerschaft mit deren Mitteln betrieben wird.
Hintergrund
A und B waren jeweils zur Hälfte an einer GbR beteiligt, die sich mit Softwareentwicklung beschäftigte. Im Jahr 2010 hatten sie mit der Universität C jeweils Stipendiatenverträge geschlossen. Danach erhielten sie als Teil des Programms „Existenzgründungen aus der Wissenschaft (EXIST)“ für 2010/2011 ein Stipendium. Die Stipendien sollten der Entwicklung einer Software dienen. Dazu sollte von A und B ein Forschungsprototyp der Universität zu einem marktreifen Produkt ausgearbeitet werden.
Die Stipendien sollten den Existenzgründern ermöglichen, sich ganz der Verfolgung und Realisierung der Gründungsidee zu widmen. Sie stellten weder Vergütungen noch Arbeitsentgelt dar, sondern dienten lediglich der Sicherung des Lebensunterhalts und des finanziellen Risikos wegen Krankheit während der Weiterverfolgung der Gründungsidee.
Die Stipendien wurden teils im Jahr 2010, teils im Jahr 2011 an A und B ausgezahlt.
Das Finanzamt ging davon aus, die Stipendien seien als Sonderbetriebseinnahmen zu erfassen, und änderte den Feststellungsbescheid 2010 entsprechend.
Die Klage gegen die Berücksichtigung als Sonderbetriebseinnahmen hatte vor dem Finanzgericht Erfolg, da es nach Ansicht der Finanzrichter an einer Veranlassung der Stipendienzahlungen durch das Gesellschaftsverhältnis fehlte.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Zwar war auch der Bundesfinanzhof der Meinung, dass die Stipendienzahlungen keine Sondervergütungen darstellten, weil die Universität als Stipendiengeberin nicht in einen Leistungsaustausch zwischen A und B einerseits und der GbR andererseits eingeschaltet war. Das Finanzgericht hat jedoch unzutreffend angenommen, dass die Stipendienzahlungen mangels Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis auch keine sonstigen Sonderbetriebseinnahmen sein können.
Zu den mitunternehmerischen Einkünften des Gesellschafters einer Personengesellschaft gehören alle Einnahmen und Betriebsausgaben, die ihre Veranlassung in der Beteiligung des Steuerpflichtigen an der unternehmerisch tätigen Personengesellschaft haben. Als Sonderbetriebseinnahmen in diesem Sinne sind auch Einnahmen zu qualifizieren, die ein Mitunternehmer zwar im eigenen Namen, aber mit Unterstützung der Mitunternehmerschaft erzielt.
Dementsprechend ist auch das einem Mitunternehmer gewährte Stipendium als Sonderbetriebseinnahme zu erfassen, wenn die durch das Stipendium geförderte Tätigkeit des Mitunternehmers im Rahmen der Mitunternehmerschaft mit deren Mitteln betrieben wird. Stipendien dienen regelmäßig dazu, den Geförderten bei der Umsetzung eines bestimmten Vorhabens finanziell zu unterstützen. Sie steigern die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Stipendiaten. Bedient sich der so Geförderte als Mitunternehmer der Mitunternehmerschaft, um das geförderte Vorhaben voranzutreiben, ist die Stipendienzahlung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst.
Hiervon abweichend hat das Finanzgericht unzutreffend darauf abgestellt, dass die Zahlungen nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst waren, weil die GbR nicht selbst Partei der Stipendiatenverträge war und sich A und B nicht als Mitunternehmer der GbR verpflichtet hatten, das Projekt in der bestehenden GbR weiterzuentwickeln. Daraus folgt jedoch nicht, dass keine Sonderbetriebseinnahmen gegeben sein könnten. Denn die Stipendienzahlungen wären dann als Sonderbetriebseinnahmen zu qualifizieren, wenn A und B die Entwicklung des Projekts zwar in eigenem Namen, jedoch mit Mitteln (insbesondere der technischen Ausstattung) der GbR betrieben hätten.
Dass A und B ihr Vorhaben mit Mitteln der GbR betrieben haben, kann nicht ausgeschlossen werden. Die GbR war bereits erfolgreich im Bereich der Softwareentwicklung tätig. Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus möglich, dass sie das geförderte Projekt in der GbR weiterentwickelt und sich hierzu der Ressourcen der GbR bedient haben. Das Finanzgericht muss deshalb die tatsächlichen Umstände der Umsetzung des geförderten Gründungsvorhabens durch A und B näher aufklären.
6. Unterliegt eine Gutachtertätigkeit im Auftrag des MDK der Umsatzsteuer?
Zwar ist es unschädlich, wenn die Leistungen an den Medizinischen Diensts der Krankenversicherung (MDK) erbracht werden, und nicht an die Hilfsbedürftigen. Werden die Kosten jedoch nur mittelbar über den MDK erstattet, fehlt es an der Anerkennung als „Einrichtung mit sozialem Charakter“.
Hintergrund
A ist Krankenschwester mit Zusatzausbildung im Bereich der Pflege. Sie erstellte in den Jahren 2012 bis 2014 für den MDK Gutachten zur Pflegebedürftigkeit von Patienten. Ihre Leistungen rechnete der MDK ihr gegenüber ohne Umsatzsteuer-Ausweis ab. A erklärte die Umsätze als steuerfrei, nahm jedoch den Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen in Anspruch.
Das Finanzamt ging davon aus, dass die Gutachtertätigkeit weder nach nationalem noch nach Unionsrecht steuerfrei war und setzte entsprechend Umsatzsteuer fest.
Das Finanzgericht gab der Klage statt. Insbesondere war die Erstellung von Pflegegutachten nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL als „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistung“ steuerfrei.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof entschied, dass die gutachterlichen Leistungen der A nicht nach nationalem Recht von der Umsatzsteuer befreit sind. Auch kann sich A für die Steuerfreiheit nicht auf das Unionsrecht berufen.
Die Gutachtertätigkeit des MDK und damit auch die Tätigkeit der A dienen als Grundlage für die Feststellung, in welcher Höhe dem Versicherten ein Anspruch auf Kostenersatz nach dem Gesetz über die Pflegeversicherung zusteht. Darin liegt keine Heilbehandlung. Die Begutachtung, ob eine Pflegebedürftigkeit und welcher Pflegegrad besteht, betrifft die Gewährung von Leistungen durch die Pflegekasse, nicht die Therapie. Die Ärzte des MDK sind nicht berechtigt, in die ärztliche Behandlung einzugreifen.
Nach § 4 Nr. 15 UStG und Nr. 15a UStG sind nur die Umsätze der darin genannten Einrichtungen (z. B. der Sozialversicherungsträger bzw. des MDK) steuerfrei. A selbst gehört nicht dazu. Da es sich bei ihren Leistungen nicht um Leistungen zur Betreuung oder Pflege von Personen handelt, ist auch die Steuerfreiheit des § 4 Nr. 16 UStG nicht einschlägig.
Das Leistungsmerkmal „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden“ setzt nach Art. 134 Buchst. a MwStSystRL voraus, dass die betreffenden Leistungen für die der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit unterfallenden Umsätze unerlässlich sind. Dieses Unerlässlichkeitserfordernis ist bei den von A erbrachten Gutachterleistungen erfüllt.
Durch Art 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL werden jedoch nicht alle dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten von der Umsatzsteuer befreit, sondern nur diejenigen, die in der Vorschrift einzeln aufgeführt sind. Bei A fehlt es an der Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter. Die nur mittelbare Kostentragung über den MDK genügt insoweit nicht. Soweit der Bundesfinanzhof demgegenüber entschieden hatte, dass es für die Anerkennung bereits ausreicht, dass die Kosten mittelbar (durchgeleitet) von Einrichtungen der sozialen Sicherheit getragen werden, auch wenn keine direkten vertraglichen Beziehungen zum öffentlichen Träger bestehen, ist diese Auffassung nach Ergehen des EuGH-Urteils „Finanzamt D“ (EU:C:2020:811) überholt. Das gilt jedenfalls, soweit die mittelbare Kostenübernahme nicht auf einer expliziten Entscheidung einer Einrichtung der sozialen Sicherheit beruht.
7. Wann sind Krankentransporte von der Umsatzsteuer befreit?
Dienstleistungen im Bereich des Rettungsdienstes können eng mit der Sozialfürsorge verbunden und damit von der Umsatzsteuerpflicht befreit sein. Das gilt auch für Abrechnungen von Krankentransport- und Rettungsdienstleistungen gegenüber Sozialversicherungsträgern, die ein Rettungsdienst für den Träger des Rettungsdienstes und die anderen Rettungsdienste übernommen hat.
Hintergrund
Der als gemeinnützig anerkannte A-Verband der freien Wohlfahrtspflege ist als Leistungserbringer im öffentlichen Rettungsdienst tätig. Träger des öffentlichen Rettungsdienstes ist der Landkreis. A wickelt die Abrechnung der Rettungsdienstleistungen selbstständig mit den Kostenträgern ab.
Ab 2012 sollte es in jedem Landkreis nur noch eine Abrechnungsstelle geben. Dementsprechend führte A neben der Abrechnung der eigenen Einsätze auch die Abrechnungen der Einsätze für 4 andere Leistungserbringer in den Bereichen Rettungsdienst und Krankentransport gegenüber den Kostenträgern durch. Die Abrechnung des Rettungsdienstes erfolgt ausdrücklich im Auftrag des Landkreises.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass der Betrieb der Abrechnungsstelle eine gesondert zu beurteilende selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit darstellte, die die Voraussetzungen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs erfüllt und kein Zweckbetrieb ist. Eine Umsatzsteuer-Befreiung für die Leistungen der Abrechnungsstelle für die anderen Leistungserbringer kam deshalb nicht in Betracht. Davon ausgenommen war die Abrechnung der eigenen Rettungsdienstleistungen.
Das Finanzgericht sah dies ebenso und wies die Klage ab.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof entschied dagegen, dass die Abrechnungsleistungen steuerfrei sind. Entgegen dem Urteil des Finanzgerichts erbringt A auch im Hinblick auf die Abrechnungen für andere Leistungserbringer steuerbefreite Leistungen und ist auch insoweit als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt.
Die Steuerbefreiung knüpft an leistungs- und an personenbezogene Voraussetzungen an: Es muss sich um eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen handeln, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen erbracht werden, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt worden sind.
Um das Merkmal „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden“ zu erfüllen, muss die Leistung jedenfalls für die der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit unterfallenden Umsätze unerlässlich sein. Das ist hier der Fall. Die von A mit seiner Haupttätigkeit erbrachten Leistungen des Krankentransports und der Notfallrettung sind dem Grunde nach begünstigt. Die Abrechnung des A über diese Leistungen ist Teil derselben.
Soweit das Finanzgericht eine eng mit der Sozialfürsorge verbundene Dienstleistung verneint hat, weil A die betreffende Abrechnungsleistung nicht gegenüber dem jeweiligen Hilfsbedürftigen erbracht hat, sondern gegenüber einem anderen Leistungserbringer, widerspricht dies der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs. Denn danach hängt die Steuerbefreiung von Dienstleistungen nicht davon ab, an wen sie erbracht werden. Sie müssen lediglich einen für die Durchführung der Maßnahmen der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit unerlässlichen Schritt darstellen.
Bei dem A-Verband handelt es sich um eine anerkannte Einrichtung mit im Wesentlichen sozialem Charakter. Die Übernahme der Kosten durch die Sozialleistungsträger beruht auf speziellen vertraglichen Grundlagen. Nur auf Verlangen der Sozialleistungsträger hatte es A übernommen, Leistungen auch für dritte Leistungserbringer abzurechnen.
Der Bundesfinanzhof verwies die Sache an das Finanzgericht zurück, da Feststellungen zur Höhe der steuerfreien Umsätze fehlen.
8. Zum Vorsteuerabzug bei Vermietung einer kommunalen Mehrzweckhalle mit Parkplatz
Vermietet eine Gemeinde ihre kommunale Mehrzweckhalle mit Parkplatz jeweils kurzfristig, stellt dies eine umsatzsteuerfreie Vermietung dar. Ein teilweiser Vorsteuerabzug ist möglich, wenn die Gemeinde teilweise auf die Steuerbefreiung verzichtet.
Hintergrund
Die Klägerin, eine Gemeinde, hatte eine Halle errichtet. Diese wurde sowohl für Sport- und Übungszwecke als auch für private und sonstige Veranstaltungen jeweils kurzfristig für Tage oder Stunden vermietet. Im Rahmen der Vermietung wurden auch Betriebsvorrichtungen überlassen. Neben der Halle wurde ein öffentlicher Parkplatz errichtet, den die Allgemeinheit ohne Einschränkungen kostenfrei nutzen konnte.
Die Gemeinde machte den vollen Vorsteuerabzug für die gesamte Baumaßnahme geltend. Das Finanzamt dagegen kürzte die Vorsteuern auf 23,4 %. Dieser Anteil entsprach der Vermietungsleistung, für die auf die Umsatzsteuerfreiheit zulässigerweise verzichtet wurde, sowie den Leistungen aus der Überlassung der Betriebsvorrichtungen, die per se umsatzsteuerpflichtig sind. Der anteilige Vorsteuerabzug wurde auch hinsichtlich des Parkplatzes anerkannt. Dieser war nach Ansicht des Finanzamts von der Gemeinde zutreffend ihrem Unternehmen zugeordnet worden. Gegen die Kürzung des Vorsteuerabzugs klagte die Gemeinde vor dem Finanzgericht.
Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage ab und entschied, dass der Gemeinde der volle Vorsteuerabzug nicht zustand.
Das Finanzamt hatte die Gemeinde zu Recht als Unternehmerin behandelt, weil eine Behandlung als Nichtunternehmerin offenkundig zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Dass die Gemeinde für den Übungs- und Sportbetrieb offenbar kein kostendeckendes Entgelt erhoben hat, steht dieser Behandlung nach Ansicht des Gerichts nicht entgegen, da sie sich im Übrigen markttypisch verhalten habe. Obwohl die Überlassung nur kurzfristig (stunden- bzw. tageweise) erfolgte, handelt es sich um eine umsatzsteuerfreie Vermietung.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Gemeinde keine wesentlichen sonstigen Dienstleistungen, wie etwa gastronomische Zusatzleistungen anbietet und außer dem Hausmeister auch kein Personal zur Verfügung stellt. Bei den mitüberlassenen Betriebsvorrichtungen (z. B. Kücheneinrichtung, Hebebühne, Bühne, Tische, Stühle, Beleuchtung und Technik, Sanitärräume, Geschirr und Besteck) handelt es sich um untergeordnete Nebenleistungen zu der vertraglich vereinbarten Überlassung der Räumlichkeiten. Dass das Finanzamt den Vorsteuerabzug in dem Umfang nicht zugelassen hat, wie die Gemeinde die Halle bzw. Teile davon an Nichtunternehmer bzw. nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer vermietet hat und insoweit nicht optieren konnte, ist nicht zu beanstanden.
Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Tatsache, dass das Finanzamt den anteiligen Vorsteuerabzug für die Herstellungskosten eines der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung stehenden Parkplatzes zugelassen hat, weil die Errichtung des Parkplatzes bzw. der darauf bestehenden Stellplätze zwingende Voraussetzung für die Baugenehmigung der Mehrzweckhalle waren.
9. Zur umsatzsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage bei sog. 0 %-Finanzierungen
Ist die Bemessungsgrundlage aus Warenverkäufen um die vom Verkäufer an ein finanzierendes Kreditinstitut entrichteten Finanzierungsentgelte zu mindern? Nein, entschied der Bundesfinanzhof. Das gilt auch dann, wenn der Unternehmer gegenüber dem Kunden angibt, dass er ihm einen Nachlass in Höhe der Zinsen gewährt.
Hintergrund
Die A betreibt einen Einzelhandel. Sie bietet ihren Kunden eine sog. 0 %-Finanzierung an, bei der die Kunden trotz Ratenzahlung insgesamt nur den Kaufpreis, den sie auch bei einer sofortigen Barzahlung entrichtet hätten, zahlen. Grundlage dieses Angebots ist eine Vereinbarung (Rahmenvertrag) zwischen der X (Muttergesellschaft der A) und einer Bank. Die Bank übernimmt die von X vermittelten Kredite. Die Darlehensverträge werden unmittelbar zwischen den Kunden (Darlehensnehmern) und der Bank geschlossen. Vermittelt A eine 0 %-Finanzierung, ist X zur Zahlung einer „Subvention“ (Finanzierungsentgelt) an die Bank verpflichtet. Dazu erfolgt die Auszahlung der Darlehensvaluta an A abzüglich der sog. Subvention.
Die Kaufverträge der A mit ihren Kunden wurden zum Barzahlungsbetrag (Kaufpreis) abgeschlossen. Über diesen Betrag erteilte A gegenüber dem Kunden eine Rechnung, in der der Nettobetrag und die darauf entfallende Umsatzsteuer ausgewiesen waren. Zusätzlich enthielt die Rechnung den Hinweis: „Als Nachlass gewähren wir die seitens der finanzierenden Bank erhobenen Zinsen. Diese belaufen sich auf … EUR. Vereinbarungsgemäß zahlen wir den als Nachlass gewährten Betrag direkt an die finanzierende Bank. Ein Anspruch auf Barauszahlung des Nachlasses besteht nicht.“
In den Abrechnungen zu den Darlehensverträgen zwischen den Kunden und der Bank wurden der Gesamtkaufpreis als Darlehensbetrag und der Jahreszins mit „eff. 0,00 %“ angegeben. Die Bank zahlte die jeweilige Darlehensvaluta gekürzt um die Subvention an die A aus.
A ging davon aus, dass die Bemessungsgrundlage um die Subvention zu kürzen war. Das Finanzamt setzte dagegen die Umsatzsteuer nach der ungekürzten Bemessungsgrundlage fest.
Dem folgte das Finanzgericht und wies die Klage ab.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof schloss sich der Entscheidung des Finanzgerichts an. Das Entgelt als Bemessungsgrundlage für die Lieferung an den Kunden war nicht um den Betrag zu mindern, um den die Bank die Auszahlung der Valuta an die A gekürzt hat.
Der vom Kunden geschuldete Kaufpreis ist die Gegenleistung für die Lieferung der A. Der Kaufpreis bzw. die ungekürzte Darlehensvaluta bildet die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung der Lieferung. Über diese Summe vereinbarte der Kunde mit der Bank das von A vermittelte Sonderzinsdarlehen mit einer Auszahlung an A zur Tilgung der Kaufpreisschuld unter Einbehalt der vereinbarten „Subvention“. Unerheblich ist, dass der Kunde den vereinbarten Kaufpreis nicht unmittelbar an A, sondern unter Einschaltung der Bank zahlte.
Der Einbehalt hat seinen Rechtsgrund nicht in dem für die Besteuerung allein maßgeblichen Rechtsverhältnis zwischen A und dem Kunden, sondern im Rechtsverhältnis zwischen A und der Bank. Der Kunde schuldete A aufgrund des Kaufvertrags den ungeminderten Barzahlungsbetrag. In diesem Betrag war kein Zins enthalten, auch wenn A dem Kunden in Kaufvertrag und Rechnung jeweils offengelegt hat, in welcher Höhe die finanzierende Bank gegenüber A Zinsen erhob bzw. die „Subvention“ einbehielt. Dieser Einbehalt hatte keinen Einfluss auf die Höhe des vom Kunden geschuldeten Kaufpreises, der auch in voller Höhe von der Bank finanziert wurde. Die Tatsache, dass A dem Kunden ein Sonderzinsdarlehen der Bank vermittelte, änderte die Bemessungsgrundlage nicht. Denn die Darlehensvermittlung als Nebenleistung stellt für den Kunden keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel dar, um die Warenlieferung der A als Hauptleistung unter optimalen Bedingungen zu erhalten.
Das gesondert zu betrachtende Leistungsverhältnis zwischen der A und der Bank berührt die Bemessungsgrundlage für die Lieferung der A an den Kunden nicht. Aufgrund des Rahmenvertrags zwischen der A und der Bank war diese bereit, dem Kunden ein Sonderzinsdarlehen einzuräumen und damit für die Bezahlung der Ware zu garantieren. Die Bank erbrachte diese Dienstleistung gegenüber der A gegen Entgelt. Dieses bestand in der vereinbarten „Subvention“, die bei Auszahlung der Darlehenssumme von der Bank einbehalten wurde. Diese von der Bank an die A erbrachte steuerfreie Finanzdienstleistung ist Teil eines anderen unabhängigen Geschäftsvorgangs. Dieser Vorgang kann die Bemessungsgrundlage des Kaufs zwischen dem Kunden und der A nicht berühren.