Inhaltsverzeichnis
Arbeitsrecht
1. Corona-Prämie für Pflegepersonal: Zu Voraussetzungen und Vererbbarkeit
Eine Pflegekraft hat auch dann Anspruch auf eine Corona-Prämie, wenn sie den vorausgesetzten Tätigkeitszeitraum von 3 Monaten krankheitsbedingt nicht zusammenhängend erbringen kann. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber die Corona-Prämie an Erben auszahlen.
Hintergrund
Die Klägerin war als Pflegekraft im Zeitraum vom 1.3.2020 bis 31.10.2020 in einer zugelassenen Pflegeeinrichtung beschäftigt. Insgesamt war sie während dieser Zeit auch 3 Monate tätig, allerdings nicht durchgehend an 90 Tagen hintereinander. Ihre Arbeitszeiten waren durch mehrere über 14 Tage andauernde Krankheitszeiten unterbrochen. Der Arbeitgeber lehnte daher die Zahlung der Corona-Prämie ab, da die Pflegekraft im Bemessungszeitraum keine 3 Monate zusammenhängend tätig gewesen war. Mit ihrer Klage vor dem Arbeitsgericht verlangte die Pflegekraft die Zahlung der Prämie. Nachdem sie kurz nach Klageerhebung verstorben war, führte ein Erbe den Rechtsstreit weiter.
Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Das Landesarbeitsgericht verurteilte die Pflegeeinrichtung zur Zahlung der Corona-Prämie an den Erben. Die 3-monatige Arbeitsleistung im Bemessungszeitraum für einen Anspruch nach § 150a SGB XI auf die Corona-Prämie muss nicht zusammenhängend erfolgen. Krankheitszeiten von mehr als 14 Tagen führten nicht dazu, dass der 3-Monatszeitraum neu zu laufen beginnt und bisherige Zeiten der Arbeitsleistung unerheblich sind. Vielmehr werden mehrere Tätigkeitszeiträume zusammengezählt.
Solange die einzelnen Tätigkeitszeiträume im Berechnungszeitraum also in der Summe 3 Monate ergeben, entfällt der Anspruch auf den Pflegebonus nicht wegen Unterbrechungen aufgrund von Krankheit. Dies war im vorliegenden Fall gegeben.
Darüber hinaus ist die Corona-Prämie vererbbar. Deshalb konnte der Erbe den Rechtsstreit nach dem Tod der Pflegekraft fortführen. Damit hat er nun Anspruch auf Zahlung der Prämie.
GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer
1. GmbH: Formerfordernisse für Vollmachten
Bei bestimmten gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen bedürfen Vollmachten einer strengeren Form. Deshalb sind z.B. bei der Gründung die Vollmachten von GmbH-Gesellschaftern häufig notariell zu beglaubigen. Auch müssen sie den Vollmachtgeber hinreichend individualisieren.
Hintergrund
Eine GmbH sollte gegründet werden. Der Gründungsgesellschafter hielt sich im Ausland auf und nahm daher den Notartermin für die Gründung nicht selbst wahr. Stattdessen erteilte er einer anderen Person die Vollmacht, ihn bei der Gründung zu vertreten. Die zugrunde liegende Vollmacht wurde notariell beglaubigt.
Das Registergericht lehnte die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister ab, weil im Beglaubigungsvermerk nur der Name des Erklärenden angegeben war. Dies reichte nicht aus, denn eine Beglaubigung muss über den Namen hinaus weitere individualisierende Angaben enthalten. Dagegen wandte sich die den Gesellschaftsvertrag beurkundende Notarin.
Entscheidung
Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ermöglichte der vorgelegte Beglaubigungsvermerk keine eindeutige Identitätsprüfung. Erforderlich gewesen wäre daneben zumindest die Angabe des Geburtsdatums und des Wohnorts. Anderenfalls kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine namensgleiche Person die Vollmacht erteilt hat.
Bei der notariellen Beglaubigung leistet der Vollmachtgeber seine Unterschrift vor einem Notar. Anders als bei der notariellen Beurkundung verliest dabei der Notar keinen Text, sondern er bescheinigt lediglich die Echtheit der Unterschrift. Damit diese Bescheinigung später vom Handelsregister akzeptiert wird, muss der Beglaubigungsvermerk den Vollmachtgeber eindeutig identifizieren. Er muss daher neben dem vollständigen Namen das Geburtsdatum und die Wohnadresse, ggf. sogar einen abweichenden Geburtsnamen des Vollmachtgebers beinhalten.
Sitzt der Vollmachtgeber im Ausland, kann er die Vollmacht entweder von einem deutschen Konsularbeamten oder von einem ausländischen Notar beglaubigen lassen. Bei der Beglaubigung durch einen ausländischen Notar ist jedoch, abhängig vom Land, eine Apostille oder Legalisation der Beglaubigung als zusätzlicher Authentizitätsnachweis erforderlich.
2. Keine Fortsetzung der GmbH nach Ablehnung des Insolvenzverfahrens
Wird der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse rechtskräftig abgelehnt, wird die GmbH aufgelöst. Dies gilt auch bei Wegfall der Insolvenzgründe.
Hintergrund
Eine GmbH stellte einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Das Insolvenzgericht wies den Antrag mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse zurück; der Beschluss wurde rechtskräftig. Die Auflösung der GmbH wurde im April 2007 in das Handelsregister eingetragen.
Am 29.5.2020 beschlossen die Gesellschafter die Sitzverlegung, die Änderung des Unternehmensgegenstands und die Fortsetzung der GmbH. Bei der Anmeldung versicherte der Liquidator, dass kein Insolvenzgrund mehr bestehe, insbesondere, dass die Verbindlichkeiten das Gesellschaftsvermögen nicht übersteigen. Er überwies der GmbH zudem einen Betrag i. H. v. 25.000 EUR mit dem Verwendungszweck “Einzahlung Stammkapital”.
Das Amtsgericht hat den Eintragungsantrag zurückgewiesen. Die hiergegen beim OLG erhobene Beschwerde blieb ohne Erfolg.
3. Steuerzahlung durch die Organgesellschaft anstelle der Organträgerin
Ob eine erloschene Abgabenschuld nach § 144 Abs. 1 InsO rückwirkend wieder aufgelebt ist, stellt eine Streitigkeit über die Verwirklichung eines Steueranspruchs dar. Deshalb kann in einem Abrechnungsbescheid festgestellt werden, ob ein solcher Anspruch des Finanzamts besteht.
Hintergrund
Die Einzelunternehmerin X war Organträgerin der Y-GmbH. Bis zum 30.6.2009 war X Geschäftsführerin der GmbH. X schuldete als Organträgerin aufgrund von Umsätzen der GmbH Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für Januar bis Juni 2009. Die Zahlungen erfolgten jedoch nicht durch die X als Steuerschuldnerin, sondern durch die GmbH unter Angabe der Steuernummer der X.
Im Jahr 2010 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Juni 2012 hat der Insolvenzverwalter gegenüber dem Finanzamt die Zahlungen der GmbH angefochten. Nachdem das Finanzamt die angefochtenen Zahlungen der GmbH auf die Umsatzsteuer für Januar bis Juni 2009 an den Insolvenzverwalter ausgekehrt hatte, forderte es von X die Zahlung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für Januar bis Juni 2009 von ca. 13.400 EUR und erließ einen Abrechnungsbescheid. In dieser Höhe waren seiner Ansicht nach Steueransprüche aufgrund der Rückgewährung an den Insolvenzverwalter nach § 144 InsO wieder aufgelebt.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof entschied, dass ein nach § 144 Abs. 1 InsO wieder auflebender Steueranspruch ein Anspruch aus einem Steuerschuldverhältnis ist. Folglich kann in einem Abrechnungsbescheid festgestellt werden, ob ein solcher Anspruch des Finanzamts besteht. Der Bundesfinanzhof hob das entgegenstehende Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück.
Eine Streitigkeit über die Frage, ob eine erloschene Abgabenschuld nach § 144 Abs. 1 InsO rückwirkend wieder aufgelebt ist, ist eine Streitigkeit über die Verwirklichung eines Steueranspruchs i. S. v. § 218 Abs. 2 AO. Bereits der Wortlaut des § 144 Abs. 1 InsO legt nahe, dass es sich bei der Forderung, die von der Rechtsfolge des § 144 Abs. 1 InsO erfasst wird, um die nämliche Forderung handelt, die aufgrund der zunächst erfolgten Leistung erloschen ist. Dafür sprechen zunächst das Wort “aufleben”, das ausdrücklich an einen früheren Zustand anknüpft, und der Zusatz “wieder”, der ebenfalls eine Rückbeziehung impliziert. Wenn es in Bezug auf den Empfänger der anfechtbaren Leistung heißt, “seine” Forderung lebe wieder auf, dann verweist diese Formulierung ebenso ausdrücklich auf die ursprüngliche, zunächst erloschene Forderung, die aufgrund der Anfechtung wieder entsteht.
Dieses Verständnis entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 144 Abs. 1 InsO, der darauf abzielt, möglichst den Zustand wieder herzustellen, der ohne die anfechtbare Rechtshandlung bestand.
Die Zahlung der Steuerschuld führt zwar regelmäßig zu ihrem Erlöschen und damit zur Beendigung dieses Steuerschuldverhältnisses. Bei Steuerfälligkeiten, die in die insolvenzreife Zeit fallen, bleibt dieses Steuerschuldverhältnis jedoch selbst bei fristgerechter Zahlung wegen der Anfechtungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters zunächst in der Schwebe. Die erfolgreiche Anfechtung und Rückgewähr nach § 143 InsO bewirkt sonach gem. § 144 InsO, dass die Steuerschuld rückwirkend wieder auflebt. Die Beendigung des Steuerschuldverhältnisses ist insoweit auflösend bedingt. Bei den Ansprüchen, die nach § 144 InsO wieder entstehen, handelt es sich folglich um die ursprünglichen Zahlungsansprüche.
Kapitalanlage & Versicherung
1. Grundstücksentnahme und Veräußerung innerhalb der 10-Jahres-Frist
Wird ein Wirtschaftsgut ohne Aufdeckung der stillen Reserven erfolgsneutral aus dem Betriebsvermögen entnommen, ist der “angesetzte” Wert i. S. d. § 23 Abs. 3 Satz 3 EStG der bis zum Zeitpunkt der Entnahme in der Bilanz bzw. im Anlagenverzeichnis erfasste Buchwert.
Hintergrund
V war Inhaber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs. Im Jahr 2007 übertrug er im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge ein Grundstück an die Geschwister A und B, ohne einen Entnahmegewinn zu erklären. Das Grundstück wurde lediglich nicht mehr als Betriebsvermögen behandelt. Der Einkommensteuer-Bescheid für V wurde bestandskräftig.
Im Jahr 2016 und damit innerhalb der 10-Jahres-Frist veräußerten A und B das Grundstück. Der Kaufpreis wurde im Juni 2017 gezahlt.
Das Finanzamt setzte im Bescheid für 2017 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften an. Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns setzte es die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers V an.
Das Finanzgericht wies die Klage ab. An die Stelle der Anschaffungskosten tritt bei Überführung in das Privatvermögen durch Entnahme der angesetzte Teilwert. Der “angesetzte Wert” entspricht im vorliegenden Fall dem Buchwert des Grundstücks im Zeitpunkt der Entnahme.
Entscheidung
Die Revision hatte ebenfalls keinen Erfolg. Der Bundesfinanzhof entschied: Wird ein Wirtschaftsgut ohne Aufdeckung der stillen Reserven erfolgsneutral aus dem Betriebsvermögen entnommen, ist der bis zum Zeitpunkt der Entnahme in der Bilanz bzw. im Anlagenverzeichnis erfasste Buchwert der “angesetzte” Wert i. S. d. § 23 Abs. 3 Satz 3 EStG.
Dies folgt bereits aus dessen Wortlaut. Danach tritt an die Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der “angesetzte” Entnahmewert. Ein Wert ist nur im Sinne der Norm “angesetzt”, wenn er einer Steuerfestsetzung zugrunde gelegen hat. Wird ein Wirtschaftsgut erfolgsneutral entnommen, entspricht der angesetzte Wert dem Buchwert im Zeitpunkt der Entnahme. Denn bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich entsteht durch die Ausbuchung des Wirtschaftsguts in Höhe des Buchwerts eine Vermögensminderung. Die Erfolgsneutralität dieser Buchung kann daher nur durch den Ansatz einer Entnahme in derselben Höhe erreicht worden sein.
§ 23 Abs. 3 EStG lässt keine Auslegung zu, einen im Zeitpunkt der Entnahme nicht der Besteuerung zugrunde gelegten Teilwert nachträglich (fiktiv) zu ermitteln und bei der Berechnung des Veräußerungsgewinns zu berücksichtigen. Derjenige, der keinen Entnahmegewinn erklärt hat, darf nach § 23 Abs. 3 EStG nicht bessergestellt sein als derjenige, der einen solchen zu niedrig erklärt hat.
Hiervon ausgehend waren die ursprünglichen Anschaffungskosten des V (11.582 EUR) bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns zu berücksichtigen. Denn V hatte das Grundstück mit einem Buchwert von 11.582 EUR im Betriebsvermögen erfasst und erfolgsneutral entnommen. Folglich ist das Grundstück mit dem Buchwert (11.582 EUR) ausgebucht und dieser Wert somit bei der Besteuerung “angesetzt” worden.
2. Verpächterwahlrecht: Auseinandersetzung der Miteigentümergemeinschaft führt zur Betriebsaufgabe
Bei einem Verpächterwahlrecht im Rahmen von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft ist Voraussetzung, dass die wesentlichen, dem Betrieb das Gepräge gebenden Wirtschaftsgüter mitverpachtet werden. Diese fehlt jedoch, wenn eine Mitunternehmerschaft nach Aufgabe ihres land- und forstwirtschaftlichen Verpachtungsbetriebs ihre wesentlichen Betriebsgrundlagen den Mitunternehmern jeweils zu Alleineigentum überträgt.
Hintergrund
Die Eheleute B unterhielten einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, den sie bis 1977 selbst bewirtschafteten und anschließend als Verpachtungsbetrieb weiterführten.
1982 übertrugen sie sämtlichen Grundbesitz ihren beiden Söhnen S1 und S2. Mit dem Tod des S2 ging sodann dessen (Mit-)Eigentum auf seine Ehefrau L über.
1996 vereinbarten S1 und L die Aufteilung des Grundbesitzes auf sie beide in 2 wertgleichen Teilen. Nachfolgend ging mit dem Tod des S1 dessen Eigentum auf K über und L übergab ihren Grundbesitz ihren beiden Töchtern (T1, T2) zu gleichen Teilen.
2005 verkaufte T2 ihren hälftigen Miteigentumsanteil an den von L erworbenen Grundstücken an T1, die damit Alleineigentümerin dieser Grundstücke wurde. Im Jahr 2006 übertrug T1 einige Grundstücke ohne Gegenleistung an ihren Ehemann R.
Das Finanzamt ging von einem Gewinn aus der Veräußerung der hälftigen Miteigentumsanteile von T2 an T1 im Jahr 2005 aus und sah in der Grundstücksübertragung im Jahr 2006 an R eine Entnahme von Teilen des Sonder-Betriebsvermögens der T1.
Das Finanzgericht gab der Klage gegen die entsprechenden Feststellungsbescheide statt. Der durch S1 und S2 nach der Übergabe im Jahr 1992 gemeinschaftlich fortgeführte Betrieb war spätestens mit der Auseinandersetzung des Grundbesitzes im Jahr 1996 aufgegeben worden.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof bestätigte die Auffassung des Finanzgerichts. 2005 bzw. 2006 bestand wegen vorausgegangener Betriebsaufgabe im Jahr 1996 keine Mitunternehmerschaft mehr.
Der landwirtschaftliche Betrieb wurde aufgrund der Auseinandersetzung spätestens im Jahr 1996 aufgegeben. S1 und L teilten die bisher in ihrem Miteigentum stehenden Grundstücke untereinander auf. Der Bundesfinanzhof konnte offenlassen, ob der Betrieb bereits mit der Übertragung des Grundbesitzes im Jahr 1982 auf S1 und S2 aufgegeben wurde. Denn spätestens mit der Auseinandersetzung unter S1 und L im Jahr 1996 wurde der landwirtschaftliche Verpachtungsbetrieb der Miteigentümergemeinschaft aufgelöst. Mit der Übertragung von der Miteigentümergemeinschaft auf die Miteigentümer hat der Betrieb seine Existenzgrundlage vollständig verloren.
Mit der Auseinandersetzung wurden auch keine Betriebe oder Teilbetriebe übertragen, die zu Buchwerten hätten weitergeführt werden können. Denn die Grundstücke stellten keine selbstständigen Untereinheiten eines Betriebs dar.
S1 und L stand nach Auflösung der Miteigentümergemeinschaft kein Verpächterwahlrecht zu. Sie übernahmen im Rahmen der Teilung der Miteigentümergemeinschaft jeweils etwa die Hälfte des Betriebsvermögens. Damit hatten weder S1 noch L die wesentlichen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens übernommen. Folglich kann nicht angenommen werden, dass der Betrieb in seinem Wesen unverändert fortbestand und als solcher von S1 oder L als Verpächter überlassen wurde.
Die Realteilung setzt voraus, dass bei der Aufgabe einer Mitunternehmerschaft durch Aufteilung des Gesellschaftsvermögens zumindest einer der Mitunternehmer die ihm bei der Aufteilung zugewiesene Wirtschaftsgüter in ein anderes Betriebsvermögen überführt. Daran fehlt es hier. Die Flurstücke wurden nicht in ein Betriebsvermögen von S1 oder L übertragen. Sie legten sie weder in einen neu eröffneten noch in einen bestehenden Betrieb ein.
Schließlich führt die nach der Betriebsaufgabe lediglich noch vorliegende bloße Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen nicht zu land- und forstwirtschaftlichem Betriebsvermögen des Verpächters. Dieser erzielt vielmehr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, nicht aus Land- und Forstwirtschaft.
Lohn und Gehalt
1. Arbeitgeberhaftung für die Lohnsteuer nur unter strengen Voraussetzungen
Ist bei Arbeitnehmern, die namentlich bekannt sind, der Lohnsteuerabzug unterblieben, wurden die entsprechenden Einkünfte aber vollständig und ordnungsgemäß, wenn auch fälschlicherweise im Rahmen einer unzutreffenden Einkunftsart, zur Einkommensteuer veranlagt, darf das Finanzamt den Arbeitgeber nicht in Haftung nehmen.
Hintergrund
Das Finanzamt stellte bei der Klägerin, einer GmbH, fest, dass im Zeitraum August 2011 bis Juli 2014 Lohnzahlungen nicht als Arbeitslohn versteuert worden waren. Das Finanzamt erließ daraufhin mehrere Haftungsbescheide gegenüber der GmbH.
Die Klägerin argumentierte dagegen, dass die vom Finanzamt als Arbeitnehmer angesehenen Personen selbstständige Subunternehmer waren. Auch wurde das Auswahlermessen deshalb fehlerhaft ausgeübt, weil die als vermeintliche Arbeitnehmer bezeichneten Personen nicht in das Auswahlermessen einbezogen wurden, obwohl die Personen dem Finanzamt bekannt waren.
Entscheidung
Das Finanzgericht hat die angefochtenen Haftungsbescheide aufgehoben. Es bedurfte vorliegend keiner Entscheidung der Frage, ob und in welchem Umfang die Haftungsvoraussetzungen gegeben sind. Denn die Haftungsbescheide waren schon deshalb rechtswidrig, weil das Finanzamt vom bei der Inhaftungnahme des Arbeitgebers im Fall des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen bestehenden Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht habe.
Soweit Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Gesamtschuldner für die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers als einer Vorauszahlungssteuer für die Einkommensteuer einstehen müssen, steht dem Betriebsstättenfinanzamt ein Auswahl- und Entschließungsermessen zu. Dabei betrifft das Entschließungsermessen die Frage, ob nicht einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer geltend gemacht werden soll. Im Rahmen des Auswahlermessens ist zu entscheiden, wer von mehreren Personen, die nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis schulden oder für sie haften würden, in Anspruch genommen wird.
Steht bei namentlich bekannten Arbeitnehmern leicht überprüfbar und sicher fest, dass sie mit den Einkünften, hinsichtlich derer der Lohnsteuerabzug unterblieben ist, vollständig und ordnungsgemäß – wenn auch fälschlicherweise im Rahmen einer unzutreffenden Einkunftsart – zur Einkommensteuer veranlagt wurden, ist der Arbeitgeber nicht in Haftung zu nehmen.
Kann die Lohnsteuer vom Betriebsstättenfinanzamt bei den Arbeitnehmern als Steuerschuldnern noch erhoben werden, ist der Arbeitgeber nachrangig heranzuziehen, wenn wenige namentlich feststehende Arbeitnehmer betroffen sind und deren Einkünfte wahrscheinlich unter der steuerpflichtigen Grenze liegen werden.
Grundlage für eine ordnungsgemäße Ausübung des Entschließungs- und Auswahlermessens ist, dass die Finanzbehörde die ermessensrelevanten Umstände zutreffend ermittelt hat. Geht sie von falschen Tatsachen aus oder hat sie ermessensrelevante Gesichtspunkte, obwohl das möglich war, nicht festgestellt, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor. Die ist hier der Fall gewesen.
2. Haftung der GmbH-Geschäftsführerin für pauschalierte Lohnsteuer
Bei der pauschalierten Lohnsteuer handelt es sich um die durch die Tatbestandsverwirklichung des Arbeitnehmers entstandene und vom Arbeitgeber lediglich übernommene Lohnsteuer. Es liegt keine Unternehmenssteuer eigener Art vor (Änderung der Rechtsprechung).
Hintergrund
Die X war alleinige Geschäftsführerin einer GmbH. Bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei der GmbH für 2015 bis 2017 wurde festgestellt, dass für die private Nutzung eines Firmen-Kfz und für an die Arbeitnehmer erstattete Verpflegungsmehraufwendungen keine Lohnsteuer einbehalten und abgeführt wurde. Das Finanzamt führte eine pauschale Nachversteuerung durch und setzte mit Nachforderungsbescheid im Jahr 2018 pauschale Lohnsteuer fest. Auch wurden von der GmbH für die Anmeldezeiträume 12/2017 und 1/2018 Lohnsteuer zwar angemeldet, aber (teilweise) nicht abgeführt. Bereits im Dezember 2017 war für die GmbH ein Insolvenzantrag gestellt worden.
Nachdem die Forderungen von der GmbH nicht beigetrieben werden konnten, nahm das Finanzamt die X als Geschäftsführerin mit Haftungsbescheiden in Anspruch, und zwar für die pauschale Lohnsteuer nach der Außenprüfung und für die individuelle Lohnsteuer 12/2017 und 1/2018.
Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg. Für die individuelle Lohnsteuer 12/2017 und 1/2018 war X durch den Insolvenzantrag nicht entschuldigt, auch nicht für die pauschale Lohnsteuer. X hätte die Lohnsteuer-Abzugsbeträge in die monatlichen Lohnsteuer-Anmeldungen 2015 bis 2017 aufnehmen müssen. Denn Bezugspunkt der Haftung bleibt auch hier der Zeitpunkt des Zuflusses des Arbeitslohns.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof bestätigte die Auffassung des Finanzgerichts und entschied, dass sowohl für die individuelle als auch für die pauschalierte Lohnsteuer sich die Frage der Pflichtverletzung nach der Entstehung der Steuer und somit nach dem Zeitpunkt des Zuflusses richtet.
Zahlungsschwierigkeiten der GmbH schließen das Verschulden des Geschäftsführers bei Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH nicht aus. Reichen die zur Verfügung stehenden Mittel zur Lohnzahlung nicht aus, darf der Geschäftsführer die Löhne nur gekürzt auszahlen und muss die auf die gekürzten Löhne entfallende Lohnsteuer an das Finanzamt abführen.
Entgegen der Ansicht der X kommt es bei der pauschalierten Lohnsteuer nicht auf den Fälligkeitszeitpunkt laut Nachforderungsbescheid (12.4.2018) an, sondern auf die Pflichtverletzung durch Nichtanmeldung und Nichtabführung der Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten in 2015 bis 2017. Bei der pauschalen Lohnsteuer handelt es sich um eine von der Steuer des Arbeitnehmers abgeleitete Steuer. Die Steuerschuldnerschaft des Arbeitgebers ist lediglich steuertechnischer (formeller) Art.
Der Bundesfinanzhof hatte bisher vertreten, die Pflichtverletzung und das Verschulden des Haftungsschuldners richte sich bei Lohnsteuer-Pauschalierung nach dem Zeitpunkt der Fälligkeit der pauschalen Lohnsteuer und nicht nach dem Zeitpunkt der Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer. Hieran hält der Bundesfinanzhof nicht fest. Denn die pauschale Lohnsteuer entsteht durch den Zufluss beim Arbeitnehmer und wird vom Arbeitgeber lediglich übernommen. Hiervon ausgehend ist von einer schuldhaften Pflichtverletzung der X auszugehen, da sie die Lohnabzugsbeträge in den Jahren 2015 bis 2017 nicht angemeldet und abgeführt hat.
Durch den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (21.12.2017) war die X rechtlich nicht gehindert, die Lohnsteuer für 12/2017 abzuführen. Denn allein der Antrag schränkt den Geschäftsführer in seiner Verfügungsbefugnis nicht ein. Für 1/2018 (Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters am 1.2.2018) hat X nicht substantiiert dargelegt, welche Schritte sie zur Zahlung der Steuer am Fälligkeitstag eingeleitet hatte.
Private Immobilienbesitzer
1. Wohnungseigentum: Von wem die Erstattung verauslagter Beträge verlangt werden kann
Ein Wohnungseigentümer, der Verbindlichkeiten der Wohnungseigentümergemeinschaft tilgt, kann nur von der Gemeinschaft eine Kostenerstattung verlangen und nicht direkt von anderen Eigentümern. Das gilt auch dann, wenn der Eigentümer aus der Gemeinschaft ausgeschieden ist oder es sich um eine Zweiergemeinschaft handelt.
Hintergrund
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft bestand aus 2 Einheiten, einen Verwalter gab es nicht. Beide Eigentümer zahlten immer wieder Schulden der Gemeinschaft und forderten vom jeweils anderen Eigentümer eine Kostenerstattung gemäß dessen Miteigentumsanteil.
Nachdem einer der beiden Miteigentümer seine Einheit verkauft hatte, verlangte der verbliebene Eigentümer mehr als 7.000 EUR. Der ausgeschiedene Eigentümer rechnete mit Erstattungsansprüchen i. H. v. 4.100 EUR auf.
Entscheidung
Der Bundesgerichtshof entschied, dass dem ausgeschiedenen Miteigentümer kein unmittelbarer Anspruch auf Aufwendungsersatz gegen den verbliebenen Eigentümer zustand. Einem einzelnen Wohnungseigentümer, der eine Verbindlichkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft tilgt, steht nur gegenüber dieser ein Aufwendungsersatzanspruch zu. Da der in Vorlage tretende Wohnungseigentümer für die Gemeinschaft tätig wird und sie von ihrer Schuld befreit, ergibt sich ein Erstattungsanspruch gegen die übrigen Wohnungseigentümer weder aus den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag noch aus Bereicherungsrecht.
Zwar haften einzelne Wohnungseigentümer für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft in Höhe ihres Miteigentumsanteils auch persönlich. Das gilt aber nicht für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft gegenüber einem anderen Wohnungseigentümer, wenn es sich um Ansprüche handelt, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis herrühren (sog. Sozialverbindlichkeiten). Hierzu gehören auch Aufwendungsersatzansprüche wegen der Tilgung einer Verbindlichkeit der Gemeinschaft.
Die alleinige Haftung der Gemeinschaft besteht unabhängig davon, ob eine Befriedigung aus dem Gemeinschaftsvermögen zu erwarten ist oder nicht. Dies gilt auch in einer Zweiergemeinschaft, in der ein Verwalter nicht bestellt ist und in der wegen des Kopfstimmrechts keine Mehrheitsbeschlüsse möglich sind.
Deshalb kann der ausgeschiedene Eigentümer allein von der Gemeinschaft die anteilige Erstattung seiner Aufwendungen verlangen.
Der verbliebene Eigentümer haftet auch nicht deshalb unmittelbar, weil der ausgeschiedene Eigentümer nicht mehr Mitglied der Gemeinschaft ist. Der während seiner Zugehörigkeit zur Wohnungseigentümergemeinschaft entstandene Erstattungsanspruch bleibt trotzdem eine Sozialverbindlichkeit.
Sonstige Steuern
1. Energiesteuer: Asphaltmischgut zählt als Ware aus Asphalt
Die Verwendung von Kohle als Heizstoff zur Herstellung von Asphaltmischgut ist gemäß Energiesteuergesetz steuerfrei. Denn bei Asphaltmischgut handelt es sich um eine Ware aus Asphalt.
Hintergrund
Die X betreibt ein Asphaltmischwerk. Dort werden Mineralmischungen aus Kies, Sand oder Splitt in einer Trockentrommel, die mit einer Kombinationsfeuerungseinrichtung für Braunkohlestaub und Heizöl beheizt wird, getrocknet und erhitzt. Dem erhitzten Mineralgemisch wird Asphaltgranulat hinzugegeben, das als Ausbauasphalt im Straßenbau gewonnen und wiederverwendet wird. Abschließend wird dem Mineralgemisch Bitumen als Bindemittel beigefügt.
Das Hauptzollamt erteilte der X im Jahr 2007 unter Widerrufsvorbehalt die Erlaubnis, Kohle als Heizstoff für Prozesse und Verfahren nach dem Energiesteuergesetz zur Herstellung von Asphalt zu verwenden.
Im Jahr 2018 widerrief das Hauptzollamt die Erlaubnis, weil die X keine Waren aus Asphalt, sondern lediglich Asphalt herstelle. Die Herstellung von Asphalt sei kein nach dem Energiesteuergesetz begünstigter Prozess.
Die Klage vor dem Finanzgericht hatte Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass das Verheizen des Braunkohlestaubs zum Trocknen, Erwärmen und Warmhalten der Mineralmischungen in der Trockentrommel stelle einen begünstigten Prozess dar. Dass die X den Braunkohlestaub nur für das Beheizen der Trockentrommel verwendet habe, stehe der Anwendung der Begünstigung nicht entgegen.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof folgt dem Finanzgericht und entschied, dass es sich bei Asphaltmischgut um eine Ware aus Asphalt im Sinne des Energiesteuergesetzes handelt.
Nach der aktuellen Gesetzesfassung wird eine Steuerentlastung für die Herstellung von … Waren aus Asphalt … gewährt. Nach der vorherigen Fassung betrifft die Steuerentlastung die Herstellung von … Asphalt … Diese Änderung im Wortlaut ist nicht als bloße Klarstellung, sondern als Gesetzesänderung zu verstehen. In der Vorschrift wird auch an anderer Stelle ausdrücklich zwischen Waren und Erzeugnissen sowie entlastungsfähigen Produktionsprozessen unterschieden, die nicht an die Waren- oder Erzeugniseigenschaft anknüpfen. Diesem Kriterium kommt daher maßgebliche Bedeutung zu.
Bei Asphaltmischgut handelt es sich um eine Ware aus Asphalt im Sinne des Energiesteuergesetzes. Daher ist das von der X hergestellte Asphaltmischgut eine Ware aus Asphalt im Sinne der NACE-Klasse DI 26.82 (Herstellung von sonstigen Erzeugnissen aus nicht metallischen Mineralien, a.n.g.).
Hiervon ausgehend hat das Hauptzollamt die erteilte Erlaubnis zur steuerfreien Verwendung von Kohle als Heizstoff für die Herstellung von Asphalt zu Unrecht widerrufen, weil diese rechtmäßig war und auch nicht aufgrund des Widerrufsvorbehalts widerrufen werden durfte.
2. Erbschaftsteuer: Auch angemessene Kosten einer Zweitbestattung sind zu berücksichtigen
Ob ein Grabdenkmal angemessen ist, richtet sich neben dem Umfang des Nachlasses nach der Lebensstellung des Erblassers. Entscheidend ist vor allem, was nach den in den Kreisen des Erblassers herrschenden Auffassungen und Gebräuchen zu einer würdigen Bestattung gehört.
Hintergrund
X ist Alleinerbe seines verstorbenen Bruders (Erblasser). Der Erblasser wurde im Jahr 2017 in einem herkömmlichen Grab bestattet. Die Kosten für das Grabdenkmal dieser Erstbestattung betrugen 9.300 EUR. Im Jahr 2019 ließ X für 420.000 EUR ein Mausoleum im Heimatland des Erblassers (Zweitbestattung) errichten und machte den Betrag als Nachlassverbindlichkeit geltend.
Das Finanzamt ließ lediglich die Kosten für das Grabmal der Erstbestattung (9.300 EUR) zum Abzug zu. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Finanzamt im Wesentlichen mit der Begründung ab, nur die Kosten der Erstanlage einer Grabstätte könnten abgezogen werden.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof entschied dagegen, dass auch die Kosten einer Zweitbestattung berücksichtigt werden können, wenn die erste Ruhestätte lediglich temporären Charakter hatte.
Aus dem von X im Jahr 2019 abgeschlossenen Vertrag zur Errichtung des Mausoleums ergibt sich keine Verpflichtung i. S. d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG. Der entsprechende Vertrag wurde erst 2 Jahre nach dem Tod des Erblassers geschlossen. Die aus diesem Vertrag resultierenden Verbindlichkeiten rühren daher nicht mehr vom Erblasser her.
Eine Verpflichtung des X aus einem vermeintlichen Auftragsverhältnis gegenüber dem Erblasser oder einer Geschäftsführung ohne Auftrag ist aus Rechtsgründen nicht denkbar. Denn mit dem Tod des Erblassers sind Auftraggeber und Auftragnehmer in der Person des X zusammengefallen. Damit war dem X die notwendige Tätigkeit im fremden Interesse (Fremdgeschäftsführungswille) nicht mehr möglich.
Grundsätzlich zählen nur die Aufwendungen für das zeitlich zuerst errichtete Grabdenkmal zu den nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG abziehbaren Kosten. Aufwendungen nach Errichten eines ersten Grabdenkmals sind weder zivilrechtlich vom Erben zu tragen noch handelt es sich sozialrechtlich um Bestattungskosten.
Anders kann es sein, wenn aufgrund äußerer Umstände oder des Willens des Verstorbenen dieser zunächst im Sinne einer Zwischenlösung bestattet wird und später Kosten für eine zweite (endgültige) Grabstätte entstehen. Voraussetzung für die Berücksichtigung ist jedoch, dass bereits bei Errichtung des ersten Grabdenkmals dieses offensichtlich nur als provisorische Übergangslösung angelegt war.
Die Angemessenheit bestimmt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls. Entscheidend ist, was nach den in den Kreisen des Erblassers herrschenden Auffassungen und Gebräuchen zu einer würdigen Bestattung gehört. Dabei ist auch die Höhe des Nachlasses zu berücksichtigen (im Streitfall 550.000 EUR).
Ergibt die Würdigung, dass die nachgewiesenen Kosten für ein Grabdenkmal die Angemessenheit übersteigen, ist der Abzug auf den Teil beschränkt, der den angemessenen Kosten entspricht.
Hiervon ausgehend hat das Finanzgericht insbesondere festzustellen, ob sich die Erstgrabstätte lediglich als Provisorium dargestellt hat. Ferner müssen Nachweise für die tatsächliche Errichtung des zweiten Grabdenkmals sowie die Zahlung der behaupteten Aufwendungen vorliegen. Sollten diese Voraussetzungen zu bejahen sein, ist über die Angemessenheit des Aufwands für die Zweitgrabstätte zu befinden. Möglicherweise sind die Kosten auf ein angemessenes Maß zu reduzieren.
Steuerrecht Privatvermögen
1. Kindergeld für ein behindertes Kind: Wie wirkt sich die Auszahlung einer Lebensversicherung aus?
Wird eine Lebensversicherung an ein behindertes Kind ausgezahlt, ist zu unterscheiden: Zu den Bezügen des Kindes gehört der Anteil der Kapitalleistung einer Rentenversicherung mit Gewinnbeteiligung, der von der Versicherungsgesellschaft erwirtschaftet wurde. Bei dem Teil der Auszahlung, der auf angesparten Beiträgen beruht, handelt es sich dagegen um Vermögen.
Hintergrund
Die Mutter M bezog für ihren 1964 geborenen Sohn S Kindergeld. Dieser ist seit seiner Geburt behindert. Er erhielt im Streitzeitraum Juli bis November 2019 u.a. eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Seit 1983 war S Versicherungsnehmer und versicherte Person eines Rentenversicherungsvertrags mit Gewinnbeteiligung. Die Beitragszahlungspflicht endete zum 1.6.2019. Zu diesem Zeitpunkt erhielt S statt einer monatlichen Rente eine einmalige Kapitalleistung aus der Versicherung von 77.000 EUR.
Im Hinblick auf die Kapitalauszahlung hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab 1.7.2019 auf. Denn S war damit in der Lage, seinen Lebensunterhalt selbst zu finanzieren.
Das Finanzgericht gab der Klage statt, da S aufgrund seiner Behinderung nach wie vor außerstande gewesen war, sich selbst zu unterhalten. Die Kapitalleistung aus der Versicherung änderte hieran nichts.
Entscheidung
Auf die Revision der Familienkasse hob der Bundesfinanzhof das Finanzgerichtsurteil auf und verwies den Fall an das Finanzgericht zurück. Bei der Auszahlung der Beträge, die das Kind oder der Kindergeldberechtigte zuvor angespart haben, handelt es sich um eine reine Umschichtung von Vermögen. Dagegen sind die Beträge, die die Versicherung erwirtschaftet hat, bei der Selbstunterhaltsfähigkeit zu berücksichtigende Bezüge, vergleichbar mit Zinsen, die eine Bank mit Sparguthaben erwirtschaftet.
Die Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ist anhand eines Vergleichs des existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits zu prüfen. Zu den finanziellen Mitteln des behinderten volljährigen Kindes gehören seine Einkünfte und Bezüge, d.h. alle Mittel, die zur Deckung seines Lebensunterhalts geeignet und bestimmt sind und ihm im maßgeblichen Zeitraum zufließen.
Nicht dazu gehört jedoch sein Vermögen. Das Vermögen des behinderten Kindes gehört nicht zu den finanziellen Mitteln, die es für den Selbstunterhalt einzusetzen hat. Während Einkünfte und Bezüge im Grundsatz alle finanziellen Mittel sind, die jemandem im maßgeblichen Zeitraum zusätzlich zufließen, die er also wertmäßig dazu erhält, ist Vermögen das, was er vor diesem Zeitraum bereits hatte.
Zahlungen auf eine bestehende Forderung nehmen allerdings eine Sonderstellung ein. Obwohl sie eine Vermögensumschichtung beinhalten, soweit durch die Zahlung eine Forderung erlischt, werden sie nicht stets als reine Vermögensumschichtung behandelt. Andernfalls wären alle Zahlungen, auf die das behinderte Kind einen Anspruch hat, als Vermögensumschichtungen zu behandeln und nicht als Einkünfte und Bezüge anzusetzen. Das wäre mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar.
Hiervon ausgehend ist das Finanzgericht fälschlich davon ausgegangen, dass die Zahlung der Versicherung insgesamt eine reine Vermögensumschichtung darstellt. Denn nur bei den Beträgen, die das Kind zuvor angespart hat, handelt es sich um die Auszahlung von Vermögen. Dagegen handelt es sich bei den Beträgen, die die Versicherung erwirtschaftet hat, um bei der Selbstunterhaltsfähigkeit zu berücksichtigende Bezüge, vergleichbar mit Zinsen. Dass S einen Anspruch auf die Versicherungssumme hatte, der durch Auszahlung erloschen ist, ist als Vermögensumschichtung irrelevant.
Das Finanzgericht muss ermitteln, in welchem Umfang dem Kind ein erwirtschafteter Bezug zugeflossen ist. Dabei ist der Sparanteil, der sich aus den eingezahlten Beträgen speist, von der Versicherungssumme abzuziehen. Hierbei handelt es sich nach den Grundsätzen des abgekürzten Zahlungswegs um Sparleistungen des S, auch wenn die Beträge von der M an die Versicherung überwiesen wurden.
2. Nach Unfall langfristig erkranktes Kind: Wann gibt es Kindergeld?
Ist ein Kind wegen eines Unfalls langfristig erkrankt, scheidet eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung wegen Berufsausbildung aus, wenn weitere Ausbildungsmaßnahmen unterbleiben. Das gilt auch bei einem fortbestehenden Ausbildungsverhältnis.
Hintergrund
Sohn S hatte im August 2015 eine Ausbildung begonnen, die nach dem Ausbildungsvertrag zum Januar 2019 enden sollte.
Im September 2018 erlitt S einen schweren Unfall. Er befand sich von September bis November 2018 in stationärer Behandlung. Danach durchlief er verschiedene Reha-Maßnahmen, deren letzte 17 Monate nach dem Unfall begann. Das Ausbildungsverhältnis bestand weiter. Nach einer ärztlichen Bescheinigung vom Januar 2019 war das Ende der Erkrankung nicht absehbar.
Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung für Oktober bis Dezember 2018 auf und lehnte die Gewährung ab Januar 2019 ab.
Das Finanzgericht sprach Kindergeld für die ersten 8 Monate nach dem Unfall zu (Oktober 2018 bis Mai 2019), denn S war weiterhin als Kind in Berufsausbildung zu berücksichtigen.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht zurück. Eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung wegen Ausbildung scheidet aus, wenn die Erkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate andauern wird. Es kommt dann aber eine Berücksichtigung wegen Behinderung in Betracht.
In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Allein das formale Bestehen eines Ausbildungsverhältnisses genügt nicht, solange es an ernsthaften und nachhaltigen Ausbildungsmaßnahmen fehlt.
Hiervon ist allerdings eine Ausnahme anerkannt, wenn die Ausbildung infolge einer Erkrankung unterbrochen wird. Dafür ist jedoch erforderlich, dass das Kind einen Ausbildungsplatz hat und ausbildungswillig ist. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt, da der Ausbildungsvertrag fortbestand und S weiterhin ausbildungswillig war.
Die Unterbrechung der Ausbildungsmaßnahmen im Rahmen des fortbestehenden Ausbildungsverhältnisses steht der Berücksichtigung als in Ausbildung befindliches Kind aber nur dann nicht entgegen, wenn die Erkrankung nur vorübergehend ist.
Das Erfordernis einer nur vorübergehenden Krankheit ergibt sich aus der Abgrenzung der von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG erfassten Fälle (Berufsausbildung) von den unter § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG fallenden Fällen (Behinderung). Die Berücksichtigung als behindertes Kind erfordert eine mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate dauernde Beeinträchtigung.
Unterbleiben Ausbildungsmaßnahmen wegen einer Erkrankung, darf die gesundheitliche Beeinträchtigung daher nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate andauern, wenn das Kind weiter unter dem Gesichtspunkt der Ausbildung berücksichtigt werden soll. Dabei ist nicht die seit Beginn der Erkrankung tatsächlich verstrichene Zeit maßgebend, sondern die ihrer Art nach zu erwartender Dauer der Funktionsbeeinträchtigung. Zur Beurteilung dieser Frage ist eine Prognose zur (weiteren) Entwicklung der Funktionsbeeinträchtigung zu stellen.
Das Finanzgericht hat nicht festgestellt, ob eine 6 Monate übersteigende Erkrankungsdauer bereits in den ersten Monaten nach der Erkrankung erwartet wurde. Falls zunächst eine schnellere Genesung als möglich erschien, könnte S angesichts des fortbestehenden Ausbildungsverhältnisses bis dahin weiter als Kind in Berufsausbildung berücksichtigt werden.
Für den Zeitraum, in dem wegen des erwarteten längeren Heilungsprozesses eine Berücksichtigung wegen Ausbildung nicht in Betracht kommt, ist zu prüfen, in welchen Monaten S behinderungsbedingt außerstande war, sich selbst zu unterhalten und deshalb als behindertes Kind zu berücksichtigen ist.
Steuerrecht Unternehmer
1. Anwaltlicher AdV-Antrag: Ein Telefax genügt den Anforderungen nicht
Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, müssen als elektronisches Dokument übermittelt werden. Deshalb genügt die Übersendung per Telefax grundsätzlich nicht.
Hintergrund
Die anwaltlich vertretene Antragstellerin stritt mit dem Finanzamt im Einspruchsverfahren über die Höhe eines Verspätungszuschlags. Nachdem das Finanzamt den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) abgelehnt hatte, stellte der Prozessbevollmächtigte am 22.1.2022 per Telefax einen Antrag auf AdV beim Finanzgericht.
Entscheidung
Das Finanzgericht wies den Antrag auf AdV als unzulässig zurück. Denn er war nicht als elektronisches Dokument übermittelt worden. Seit dem 1.1.2022 ist vorgeschrieben, dass durch einen Rechtsanwalt schriftlich einzureichende Anträge als elektronisches Dokument zu übermitteln sind. Diesen Anforderungen genügt ein Telefax nicht, und zwar unabhängig davon, ob es über das Telefonnetz oder als Computerfax versandt wird.
Selbst wenn dies anders wäre, wäre das Telefax aber jedenfalls nicht gemäß den Anforderungen übermittelt worden, die das Gesetz an die Übermittlung elektronischer Dokumente stellt. Denn das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Die sicheren Übermittlungswege sind im Gesetz abschließend aufgezählt. Hierunter fallen insbesondere das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA), nicht aber ein Telefax.
Zwar ist eine Ersatzeinreichung für Fälle vorgesehen, in denen eine elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Dabei ist es gleichgültig, ob die Ursache dafür, dass die elektronische Übermittlung nicht möglich ist, in der Sphäre des Gerichts oder des Bevollmächtigten liegt.
Bei den technischen Gründen muss es sich jedoch um einen vorübergehenden Ausfall handeln. Ein dauerhafter Ausfall der technischen Voraussetzungen bei dem Vertreter rechtfertigt keine Ersatzeinreichung.
2. Anzahlungsrechnungen und Vorsteuerabzug: Welche Belege erforderlich sind
Einem Antrag auf Vorsteuervergütung sind bestimmte Belege beizufügen, manche gleich, manche auch erst später. Legt der Steuerpflichtige einem fristgerecht eingereichten Vorsteuervergütungsantrag nur die Schlussrechnung bei, können die dazugehörigen Anzahlungsrechnungen deshalb noch nach Fristablauf nachgereicht werden.
Hintergrund
Die Klägerin ist eine in Österreich ansässige Maschinenbaugesellschaft. Sie stellte im Juni 2018 beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) einen Vorsteuervergütungsantrag für den Zeitraum Januar bis Dezember 2017. Dieser enthielt auch 2 Schlussrechnungen, mit denen unter Berücksichtigung von bereits geleisteten Abschlagszahlungen jeweils noch eine Restzahlung abgerechnet wurde. In der Einzelaufstellung der Rechnungen (Anlage zum Vergütungsantrag) waren lediglich die Rechnungsangaben der beiden Schlussrechnungen aufgeführt und nur diese, nicht jedoch die bereits zuvor zwischen Mai und August 2017 erteilten Anzahlungsrechnungen, wurden in elektronischer Form beim BZSt eingereicht.
Das BZSt gewährte die Vorsteuervergütung nur in Höhe der sich aus den Schlussrechnungen ergebenden Restzahlungen, nicht jedoch bezüglich der bereits in den Anzahlungsrechnungen ausgewiesenen Vorsteuerbeträgen. Im Laufe des nachfolgenden Einspruchsverfahrens wurden die Anzahlungsrechnungen nachgereicht. Das BZSt verweigerte allerdings nach wie vor den Vorsteuerabzug aus den Anzahlungsrechnungen.
Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht begründete sein Urteil damit, dass zwar bei Anzahlungsrechnungen ein Vorsteuerabzug grundsätzlich nur aufgrund dieser Rechnungen und nicht aufgrund der späteren End- bzw. Schlussrechnungen möglich ist. Im vorliegenden Fall war jedoch auf die Anzahlungsrechnungen in den Schlussrechnungen, die im Antrag aufgelistet waren, Bezug genommen worden.
Die Nachreichung von Anzahlungsrechnungen ist insbesondere nach der neueren EuGH-Rechtsprechung einer Ergänzung der zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnungen bzw. einer Ergänzung von Rechnungsangaben durch Übermittlung zusätzlicher Informationen gleichzusetzen. Ebenso ist zu beachten, dass die Frist zur Vorlage zusätzlicher Informationen keine Ausschlussfrist ist. Außerdem liegt keine unzulässige Zusammenfassung von mehreren Rechnungen in einer Antragsposition vor, da es um inhaltlich zusammengehörende Rechnungen geht. Denn in den Schlussrechnungen wird auf die entsprechenden Anzahlungsrechnungen ausreichend Bezug genommen.
3. Leistungen Heilerziehungspfleger: Eingliederungshilfe umsatzsteuerfrei?
Honorare für eine Tätigkeit als Heilerziehungspfleger im Rahmen der Eingliederungshilfe sind nicht von der Umsatzsteuer befreit, wenn die Betreuten sie aus ihren persönlichen Budgets bezahlen.
Hintergrund
Der Kläger war als staatlich anerkannte Heilerziehungspfleger im Bereich der Eingliederungshilfe sozialpädagogischer Unterstützungsleistungen im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens tätig. Die Beauftragung erfolgte durch die betreuten Personen. Diese beglichen seine Honorarrechnungen aus ihren persönlichen Budgets. Das Finanzamt ist der Auffassung, dass diese Umsätze nicht umsatzsteuerfrei sind.
Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass die Umsätze des Klägers nicht umsatzsteuerfrei sind. Steuerbefreit sind die Leistungen der Einrichtungen, mit denen eine Vereinbarung nach § 123 SGB IX oder § 76 SGB XII besteht. Nach § 123 Abs. 1 SGB IX darf der Träger der Eingliederungshilfe Leistungen der Eingliederungshilfe grundsätzlich nur dann bewilligen, wenn eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Träger des Leistungserbringers und dem für den Ort der Leistungserbringung zuständigen Träger der Eingliederungshilfe besteht.
Unstreitig hat der Kläger seine Leistungen auf der Grundlage von Aufträgen der Betreuten erbracht. Ein unmittelbares Vertragsverhältnis mit dem Träger der Eingliederungshilfe bestand jedoch nicht.
Auch gab es keine Vereinbarungen i. S. d. § 76 SGB XII mit dem zuständigen örtlichen Träger der Sozialhilfe. Dass der Landkreis als örtlicher Träger der Eingliederungs- oder Sozialhilfe die Honorarforderungen des Klägers beglichen hat, führt zu keinem anderen Ergebnis, weil dabei der Anspruch der Betreuten aus ihrem persönlichen Budget gemindert, somit nur der Zahlungsweg abgekürzt wurde. Schon aus diesem Grund scheidet eine Steuerbefreiung der Umsätze des Klägers aus.
Die Beschränkung der Umsatzsteuerfreiheit für Eingliederungsleistungen auf solche, mit denen die dort aufgeführten Vereinbarungen bestehen, ist unionsrechtskonform. Eine über den Anwendungsbereich der nationalen Vorschrift hinausgehende Steuerfreiheit unter Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL ist nicht geboten.
4. Sind Leistungen im Zusammenhang mit betreutem Wohnen umsatzsteuerfrei?
Manche Pflegeheime bieten auch Leistungen im Zusammenhang mit betreutem Wohnen an. Die an hilfsbedürftige Bewohner erbrachten Betreuungsleistungen einer Seniorenresidenz sind eng mit der Sozialfürsorge verbundene Leistungen und deshalb von der Umsatzsteuer befreit.
Hintergrund
Die Klägerin betreibt eine Seniorenresidenz mit einem Pflegeheim und 7 betreuten Wohnungen. Sie erbringt Leistungen der Kurzzeitpflege und der vollstationären Pflege an Pflegebedürftige i. S. d. SGB XI. In den Jahren 2009 bis 2014 entfielen nicht mehr als 10 % der gesamten Belegungstage auf die Bewohner des betreuten Wohnens und des Pflegeheims mit anerkannter Pflegestufe 0. Nach Auffassung des Finanzamts sind die Leistungen des betreuten Wohnens (mit Ausnahme der Vermietung) nicht umsatzsteuerfrei.
Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass die Leistungen des betreuten Wohnens grundsätzlich umsatzsteuerfrei sind – mit Ausnahme des bereitgestellten Telefonanschlusses. Nach dem in den Jahren 2009 bis 2014 geltenden § 4 Nr. 16 UStG sind die eng mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen verbundenen Leistungen steuerfrei, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Einrichtungen i. S. d. § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. b)- k) UStG (mit Wirkung vom 1.7.2013: bis Buchst. l)) erbracht werden.
Leistungen i. S. d. Satzes 1, die von Einrichtungen nach den Buchst. b)- k) bzw. l) erbracht werden, sind befreit, soweit es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, auf die sich die Anerkennung, der Vertrag oder die Vereinbarung nach Sozialrecht oder die Vergütung jeweils bezieht.
Hilfsbedürftig sind Personen, die aufgrund ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands der Betreuung und Pflege bedürfen, weil sie krank, behindert oder von einer Behinderung bedroht sind. Dies erfordert einen Grundpflegebedarf bzw. Bedarf nach Haushaltshilfe oder eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz. Insoweit hat die Klägerin für die Bewohner eine Hilfsbedürftigkeit in den Streitjahren hinreichend dargelegt.
Zu den nach § 4 Nr. 16 UStG begünstigten für die Sozialfürsorge unerlässlichen Leistungen gehören insbesondere die ambulante Pflege, die hauswirtschaftliche Versorgung, das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, das Waschen der Kleidung, die Gestellung einer Haushaltshilfe, Betreuungsleistungen und die Bereitstellung eines Haus-Notruf-Dienstes. Deshalb zählen die in einem Heim für betreutes Wohnen erbrachten Leistungen grundsätzlich zu den eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Leistungen.
Die Klägerin ist durch die an die hilfsbedürftigen Bewohner erbrachten Leistungen des betreuten Wohnens als durch deren Vergütung vermittelte Anerkennung als qualifizierte Einrichtung anzusehen.
Erforderlich ist darüber hinaus, dass im vorangegangenen Kalenderjahr die Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle (bzw. ab 1.7.2013: 25 %) von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet wurden. Sind die betreuten Personen aufgrund der Zuerkennung eines Pflegegrads zum Leistungsbezug berechtigt, kann insoweit eine Kostentragung durch die Pflegekassen als Sozialversicherungsträger unterstellt werden.
5. Überlange Gerichtsverfahren: Corona-Pandemie begründet keinen Entschädigungsanspruch
Verzögerungen des Sitzungsbetriebs beim Finanzgericht, die coronabedingt eingetreten sind, führen nicht zur Unangemessenheit der gerichtlichen Verfahrensdauer. Denn sie sind nicht dem staatlichen Verantwortungsbereich zuzuordnen.
Hintergrund
X war für eine in der Schweiz ansässige GmbH als Medienberater selbstständig tätig. Das Finanzamt bejahte insoweit im Inland steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistungen.
Mit seiner Klage beantragte X die Herabsetzung der Umsatzsteuer auf 0 EUR, die Klage wurde am 19.1.2018 erhoben. Nach Schriftsatzaustausch beantragte X am 23.5.2018 die Anberaumung eines Termins zur Beweisaufnahme und mündlichen Verhandlung.
Am 15.1.2020 erhob X eine Verzögerungsrüge und beantragte nachdrücklich, die Sache unverzüglich zu laden. Am 23.1.2020 forderte der Berichterstatter beim Finanzamt die Verwaltungsakte an, die am 5.2.2020 vorgelegt wurden. Mit Verfügung vom 8.7.2020 bestimmte der Vorsitzende den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 21.8.2020.
Mit Urteil vom 21.8.2020 wies das Finanzgericht die Klage ab. Das Urteil wurde am 14.9.2020 zugestellt, also 2 Jahre und 7 Monate nach Klageerhebung.
Am 20.10.2020 erhob X Klage beim Bundesfinanzhof gegen das Land wegen des von ihm als verzögert angesehenen Rechtsstreits vor dem Finanzgericht.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof wies die Entschädigungsklage als unbegründet zurück. Er entschied, dass die Dauer des Ausgangsverfahrens nicht unangemessen war, da die pandemiebedingten Verzögerungen dem Finanzgericht nicht zurechenbar sind.
Wer aufgrund unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens (als Verfahrensbeteiligter) einen Nachteil erleidet, kann entschädigt werden. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Beteiligten und Dritter.
Für die Dauer finanzgerichtlicher Verfahren geht der Bundesfinanzhof grundsätzlich von der Vermutung aus, dass der Finanzrichter bei einem typischen durchschnittlichen Klageverfahren gut 2 Jahre nach dem Klageeingang konsequent auf die Erledigung des Verfahrens hinwirken muss und das Gericht die Akte nicht unbearbeitet lässt.
Im vorliegenden Fall waren Leistungserbringer bzw. -empfänger zu bestimmen und der Auslandsbezug zu berücksichtigen. Es handelt sich um ein durchschnittliches erstinstanzliches Klageverfahren. Besondere Eilbedürftigkeit hat X nicht geltend gemacht, sodass von der 2-Jahres-Regelvermutung auszugehen ist.
Diese Zeitspanne endete, ausgehend von der Klageerhebung im Januar 2018, mit Ablauf des Januars 2020. Sie ist eingehalten, da der Berichterstatter im Januar 2020 vom Finanzamt die Akten angefordert hat.
Für die nachfolgenden Monate bis einschließlich Juni 2020 ist von einer pandemiebedingten Verzögerung des Klageverfahrens auszugehen. Diese Verzögerung ist allerdings dem beklagten Land nicht zuzurechnen. Sie führt nicht zur Unangemessenheit der gerichtlichen Verfahrensdauer. Bei der Pandemie handelt es sich um ein derart außergewöhnliches, beispielloses Ereignis, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Justizbehörden Vorsorge für die Aufrechterhaltung einer stets uneingeschränkten Rechtspflege hätten treffen müssen.
6. Umgelegte Grundsteuer ist gewerbesteuerlich hinzuzurechnen
Wird Grundsteuer vertraglich auf den Mieter oder Pächter eines Gewerbegrundstücks umgelegt, muss diese im Rahmen der Gewerbesteuer zusammen mit den laufend zu zahlenden Miet- bzw. Pachtzinsen dem Gewinn hinzugerechnet werden.
Hintergrund
An der X-GmbH sind die Geschwister A und B beteiligt. Diese sind auch Gesellschafter einer GbR. Die GbR vermietet an die GmbH im Rahmen einer Betriebsaufspaltung ein Betriebsgebäude. Im Mietvertrag war vereinbart, dass die GmbH als Mieterin die Grundsteuer zu tragen hat.
Das Finanzamt war der Auffassung, dass die umgelegte Grundsteuer zu der von der GmbH zu zahlenden Miete gehört und daher zusammen mit den laufend zu zahlenden Miet-/Pachtzinsen dem Gewinn der GmbH hinzuzurechnen ist.
Die dagegen gerichtete Klage der GmbH hatte Erfolg. Das Finanzgericht ging davon aus, dass es sich bei der Grundsteuer als Kostenposition des Eigentümers um eine mehr oder weniger konstante Position handelt, die vom Grundstückseigentümer ertragsmindernd geltend gemacht werden kann.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und wies die Klage ab. Die auf den Mieter/Pächter überwälzte Grundsteuer gehört zu den grundstücksbezogenen Aufwendungen, für die die gewerbesteuerliche Hinzurechnung gilt.
Der Begriff der Miet-/Pachtzinsen ist wirtschaftlich zu verstehen. Er erfasst nicht nur die laufenden Zahlungen an den Vermieter/Verpächter. Vielmehr gehören dazu auch die vom Mieter/Pächter getragenen Aufwendungen, wenn und soweit sie aufgrund der für den jeweiligen Vertragstyp geltenden zivilrechtlichen Vorschriften nicht ohnehin vom Mieter/Pächter zu tragen wären.
Unter solche Aufwendungen fallen Kosten, die nach dem gesetzestypischen Lastenverteilungssystem eigentlich vom Vermieter/Verpächter zu tragen wären, aber nach dem im konkreten Fall abgeschlossenen Vertrag vom Mieter/Pächter übernommen wurden.
Zu den grundstücksbezogenen Aufwendungen, die nach dem gesetzestypischen Lastenverteilungssystem vom Vermieter/Verpächter zu tragen sind und unter die gewerbesteuerliche Hinzurechnung fallen, gehört auch die auf den Mieter/Pächter überwälzte Grundsteuer.
Zivilrechtlich hat der Vermieter die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen. Das umfasst auch die Grundsteuer. Schuldner der Grundsteuer ist derjenige, dem das Grundstück bei der Feststellung des Einheitswerts zugerechnet ist. Das ist regelmäßig der Grundstückseigentümer, d.h. der Vermieter/Verpächter. Allerdings kann die Grundsteuer wie vorliegend vertraglich abgewälzt werden. In diesem Fall gehört auch die wirtschaftlich vom Mieter/Pächter getragene Grundsteuer zu der von ihm zu entrichtenden Miete. Sie fließt damit in die gewerbesteuerlich hinzuzurechnenden Miet-/Pachtzinsen ein.
7. Vercharterung von Segelyachten: Vorsteuerabzug nur bei Gewinnerzielungsabsicht
Fehlt bei der Vercharterung von Segelyachten die Gewinnerzielungsabsicht, gilt ein Vorsteuerabzugsverbot.
Hintergrund
Die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft i. L., gegründet im Jahr 1997, erwarb insgesamt 6 eigene Segelyachten, die sie ab 2003 bis 2013 wieder veräußerte und in der Zwischenzeit verchartert hatte. Die angemeldete Umsatzsteuer überstieg regelmäßig deutlich die Vorsteuerbeträge. Für die Jahre ab 2005 wurde das Vercharterungsunternehmen ertragsteuerlich als Liebhaberei eingestuft. Deshalb versagte das Finanzamt den Vorsteuerabzug und berief sich dabei auf das Abzugsverbot des § 15 Abs. 1a UStG i. V. m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG. Die Umsatzsteuer wurde jedoch erhoben. Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage.
Entscheidung
Die Klage wurde als unbegründet abgewiesen. Nach Ansicht des Finanzgerichts kommt es auch für die umsatzsteuerrechtliche Betrachtung darauf an, ob die Klägerin in der Absicht gehandelt hat, Gewinn zu erzielen. Da dies nicht der Fall war, kommt das Vorsteuerabzugsverbot des § 15 Abs. 1a UStG zur Anwendung.
Die Umsatzsteuerpflicht setzt zwar grundsätzlich – ebenso wie der Vorsteuerabzug – die Existenz eines Unternehmens voraus, also einer selbstständig ausgeübten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit, die auch dann vorliegen kann, wenn es an der Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt. Aus der Regelung des § 15 Abs. 1a UStG folgt jedoch, dass das Vorsteuerabzugsverbot auch zu berücksichtigen ist, wenn ein Unternehmen zwar nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen tätig ist, aber ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird.
Das Gericht ging davon aus, dass es dem Kommanditisten offenbar ertragsteuerlich darum ging, die Einkünfte aus einer Arztpraxis mit den Verlusten aus dem Betrieb der Yachtvercharterung verrechnen zu können. Auch bestand eine persönliche Beziehung zum Segeln, da er seit dem Jahr 1978 im Besitz eines “Sportbootführerscheins Küste” und seit dem Jahr 1996 im Besitz des “Sporthochseeschifferscheins” war. Die hohen Verluste waren offenbar über die Jahre hinweg aus Privatmotiven in Kauf genommen worden.
8. Vorträge zur Fachanwaltsfortbildung: Warum die Vergütungen nicht steuerfrei sind
Vergütungen, die ein Steuerpflichtiger für Vorträge zur Fachanwaltsfortbildung erhält, sind nicht steuerfrei. Insbesondere die Steuerbefreiung für nebenberufliche Tätigkeiten nach § 3 Nr. 26 und 26a EStG kommen nicht in Betracht.
Hintergrund
Der Kläger behandelte Vortragsvergütungen, die er für Vorträge erhielt, die von Verlagen und Verbänden im Rahmen der Fachanwaltsfortbildung organisiert wurden, nach § 3 Nr. 26 EStG als steuerfrei. Das Finanzamt war hingegen der Auffassung, dass die Vorschrift keine Anwendung findet, da die Vorträge nicht gegenüber der Rechtsanwaltskammer als juristischer Person des öffentlichen Rechts erbracht wurden.
Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner Klage.
Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach § 3 Nr. 26 Satz 1 EStG sind Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten u.a. als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer oder vergleichbaren nebenberuflichen Tätigkeiten, aus nebenberuflichen künstlerischen Tätigkeiten oder der nebenberuflichen Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen im Dienst oder im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union belegen ist, bis zur Höhe von aktuell 3.000 EUR pro Jahr steuerfrei.
Nach § 3 Nr. 26a Satz 1 EStG und § 3 Nr. 26a Satz 2 EStG sind Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten u.a. im Dienst oder Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die z.B. in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union belegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, bis zur Höhe von aktuell 840 EUR im Jahr steuerfrei.
Beide Befreiungstatbestände verlangen also als Leistungsempfänger entweder bestimmte privatrechtliche steuerbegünstigte Körperschaften oder eine Tätigkeit “im Dienst oder im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts”.
Im vorliegenden Fall schied eine Steuerbefreiung nach Auffassung des Finanzgerichts bereits deswegen aus, weil Leistungsempfänger der vom Steuerpflichtigen erbrachten Leistungen weder eine private steuerbegünstigte Körperschaft noch eine juristische Person des öffentlichen Rechts war. Die Verlage und Verbände, die mit dem Steuerpflichtigen hinsichtlich der Leistungserbringung, Rechnung und Zahlung in einem unmittelbaren Rechtsverhältnis standen, waren weder steuerbegünstigte Körperschaften noch juristische Personen des öffentlichen Rechts.
Da es vorliegend bereits an einem begünstigten Leistungsempfänger fehlte, konnte dahinstehen, ob die vom Steuerpflichtigen ausgeübten Tätigkeiten das Merkmal einer Tätigkeit “als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer oder vergleichbaren nebenberuflichen Tätigkeiten” erfüllen und/oder ob die Tätigkeiten nebenberuflich ausgeübt worden sind.
9. Wann ein Anspruch auf Auskunft nach der Datenschutz-Grundverordnung besteht und wann nicht
Über die bei der Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen (IZA) gespeicherten Daten besteht kein Auskunftsanspruch. Die AO-Vorschriften schließen das DSGVO-Auskunftsrecht zulässig aus.
Hintergrund
Die X ist eine im Ausland registrierte Gesellschaft. Das Finanzamt Z führte für die Jahre 2006 bis 2012 eine Fahndungsprüfung durch, die zu geänderten Bescheiden und in ein Klageverfahren führte. Zentraler Streitpunkt war die Frage, wo die geschäftliche Oberleitung der X tatsächlich ansässig war. Die Finanzverwaltung meinte, dies sei im Inland gewesen. Vor dem Finanzgericht kam es im Jahr 2018 zu einer tatsächlichen Verständigung dahin, dass die geschäftliche Oberleitung sich bis 2008 im Inland und ab 2009 im Ausland befunden hat.
Im Jahr 2018 beantragte X beim BZSt die Änderung der über sie bei der IZA gespeicherten Daten. Im Wesentlichen wandte sie sich gegen eine Ansässigkeit im Inland. Sie legte Firmenprofile der IZA über sie, die X, aus 2014 und 2018 vor, in denen sie als Briefkastenfirma und Offshore-Gesellschaft bezeichnet wird, die nach Ermittlungen des Finanzamts Z keine inländische Betriebsstätte unterhalte.
Das Finanzamt und ihm folgend das Finanzgericht lehnten den Antrag ab. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung steht hinter dem Interesse des Staats an einer ordnungsgemäßen Besteuerung zurück.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof wies die Revision zurück. X steht weder ein Anspruch auf Auskunft noch auf Änderung der Datensätze bei der IZA zu. Die Ansprüche aus der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sind in zulässiger Weise durch die AO eingeschränkt worden.
Art. 23 DSGVO ermöglicht die Einschränkung der Rechte aus Art. 13 bis 17 DSGVO durch das nationale Recht, soweit die Beschränkung den Wesensgehalt der Grundrechte und Grundfreiheiten achtet und in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme (u.a. im Steuerbereich) darstellt. Dabei müssen die nationalen Rechtsvorschriften der Verfassungsordnung des betreffenden Mitgliedstaats entsprechen.
X steht über die bei der IZA gespeicherten Daten kein Auskunftsrecht zu. Die Auskunftsansprüche aus Art. 15 DSGVO sind nach § 32c Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a AO ausgeschlossen. Eine Auskunftserteilung über die bei der IZA gesammelten Daten würde die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Finanzbehörden gefährden.
Eine Datensammlung würde ihren Zweck verfehlen, wenn der Betroffene wüsste, welche Daten über ihn gespeichert sind. Zentral gesammelte Daten wären keine zuverlässige Entscheidungsgrundlage für die gleichmäßige Besteuerung und damit wertlos.
Die Interessen der betroffenen Person an der Informationserteilung müssen demgegenüber zurücktreten. Der einfachgesetzliche Auskunftsanspruch steht hinter den überwiegenden Allgemeininteressen zurück.
10. Wartungsgebühren beim Leasing: Wie werden diese gewerbesteuerlich behandelt?
Viele Fahrzeuge werden geleast. Werden auch Wartungsgebühren erhoben, sind diese dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen.
Hintergrund
Die Klägerin ist eine GmbH, die Nutzfahrzeuge an Dritte im Rahmen eines Leasings überlässt. Für diese Fahrzeuge übernahm die Klägerin, wie vertraglich vereinbart, die Wartungsgebühren. Das Finanzamt rechnete die Wartungsgebühren als Teil der Leasingraten dem Gewerbeertrag hinzu.
Die Klägerin machte geltend, dass sie keine über die gesetzliche Pflicht hinausgehende vertragliche Verpflichtung übernommen hat. Das Finanzamt sah jedoch die Kosten für die Instandhaltung als Teil des Leasingentgelts an. Ihre Klage begründete die Klägerin damit, dass die Behandlung gegen die Grundsätze der Systematik der Hinzurechnung verstößt, nämlich der Gleichstellung von Kauf bzw. Miete oder Leasing. Der Leasingnehmer hat eine mehr einem Eigentümer als einem Mieter vergleichbare Rechtsstellung, sodass ihn regelmäßig die Erhaltungspflicht trifft.
Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage als unbegründet zurück. Die im Rahmen von Leasingverträgen aufgewendeten Wartungsgebühren sind dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen. Der Begriff der “Leasingraten” versteht sich in einem wirtschaftlichen Sinne. Zur Leasingrate gehören grundsätzlich auch gesondert in Rechnung gestellte Kosten für Instandhaltung, Instandsetzung, Verwaltung sowie umlagefähige Betriebskosten.
Die Miet- bzw. Pachtsache ist vom Vermieter/Verpächter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Damit wären die Wartungsgebühren vom Vermieter/Pächter zu tragen. Durch die Leasingverträge wurde diese Verpflichtung jedoch auf den Leasingnehmer übertragen. Zudem hat die Klägerin im Streitfall die Wartungspflichten nicht lediglich im eigenen betrieblichen Interesse übernommen, da sie vertraglich verpflichtet war, die Leasinggegenstände laufend zu warten.
11. Zum Steuerabzug bei Technologietransfer aus dem Ausland
Wird Know-how durch einen ausländischen Vergütungsgläubiger zeitlich unbegrenzt überlassen, kann dies zu beschränkt steuerpflichtigen Einkünften EStG führen. Dabei ist nicht Voraussetzung, dass das Know-how den vereinbarten Umfang und/oder die vereinbarte Qualität hatte, um die im Inland verfolgten Zwecke zu erfüllen.
Hintergrund
Die K-GmbH vereinbarte mit der P-Kft. (Gesellschaft ungarischen Rechts mit Sitz in Ungarn) den Transfer eines Verfahrens zur Herstellung eines Wirkstoffs verbunden mit dem Transfer des Know-how.
Als Vergütung für die Übertragung der exklusiven Rechte zur Nutzung der Technologie war eine Pauschale von 1 Mio. EUR vorgesehen. Bei Vertragsschluss (2007) sollten hiervon 300.000 EUR gezahlt werden. Von K wurde hierfür keine Abzugsteuer angemeldet, einbehalten oder abgeführt. Das Vertragsverhältnis wurde im Jahr 2009 beendet.
Das Finanzamt ging davon aus, dass K für die Zahlung von 300.000 EUR zum Steuerabzug verpflichtet gewesen war und erließ gegenüber K einen Haftungsbescheid über Körperschaftsteuer i. H. v. 60.000 EUR (20 % von 300.000 EUR). Denn P hatte durch den Technologietransfer beschränkt steuerpflichtige Einkünfte erzielt. K war als Vergütungsschuldnerin dieser Einkünfte ihrer Abzugspflicht jedoch nicht nachgekommen.
Dem folgte das Finanzgericht und wies die Klage ab.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof bestätigte das Finanzgerichtsurteil und wies die Revision der K als unbegründet zurück. P unterlag der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland. K hätte für die Zahlung an P Abzugsteuer einbehalten, anmelden und abführen müssen.
P erzielte inländische Einkünfte. Die Regelung des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG (Nutzungsüberlassung) erfasst auch die Überlassung von Know-how. Das gilt auch dann, wenn das Know-how zeitlich unbegrenzt überlassen wird. Die Überlassung wird nur dann nicht (mehr) von § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfasst, wenn der Inhaber des Know-how dieses nicht nur zur Nutzung überlässt, sondern veräußert. Denn bei einer Veräußerung des Nutzungsrechts wird dieses nicht mehr (nur) “überlassen”.
Das Finanzgericht hat den Technologietransfervertrag dahin ausgelegt, dass eine zeitlich unbegrenzte Überlassung des Know-how und keine Veräußerung im Sinne einer endgültigen Aufgabe des Know-how durch P in seiner Substanz vorliegt.
Auch der territoriale Inlandsbezug der Einkünfte (“im Inland genutzt”) liegt vor. Das von P überlassene Know-how sollte in einer inländischen Betriebsstätte der Schwestergesellschaft der K genutzt werden. Der Technologietransfervertrag hat ungeachtet seiner vorzeitigen Beendigung zu einem Leistungsaustausch geführt.
Für die Verpflichtung zum Steuerabzug ist es unerheblich, ob der Tatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG bereits zum Zeitpunkt der Zahlung vollständig erfüllt war. Denn die Steuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Vergütung dem Gläubiger zufließt. Zu diesem Zeitpunkt hat der Schuldner der Vergütung den Steuerabzug für Rechnung des beschränkt steuerpflichtigen Gläubigers (Steuerschuldner) vorzunehmen. Dabei genügt es für die Verpflichtung zum Steuerabzug, wenn die tatsächliche Nutzung im Inland zum Zeitpunkt des Zuflusses beim Gläubiger beabsichtigt war.
Wird die Abzugsteuer nicht ordnungsgemäß einbehalten und abgeführt, hat das Finanzamt die Steuer von dem Vergütungsschuldner durch Haftungsbescheid oder vom Steuerschuldner durch Steuerbescheid anzufordern. Das Finanzamt hat das Auswahlermessen zulasten der K im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung des Steueranspruchs gegenüber dem ausländischen Steuerschuldner (P) ohne Ermessensfehler ausgeübt.
Vereine
1. Wann die von einem Sportverein erbrachten Leistungen von der Umsatzsteuer befreit sind
Aus der MwStSystRL lässt sich keine Steuerfreiheit für Mitgliederbeiträge ableiten. Deshalb kann sich ein Sportverein auf diese unionsrechtliche Steuerbefreiung nicht berufen.
Hintergrund
Der im Streitjahr 2011 nicht als gemeinnützig anerkannte Verein (Golfclub) vereinnahmte Mitgliedsbeiträge. Darüber hinaus erbrachte der Club weitere Leistungen gegen gesondertes Entgelt, und zwar für die Nutzung des Platzes, die leihweise Überlassung von Golfbällen für das Abschlagstraining, die Durchführung von Golfturnieren und Veranstaltungen, bei denen der Club Gelder für Teilnahme vereinnahmte, und für die Überlassung von Caddys sowie für den Verkauf eines Golfschlägers (insgesamt 80.000 EUR).
Das Finanzamt sah diese gesondert vereinbarten Leistungen als steuerbar und steuerpflichtig an. Die mögliche Steuerfreiheit für den Veranstaltungsbereich lehnte das Finanzamt mangels Gemeinnützigkeit des Clubs ab.
Das Finanzgericht gab der Klage statt. Es ging davon aus, bei dem Club habe es sich um eine Einrichtung ohne Gewinnstreben gehandelt, die sich auf die Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL berufen kann.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und wies die Klage ab.
Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten “bestimmte”, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Sport oder Körperertüchtigung ausübende Personen erbringen. Nach der Auffassung des EuGH kann sich eine Einrichtung auf diese Vorschrift nicht unmittelbar berufen, wenn der Mitgliedstaat nur eine begrenzte Zahl sportlicher Dienstleistungen von der Steuer befreit. Das liegt hier vor. Denn § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG befreit nur eine begrenzte Zahl von Dienstleistungen (Veranstaltungen mit Teilnehmergebühren). Der EuGH begründet seine Auslegung damit, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL den Mitgliedstaaten einen Ermessensspielraum bei der Bestimmung der steuerfreien Dienstleistungen lässt. Daraus folgt, dass die Bestimmung keine unmittelbare Geltendmachung ermöglicht.
Der Bundesfinanzhof hat bisher die unmittelbare Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL bejaht. An dieser Rechtsprechung hält der Bundesfinanzhof nicht mehr fest.
Für die Leistungen im Bereich der Veranstaltungsstartgelder kann zwar eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG in Betracht kommen. Die Steuerfreiheit scheitert im Streitfall aber daran, dass es sich bei dem Club nicht um eine Einrichtung ohne Gewinnstreben i. S. v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL handelt. Denn hierzu hat der EuGH entschieden, dass der Begriff verlangt, dass das Vermögen bei der Auflösung nicht an ihre Mitglieder verteilt werden kann. Das war bei dem Club im Streitjahr 2011 nicht der Fall.